In der Klarheit unserer Tage, wenn man einen geliebten Menschen beim Sterben begleitet oder selbst eine Grenzsituation erlebt hat, erscheint das Leben wie ein Geschenk, für das wir dankbar sind. Im englischen Wort Gratitude (Dankbarkeit) klingt das «gratis» («Umsonstigkeit») nach, ebenso die «gratia» (Gnade). Dankbarkeit kann man nicht herstellen – sie ist ein Geschenk, das der Erkenntnis entspringt, dass die Welt, in der wir leben, eine gute Welt ist. Damit zusammen hängt auch Demut.
Robert Emmons, ein Pionier der sozialwissenschaftlichen Dankbarkeitsforschung, hat in seinem Buch Vom Glück, dankbar zu sein (2008) eine Vielzahl von Materialien zusammengetragen, welche Effekte eine dankbare (freigiebige) Haltung auf unser Leben hat. In den Folgejahren kamen weitere Aspekte hinzu.
Dankbarkeit
- stärkt das Immunsystem und unsere Demut
- lässt uns besser schlafen
- macht uns weniger anfällig für toxische Emotionen
- sorgt für weniger körperliche Beschwerden
- vermindert Depression
- sorgt für einen gesünderen Umgang mit uns selbst
- schützt uns so vor Selbstüberschätzung
- gibt uns ein Gefühl von Urvertrauen
- hilft uns, Krisen besser zu meistern
- führt zu einem wertschätzenden Verhalten uns selbst und anderen gegenüber
- stärkt das Selbstwirksamkeitsempfinden/Selbstwertgefühl sowie die Hilfsbereitschaft und trägt zum Allgemeinwohl bei
- führt zu einer kooperativen Arbeitshaltung und freundlichen, wertschätzenden und angenehmeren Atmosphäre.
Dankbarkeit gab es bereits bei unseren Vorfahren.
Das zeigte sich zum Beispiel im Tausch von Nahrungsmitteln: Schimpansen teilten ihr Fressen systematisch mit denen, die ihnen das Fell gepflegt haben. Mit Berührungen wurde Dankbarkeit gegenüber denen ausgedrückt, die Fressen tauschten. Darauf verweist der Psychologieprofessor der University of California, Dacher Keltner, in seinem Buch «Das Macht-Paradox». Bleibende Macht hängt seiner Meinung nach davon ab, einfache Dinge zu tun, die gut für die anderen sind: «Achten wir auf die Bedürfnisse der Machtlosen unter uns, können wir unsere Macht nutzen, um Gutes zu tun und der Gesellschaft auf nachhaltige Weise dienen.» Macht gedeiht für Keltner dort, wo Solidarität und Begeisterung spürbar sind, wo positive Einflussnahme durch Freundlichkeit, Gemeinsinn und Gerechtigkeit wächst. Das Aufrechterhalten von Macht ist nach seiner Ansicht davon abhängig, wie wir die innere Erfahrung der Dankbarkeit nach außen umsetzen: «Das ist möglich, indem wir teilen, ermutigen, loben, wertschätzen» und die guten Anlagen der anderen fördern. Dauerhafte Macht erwächst für ihn aus Empathie, beruht auf Geben statt Nehmen sowie darauf, Dankbarkeit zu zeigen. Dankbare Menschen nehmen ihre positiven Möglichkeiten wahr, spüren Ruhe und Frieden in sich. Viele von ihnen geben zu, dass ihnen Gott den richtigen Weg weist – vor allem dann, wenn sie denken, dass er es nicht tut.
Dankbarkeit lässt sich üben.
Der US-amerikanische Kulturphilosoph und Autor Charles Eisenstein empfiehlt: «Tue etwas, das dich daran erinnert, dass die Welt gut ist. Geh raus, nimm eine Handvoll guter Erde, führe sie zu deiner Nase und atme tief ein. Versuche nicht, etwas daraus zu machen.» Auch der Business-Experte Bert Martin Ohnemüller, für den Dankbarkeit mit der Dekade der Menschlichkeit verbunden ist, verweist in seinen persönlichen Erfahrungs- und Erlebnisberichten darauf: «Notieren Sie sich ab morgen früh drei Dinge, für die Sie dankbar sind und machen Sie das ganz bewusst 21 Tage lang. Bleiben Sie dran, geben Sie nicht auf. Nach 21 Tagen wird das Leben Ihnen immer wieder bestimmte Herausforderungen bieten, die Sie meistern müssen. Aber jetzt haben Sie eine Liste mit mehr als 60 Dingen, für die Sie dankbar sind. Immer wenn Sie Energie brauchen, werfen Sie einen Blick auf Ihre Dankbarkeitsliste. Denken Sie daran: Da wo Ihre Aufmerksamkeit ist, da ist Ihre Energie – und noch besser: Sie können nicht gleichzeitig dankbar und missmutig sein. Nach 21 Tagen bildet Ihr Gehirn ein neues neuronales Netzwerk und ab dem 22. Tag denkt Ihr Gehirn nach dem Aufwachen automatisch, für was Sie dankbar sind.»
Weiterführende Informationen:
- Dankbarkeit als Lebenshaltung
- Zum Glück! Was uns zu besseren Menschenmacht
- Humane Wirtschaft: Warum wir die Solidarität einer Gesellschaft der guten Verlierer brauchen
- Gut sein macht glücklich: Interview mitBert Martin Ohnemüller
- Menschlichkeitsbilanz in Unternehmen:Warum diese Rechnung aufgeht und was unterm Strich bleibt
- Die Formel in der Dekade derMenschlichkeit: Freude - Wahrheit – Erfolg. Interview mit Bert MartinOhnemüller
- Dacher Keltner: Das Macht-Paradox. Wie wir Einfluss gewinnen – oder verlieren. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2016.
- Bert Martin Ohnemüller: LEAD SPEAK INSPIRE: Eine Inspirationsquelle für die vor uns liegende «Dekade der Menschlichkeit», die neue Sichtweisen auf Führung, Teams und Unternehmenserfolg fordert. 3. Auflage Frankfurt a. M. 2019.
- Bert Martin Ohnemüller: LEAD SPEAK INSPIRE. Inspirationsbuch Zielführende Fragen und Übungen helfen Ihnen Ihr wahres Potenzial im Berufs- und Privatleben zu entfalten. Frankfurt a. M. 1. Auflage Februar 2019.
- Raus aus dem Kopf – voll rein ins Herz …. Gedanken und Interviews für mehr Freude, Erfolg und Erfüllung im Berufs- und Privatleben. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Kindle Edition 2023.
Quelle: Dr. Alexandra Hildebrandt, Artikel vom 25.07.2023