05. bis 08. April 2016 ©BibliothekDSR
«Es gibt müßige Fragen oder auch wichtige Fragen. Darüber hinaus gibt es aber auch Fragen, denen wir uns stellen müssen, ob wir wollen oder nicht. Da wir das meist nicht, oder nur sehr zögernd wollen, scheint es umso wichtger, sie bewusst ins Auge zu fassen.» Dieser Aufgabe sind Vanja Palmers und Bruder David im Gespräch mit den Teilnehmer:innen in diesem Retreat im April 2016 in der Stiftung Felsentor, Romiti / Vitznau (CH), nachgegangen.
Bearbeitung der Originalaufnahmen und in Themen zusammengefasst: Hans Businger.
Beide Fotos Copyright © - Wilfried F. Noisternig
Tag 1 5. April 2016
Vormittag: Drei Grundfragen Warum? Was? Wie? ‒ drei Zugangswege zum dreifaltigen Geheimnis als Schweigen ‒ Wort ‒ Verstehen durch Tun (Bruder David)
(00:00) Verstehen und Begreifen ‒ Lebensangst und Lebensvertrauen mit Fragen, die uns nicht loslassen / (08:27) Der Sprache nachdenken (Martin Heidegger) und in der dreifachen Bedeutung des Wortes ‹aufheben› (G. W. F. Hegel) Fragen aufheben: 1) auf die Ebene, das Geheimnis zu ahnen / (13:43) 2) Fragen loslassen ‒ 3) Fragen bewahren in Offenheit für Überraschung: in Hoffnung im Unterschied von Hoffnungen, in Staunen, Erwartung und Neugier im Sinn von ‹Curiositas›, ‹Cura›: liebendes sich kümmern um die Welt / (17:25) Drei Grundfragen: Warum? ‒ Was? ‒ Wie? ‒ (siehe auch Geheimnis: Ergänzend: 3.1.) ‒ Wie die Frage Warum? uns im Schweigen in den Abgrund des Ursprungs führt: ‹Und doch ist uns das Dasein verzaubert; an hundert Stellen ist es noch Ursprung› (Rilke: Sonette an Orpheus 2. Teil, X) ‒ Wie eine Tasse Tee Begegnung mit dem Ursprung sein kann / (22:32) Die Frage Was ist das? und das ‹Wort› aus dem Schweigen: Ich bin zugleich angesprochen und ausgesprochen ‒ Unsere Lebensaufgabe: das Kind zu werden, das ich sein möchte und kann, denn die Kindheit ist zu kurz, um das Kind zu werden, das wir sein können ‒ Wenn ich das Kind bin, dann ist das Geheimnis die Mutter / (26:17) Die Frage Wie? weckt Verstehen im Unterschied zum Begreifen: Statt Hubschrauberperspektive ‹to under-stand›: sich drunterstellen, hineinstellen ‒ Vom Tun zur Haltung / (28:41) Fragen zu Gott und Gottesbild: Gott ist ein Wort, das auf das Geheimnis hinweist ‒ das Geheimnis unter dem Aspekt der Ich ‒ Du Beziehung: ‹Ich bin durch dich so ich› (E. E. Cummings) ‒ ‹Es› gibt mich / (32:10) Unsere Aufgabe: ‹Rühmen, das ists› (Rilke: Sonette an Orpheus ‒ ‹Ich geh doch immer auf dich zu› (Rilke: ‹Du wirst nur durch die Tat erfasst›) ‒ Kann man denn alles rühmen? ‹Schau auf das Ganze, rühme das Ganze› (Augustinus) ‒ ‹Zwischen den Hämmern besteht unser Herz› (Rilke: Die Neunte Elegie) ‒ Die Dunkelheit, der Schatten des Geheimnisses und unser eigener Schatten gehören zum Ganzen dazu ‒ ‹Du Dunkelheit aus der ich stamme› (Rilke: Das Stunden-Buch) / (37:37) Das Böse, das noch nicht Vollendete ‒ Und so gehen wir aus dem Schweigen in das Wort und durch das Verstehen wieder ins Schweigen zurück auf einer andern Ebene ‒ In der liebenden Dunkelheit sind wir versöhnt mit dem Schweigen
(38:51) Gespräch: Verstehen im Schweigen ‒ Notwendigkeit und Gefahr des Wissens / (45:00) Wissen und Weisheit ‒ Intuition, ein inneres Sehen ‒ Weise Menschen sind Herzmenschen / (52:29) Freiheit als Antwort auf die Frage, die das Leben mir in diesem Augenblick stellt / (58:30) Gibt es falsche Antworten? Mit Situationen umgehen, in denen wir versagten oder die Gelegenheit versäumten: Sich erinnern, den Fehler eingestehen, aber keine Energie verschwenden mit Schuldgefühlen / (01:12:35) Das Aufschieben der Bedürfnisbefriedigung in der Erziehung von Kindern
Nachmittag: (Vanja Palmers)
Tag 2 6. April 2016
Vormittag: (Vanja Palmers)
Nachmittag: Im Selbst sein und im Jetzt sein ist identisch (Bruder David)
(00:00) Was ist unsere Lebensaufgabe? / (02:32) ‹Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht› (Rilke, Das Stunden-Buch) / (04:21) Wer stellt denn diese Frage? Ich selbst! Unterschied und Beziehung von Ich und Selbst erfahren / (08:17) Es war noch nie jemand da wie du, um einen Ton der Rühmung zu singen / (10:52) Das Selbst ist über Raum und Zeit erhaben ‒ Die Balance Ich und Selbst in spirituellen Übungen und Gipfelerlebnissen / (13:57) Ganz im Jetzt sein: ‹The moment in and out of time› (T. S. Eliot) ‒ ‹Das Nirgends ohne Nicht› (Die achte Duineser Elegie) ‒ ‹Nunc stans›: Ewigkeit ‒ das Jetzt, das nicht vergeht / (18:15) Im Selbst sein und im Jetzt sein ist identisch ‒ ‹All is always now› (T. S. Eliot) ‒ Immer wieder ins Jetzt kommen: das Kernanliegen aller spirituellen Wege / (21:59 / 54:43) Selbst- und Ich-Erfahrung des Geheimnisses, in das wir eingebettet sind / (25:43) Paulus auf dem Areopag (Apg 17,17-34) / (27:54) Sich auf das große Geheimnis verlassen heißt glauben / (29:08) Was verbindet das Ich mit dem Selbst? Warum das Ich? Das eine unteilbare Selbst in den Weltreligionen und das richtige Verständnis des Liebesgebotes / (34:10) Jedes Ich ist ein einmaliger Ausdruck des Selbst ‒ der Begriff ‹Seele› in diesem Zusammenhang ‒ das Selbst umfasst alles Lebendige und sehr wahrscheinlich auch die unbelebte Natur / (38:11) Das Selbst spielt in jedem Ich eine einzigartige Rolle ‒ der Vergleich mit dem Kasperltheater ‒ Unsere Rollen sind uns weit mehr aufgegeben als wir meinen ‒ Mir ist eine Rolle aufgegeben: Wie kann ich sie gut spielen? ‒ Freiheit ist ein Wesenszug von allem, was es gibt / (42:00) Wir sind zu einem gewissen Grad frei, uns dem Leben hinzugeben oder uns gegen das Leben zu sträuben: Immer wieder ins Jetzt kommen und das Leben durch uns fließen lassen. Im Jetzt sein heißt, sich der Frage, der Aufgabe stellen, die das Leben uns jetzt stellt: ‹Es gibt nichts Gutes, außer man tut es› / (45:19) ‹To live in tune with the world› ‒ ‹Alles ist Schwingung, alles ist Klang›: Im Einklang mit dem Leben tanzen ‒ Tanzend arbeiten
(48:05) Gespräch: Was die Worte ‹selbstlos›, ‹selbstvergessen› über unsere Kultur verraten / (54:43) Ist das Selbst Gott? ‒ Schönheit und Schrecken … man muss nur gehn (Rilke): der Reigentanz der Trinität / (59:20) Spirituelle Traditionen verhärten ‒ sie auftauen mit unserer eigenen Herzenswärme / (01:01:14) Das Paradoxon, ‹dass alle, die mit dem Strom des Lebens schwimmen, gewöhnlich im Leben gegen den Strom schwimmen müssen. Und darum schwimmen so wenige mit dem Strom des Lebens› [siehe auch (28:26) Eröffnungsreferat (1992), abgedruckt in Schmerz ‒ Stachel des Lebens,, 24] ‒ ‹Ein Narr macht denselben Fehler immer wieder, ein Weiser macht immer einen neuen› ‒ Fingerspitzengefühl ‒ Warten können ‒ Die eigentliche Entscheidung fällt, wenn die Scheidung wegfällt ‒ Wenn keine Antwort auch eine Antwort ist ‒ Wer hat recht? ‒ Die Geschichte vom Rabbi mit: ‹Du hast Recht›.
Tag 3 7. April 2016
Vormittag: Das Ego ‒ die Fehlform des Ich (Bruder David)
(00:00) Das Ego ist das erkrankte Ich, das sich anmaßt, was dem Selbst zukommt / (07:09) Ich-Selbst werden, den Lebensstrom, die Energie des Lebens auf einzigartige Weise durch uns fließen lassen oder ‹mich› verwirklichen: die Schattenseite unserer Einzigartigkeit ‒ Unterschied von Zulassen und Kontrollieren / (11:28) Das Ego entspringt der Furcht ‒ Furcht sträubt sich gegen die Angst und die Schwierigkeiten des Lebens / (13:32) Person werden: per-sonare heißt durch-tönen: das Selbst will sich in jedem Menschen einzigartig verwirklichen: willig oder willkürlich: küren, auswählen ‒ das Lebensvertrauen stärken und Kindern schenken: ‹Du kannst es schon› / (18:04) Furcht und Kontrolle statt Hoffnungen in Hoffnung: Offenheit für Überraschung einbetten ‒ Alleingang aus Misstrauen statt sich öffnen für Überraschung in Beziehungen ‒ Liebe: das freudig gelebte Ja zur Zugehörigkeit ‒ Was immer die Frage, die Antwort ist ‹Ja› / (23:44) ‹Nichts ist, was dich schrecken darf, denn du bist zu Haus› (Werner Bergengruen: ‹Poeta Creator›): Wir sind zu Hause in dieser Welt / (24:57) Der Furcht entspringt Gewalttätigkeit: Macht, die unterdrückt im Unterschied zur Macht, die andere ermächtigt / (28:49) Rivalität als Wettbewerb gegen andere im Unterschied zu Wettbewerb mit andern / (30:44) Habsucht im Unterschied zur Freude des Teilens / (34:08) Wir leben in einer Ego-geprägten Gesellschaft: die Machtpyramide im Gegensatz zu kleinen vernetzten Gruppen wie sie Jesus gründete und Buddha mit seiner Sangha
(41:22) Gespräch: Das Leben ist nicht feindselig / (43:54) Machtpyramide und Netzwerke: Blick ins Tierreich und Kulturgeschichte, ‹Autorität› richtig verstehen ‒ das Beispiel der Irokesen / (57:26) Rivalität, Wettbewerb miteinander und gegeneinander: schwierige Balance zwischen sich abgrenzen und sich öffnen / (01:09:45) mit Arno Gruen nachdenken, wie unsere Gleichgültigkeit dem Missbrauch der Macht in die Hände spielt ‒ Was kann der Einzelne schon bewirken? / (01:16:02) Von der Raupe zum Schmetterling: der Weg zur neuen Bewusstseinsebene
Nachmittag: (Vanja Palmers)
Tag 4 8. April 2016
Vormittag: (Vanja Palmers)
Nachmittag: ‹Memento mori› ‒ ‹memento vivere› (Bruder David)
(00:00) Mit dem Tod Frieden machen: ‹Sie machte Frieden. Das ist mein Gedicht› (Matthias Claudius: ‹Auf den Tod der Kaiserin›) / (04:33) ‹Der Tod ist groß›: Sterben in jedem Augenblick ‒ der Tod, die Frucht des Lebens ‒ den eigenen Tod sterben: Bruder David liest Gedichte und Verse aus dem Stundenbuch von R. M. Rilke / (16:02) ‹Der Mensch stirbt nicht am Tod, sondern an ausgereifter Liebe› wie Otto Mauer Thornton Wilders Roman ‹Die Brücke von San Luis Rey› zusammenfasst ‒ Rilkes Bild der grünen Früchte / (21:24) Leben im Doppelbereich Leben-Sterben heißt Rühmen auch unter Schatten: ‹Schau auf das Ganze, rühme das Ganze› (Augustinus), ‹Seidener Faden kamst du hinein ins Gewebe› (Rilke: Sonette an Orpheus 2. Teil, XX), ‹Nur wer die Leier schon hob auch unter Schatten› (Rilke: Sonette an Orpheus 1. Teil, IX) ‒ ‹And the time of death is every moment› (T. S. Eliot: Four Quartets: The Dry Salvages, III) / (26:32) Leben im Doppelbereich Ich-Selbst heißt im Augenblick leben ‒ Warum das Ich? ‹Wir sind die Bienen des Unsichtbaren› (Rilke): Nichts geht verloren: ‹All is always now› (T. S. Eliot: Four Quartets: Burnt Norton, V) / (31:31) Auferstehung des Fleisches: von allem, was vergänglich ist, unser Leben verborgen in Gott (Kol 3,3) ‒ ‹Ein Traum, ein Traum ist unser Leben auf Erden hier› (Johann Gottfried Herder) / (35:49) Ist die Todesstunde festgelegt? Freiheit und die Unterscheidung von Ken Wilber / (40:48) Dankbar leben bringt uns in das Jetzt im Dreischritt Stop ‒ Look ‒ Go ‒ ‹Komm, du süße Todesstunde› (J. S. Bach: Kantate 161, Jesus als Wort Gottes (1973), 38)
(45:48) Gespräch: Was, wenn die Liebe nicht ausgereift ist? Reinkarnation und Fegefeuer / (49:25) Leiden als Hebel zur Praxis: ‹den Tod allezeit vor Augen haben› (Regula Benedicti RB 4,47): ‹memento mori› ‒ ‹memento vivere› / (51:09) Rilkes Grabspruch ‹Rose, oh reiner Widerspruch, Lust›: ‹Wer seines Lebens viele Widersinne vereint und in ein Sinnbild fasst› (Rilke) / (54:56) ‹Für alles Leid ‒ Danke› (Essensspruch im Felsentor) / (55:59) Suizid, Sterbehilfe und Schmerztherapie / (01:01:08) Mahasamadhi / (01:02:07) ‹Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen› (Mk 15,34 und Mt 27,46): die Frohbotschaft in Psalm 22 ‒ der Abschied Jesu vom vertrauten Gottesbild: ‹Wir bauen Mauern auf wie Wände› (Rilke) / (01:08:24) Die Crux gemmata, das mit Edelstein geschmückte kosmische Kreuz im Vergleich zum Isenheimer Altar