Br. David Steindl-Rast OSB

erinnerungen an th mortenCopyright © - Wilfried F. Noisternig

Wenn ich an meine letzte Begegnung mit Thomas Merton denke, sehe ich ihn vor mir, wie er im Wald steht und auf den Regen horcht. Viel später, als er zu sprechen begann, hat er nicht die Stille gebrochen – er liess sie stattdessen zu Wort kommen. Und er horchte weiter. «Sprechen ist nicht die Hauptsache», sagte er.

Wir – eine Handvoll Frauen und Männer auf der Suche nach Wegen, religiöses Leben zu erneuern – waren nach Kalifornien gegangen um ihn zu treffen, kurz bevor er in den Fernen Osten ging. Wir hatten ihn gebeten, über das Gebet zu uns zu sprechen. Aber er bestand darauf: «Nichts, was irgend jemand sagt, wird so bedeutend sein. Das Großartige ist Beten. Beten als solches. Wenn ihr ein Leben des Gebets wollt, so führt der Weg dahin übers Beten.»

«Wie ihr wisst, lebte ich als eine Art Eremit. Und jetzt bin ich seit drei, vier Wochen weg aus dieser Atmosphäre, spreche viel und bekomme das Gefühl, dass so vieles gesprochen wird, das völlig unnötig ist. Irgendetwas wird in fünf Minuten ganz und gar gut gesagt und dann braucht man die folgenden fünf Stunden, das Gleiche immer und immer wieder zu sagen. Aber hier müsst ihr nicht das Gefühl haben, dass viel gesagt werden muss. Über alles wissen wir schon viel. Jetzt müssen wir es anpacken.

Das Wichtigste ist, dass wir hier sind, in einem Haus des Gebets. Hier gibt es eine wahre und echte Verwirklichung des zisterziensischen Geistes, eine Atmosphäre des Gebets. Genießt es! Nehmt es in euch auf. Alles, die Redwood-Wälder, das Meer, den Himmel, die Wellen, die Vögel, die Seelöwen. In all dem werdet ihr eure Antworten finden. Da ist alles vernetzt.» (Die Vorstellung der «Vernetzung» war für Thomas Merton von geheimnisvoller Bedeutung.)

Drei Seiten der Kapelle hier bestanden aus soliden Blockwänden. Die vierte Seite, ganz aus Glas, öffnete sich auf eine von Mammutbäumen umsäumte Lichtung hin. Die Bäume waren so hoch, dass trotz dieser hohen Fenster von den näheren Bäumen nur die riesigen Säulen des Baumrumpfes zu sehen waren. Die Zweige darüber konnten nur erahnt werden durch die Richtung, in der sie die Sonnenstrahlen auf den Waldboden durchscheinen liessen. Ja, selbst die Natur, welche «Our Lady of the Redwoods» (das Kloster in Kalifornien, in dem wir uns aufhielten) umgab, trug zur Atmosphäre des Gebets bei, ganz zu schweigen von den Frauen, welche hier beten und ihrer charismatischen Äbtissin. An diesem Tag hatten wir als Evangelium das Gleichnis vom Reich Gottes als einem großen Hochzeitsfest gehört. Gleichzeitig mit dem Kommuniongang begannen fliegende Ameisen durch den ganzen Wald auszuschwärmen und erhellten ihn mit Zehntausenden von glitzernden Flügelchen wie in einem Hochzeitszug. Alles «vernetzt».

Dort zu beginnen, wo du bist und dich der Vernetzungen bewusst zu werden, war Thomas Mertons Zugang zum Beten.

«Wir sind so von Mittel und Zweck indoktriniert» sagte er, «dass wir nicht erkennen, dass es eine andere Dimension im Gebetsleben gibt. In der Technik habt ihr diesen horizontalen Fortschritt, wo man an einem Punkt beginnen muss und sich dann zu einem weiteren bewegt, und wieder zu einem weiteren. Aber das ist nicht der Weg, um ein Leben des Gebets aufzubauen. Im Gebet entdecken wir, was wir bereits haben. Ihr beginnt, wo ihr seid und ihr vertieft, was ihr bereits habt, und ihr erkennt, dass ihr bereits da seid. Wir haben bereits alles, aber wir wissen es nicht und erfahren es nicht. Alles wurde uns in Christus gegeben. Alles, was wir brauchen, ist zu erfahren, was wir bereits besitzen.»

«Wir müssen auf ein menschliches Tempo verlangsamen und wir werden beginnen, Zeit zu haben um zu horchen.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass wir uns dazu keine Zeit nehmen.»

Die Vorstellung, sich Zeit zu nehmen, um zu erfahren, zu kosten, das Leben voll zu sich kommen zu lassen in uns, das war ein Kerngedanke von in Thomas Mertons Überlegungen zum Beten.

«Wenn wir das Gebet wirklich wollen, werden wir ihm Zeit geben müssen. Wir müssen auf ein menschliches Tempo verlangsamen und wir werden beginnen, Zeit zu haben um zu horchen. Sobald wir auf das horchen, was vor sich geht, werden die Dinge selbst Form annehmen. Aber dafür müssen wir Zeit auf eine neue Art erfahren.
Als ich in die Einsiedelei ging, war es für mich etwas vom Besten, achtsam für die Tageszeiten zu sein: wann die Vögel zu singen begannen, der Hirsch aus dem Morgennebel auftauchte, die Sonne aufging, währenddem im Kloster die Laudes immer zur selben Stunde stattfinden, Sommer oder Winter. Der Grund, weshalb wir uns keine Zeit nehmen, ist das Gefühl, dass wir in Bewegung bleiben müssen. Das ist eine richtige Krankheit. Heutzutage ist Zeit eine Ware und für jeden von uns eine Hypothek. Wir erfahren Zeit als eine unendliche Verpflichtung. Wir sind Pächter der Zeit. Eine Kettenreaktion bedroht uns: Überarbeitung – Überstimulation – Überkompensation – Überfrachtung.
Wir müssen uns der ganzen Vorstellung von Zeit auf eine neue Art nähern. Wir sind frei zu lieben. Und ihr müsst frei werden von allen eingebildeten Ansprüchen. Wir leben in der Fülle der Zeit. Jeder Augenblick ist Gottes eigene gute Zeit, sein Kairos. Das Ganze läuft darauf hinaus, uns im Gebet die Chance zu geben zu erkennen, dass wir haben, was wir suchen. Wir müssen ihm nicht hinterher laufen. Es ist die ganze Zeit da, und wenn wir ihm Zeit geben, wird es sich uns selbst kundtun».

Im Gegensatz zur Person, für die Zeit eine Hypothek ist, soll der Mönch «sich frei fühlen nichts zu tun, ohne sich schuldig zu fühlen». All dies erinnerte mich an Suzuki Roshi, den buddhistischen Abt von Tassajara. Er sagte, dass ein Zen-Schüler lernen muss «Zeit gewissenhaft zu verschwenden». Ich war dann nicht überrascht zu hören, wie Thomas Merton in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Zen verwies.

«Das ist es, was Zen-Leute tun. Sie geben dem viel Zeit, zu tun, was immer sie tun müssen. Das ist es, was wir lernen müssen, wenn es ums Beten geht: ihm Zeit zu geben.»

In all dem gibt es ein Bewusstsein des sich entfaltenden Geheimnisses in der Zeit, eine Ehrfurcht für allmähliches Wachstum.

«Was wirklich zählt, ist nicht, wie man aus dem Leben am meisten herausholt, sondern wie ihr euch sammelt, damit ihr euch ganz hingeben könnt.»

Wir sassen etwas später gemeinsam vor einem lodernden Feuer, als Thomas Merton nochmals das Thema des Wachsens aufnahm.

«Das Hauptthema der Zeit ist das des inneren Wachstums. Es ist ein Thema, auf das wir alle im Gebet oft zurückkommen sollten. Das ist etwas Großartiges in meinem Leben: Christus will, dass ich wachse. Bewegt dies beim Meditieren ein wenig hin und her. Statt sich zu sorgen – wohin gehe ich? Was soll ich mir vornehmen? – soll ich einfach dieses Wachsen in meinem Gebet sich entfalten lassen. Ich soll schauen, was mich davon abhält. Was ist es? Was für eine Art von Kompromissen habe ich gemacht? Ersetze ich Wachstum durch Geschäftigkeit? (Ich habe mich selbst oft gefragt, ob mir das Schreiben in die Quere kommt? Schreiben ist für mich als Tätigkeit so befriedigend, dass dies schwierig zu sagen ist.) Es ist leichter, diesen Prozess des Wachsens im Anderen zu sehen und was ihn dabei behindert. Aber wenn es uns selbst betrifft, können wir nur versuchen, ehrlich zu uns selbst zu sein.

Eines der größten Hindernisse eures Wachsens ist die Angst, euch lächerlich zu machen. Jeder echte Schritt vorwärts schliesst das Risiko des Scheiterns ein. Und die wirklich wichtigen Schritte schliessen das Risiko des vollständigen Scheiterns ein. Und doch müssen wir sie machen, vertrauend auf Christus. Wenn ich diesen Schritt mache, könnte alles, was ich bis jetzt tat, flöten gehen. In solchen Situationen brauchen wir einen Schuss buddhistischer Denkweise. Dann sehen wir: was geht flöten? Na und? (Das ist vielleicht eines der wertvollen Aspekte dieser Asienreise.) Wir müssen den Mut haben, uns lächerlich zu machen und gleichzeitig müssen wir schrecklich vorsichtig sein, keinen Narren aus uns zu machen.

Die große Versuchung ist, den Alleingang zu fürchten, ‚es’ um jeden Preis zu wollen. Aber jeder von uns muss in der Lage sein, diesen Alleingang irgendwie zu machen. Ihr wollt euch nicht von der Gemeinschaft distanzieren, aber ihr müsst dann und wann diesen Alleingang machen. Wenn die Gemeinschaft aus einer kleinen Gruppe von Menschen besteht, die immer versuchen einander zu unterstützen und keiner kommt je aus diesem kleinen Block heraus, geschieht nichts und jedes Wachstum erstickt. Das ist vermutlich eine von den größten Gefahren, denen wir in Zukunft gegenüberstehen, denn wir werden immer mehr zu dieser Art von Gesellschaft. Wir brauchen jene, die den Mut haben, das Gegenteil von allen anderen zu tun. Wenn ihr diesen Mut habt, werdet ihr Veränderung bewirken. Natürlich wird man sagen ‚dieser Kerl ist verrückt’, aber ihr müsst es tun.

Wir sind zu sehr von der öffentlichen Meinung beherrscht. Wir fragen uns immer, was wird jemand anderes darüber denken? Da gibt es eine ganze‚ kontemplative Mystik’, eine Norm, welche andere Menschen für euch aufgestellt haben. Sie nennen euch einen ‚Kontemplativen’ oder ein ‚Eremiten’ und dann verlangen sie, dass ihr das Bild bestätigt, welches sie von euch haben. Aber die wahre kontemplative Norm ist – keine Norm zu haben, nur man selbst zu sein. Das ist es, was Gott von uns verlangt, sich selbst zu sein. Wenn wir bereit sind zu sagen ‚ich ziehe mein eigenes Ding durch, es spielt keine Rolle, was für eine Presse ich bekomme’, wenn ihr bereit seid, ihr selbst zu sein, dann werdet ihr nie zur Mystik von jemand anderem passen.»

Er selbst tat es sicher nicht. Als ich ihn zum ersten Mal in der Abtei von Gethsemani sah, trug er seinen Overall und ich dachte, er wäre der Milchmann. Er passte auch nicht zu meiner Mystik. Zwei andere Gesichter kamen mir in den Sinn, wann immer ich seine Gesichtszüge anschaute: Dorothy Day und Pablo Picasso. Wenn es in der Kapelle dunkel wurde und er sich hinunterbeugte, um die Beichte zu hören, war mehr von Dorothy Day da. Wenn er Gedichte vorlas (seine eigenen ungern, die seiner Freunde mit Genuss), war mehr von Picasso da. Immer wieder war ich aufs Neue erstaunt, ihn so völlig ungeniert und gleichzeitig so vollkommen diszipliniert zu finden.
Die falsche Art von Selbstverwirklichung sah er als eine der großen Versuchungen von heute an.

«Die falsche Vorstellung von der persönlichen Verwirklichung wird durch die Kommerzialisierung gefördert. Man versucht uns Sachen zu verkaufen, die keiner von uns bei vollem Verstand kaufen würde; also sorgen sie für einen falschen Verstand. Da gibt es eine Art Selbstverwirklichung, die nichts anderes verwirklicht als euer illusorisches Selbst. Was wirklich zählt, ist nicht wie man am meisten aus dem Leben herausholt, sondern wie ihr euch sammelt, damit ihr euch ganz hingeben könnt.»
Selbstannahme, nüchtern und realistisch, war grundlegend aus der Sicht von Thomas Merton.

«Die Wüste wird zum Paradies, wenn sie als Wüste akzeptiert wird. Wenn wir versuchen ihr zu entkommen, kann die Wüste nie etwas anderes sein als die Wüste. Aber wenn wir sie einmal in Vereinigung mit dem Leiden Christi voll akzeptiert haben, wird sie zum Paradies.»

Das ist ein großartiger theologischer Standpunkt: jeder Versuch, das kontemplative Leben zu erneuern, wird dieses Element der Opferbereitschaft einschließen müssen, der kompromisslosen Opferbereitschaft. Es gibt keinen Weg darum herum, wenn wir eine wirksame Erneuerung wollen.»

«Lasst das Gebet in euch beten, ob ihr es wisst oder nicht. Das heißt ein tiefes bewusstsein unserer wahren inneren Identität.»

Es ist alles eine Frage der Institutionen, deren Identität überdenkt werden sollte, so, dass alles auf die Menschen ausgerichtet ist. Die Institution muss der Entwicklung der einzelnen Person dienen. Und wenn ihr einmal voll entwickelte Leute habt, können sie alles tun. Was zählt, sind Leute und ihre Berufungen, nicht Strukturen und Begriffe. Lasst uns Raum schaffen für Eigenheiten. Die Gefahr ist, dass die Institution zum Selbstzweck wird. Was wir brauchen, sind auf Menschen zentrierte Gemeinschaften, nicht auf Institutionen zentrierte. Das ist die Richtung, in der Erneuerung sich bewegen muss.
Vielleicht sind neue Strukturen nicht einmal so wichtig. Vielleicht wisst ihr bereits, was ihr wollt. Ich glaube, was wir tun wollen, ist zu beten. In der Tat, warum ist irgendeiner von uns religiös geworden, wenn nicht um beten zu wollen? Was wollen wir, wenn nicht beten? Okay, jetzt betet. Das ist die ganze Lehre des Gebets in der Regel des hl. Benedikt. Es gipfelt alles in einem Satz: ‚Wenn einer beten will, lasst ihn gehen und beten.’ Das ist alles, was der hl. Benedikt zu diesem Thema nötig findet zu sagen. Er sagt nicht ‚lasst uns gehen und mit einer kleinen Einführung zum Beten beginnen, etc. etc.’ Wenn ihr beten wollt, betet.

Sind nun alle Schranken weggenommen, die Hindernisse verschwunden und wir stehen vor der Gelegenheit zu tun, was immer wir wollen, sehen wir das eigentliche Problem: es ist in uns selbst. Was ist falsch mit uns? Was hält uns davon ab, ein Leben des Gebets zu leben? Vielleicht wollen wir gar nicht wirklich beten. Dem müssen wir dann ins Auge sehen. Vorher hielten wir es für selbstverständlich, dass wir uns vollkommen diesem Wunsch nach Gebet hingeben wollten. Etwas hielt uns davon ab. Was uns davon abhielt, war die Struktur. Nun finden wir eben, dass Struktur vielleicht hilft. Wenn etwas von den alten Strukturen hilft, behält es. Wir sollten nicht diese Manie haben, Strukturen wegzuwerfen, nur weil es Strukturen sind. Was wir tun müssen, ist zu entdecken, was für uns dienlich ist. Dann können wir Strukturen verwerfen, die nicht helfen und Strukturen behalten, die helfen. Und wenn es sich zeigt, dass irgendetwas Mittelalterliches hilft, behalt es. Es spielt keine Rolle, ob es mittelalterlich ist oder nicht. Was zählt ist, dass es euch hilft, ihr selbst zu werden, dass es euch hilft, ein Leben des Betens zu leben.

Beten ist riskant. Die Gefahr besteht, dass unsere eigenen Gebete zwischen Gott und uns geraten. Das Großartige am Gebet ist, nicht zu beten, sondern direkt zu Gott zu gelangen. Wenn das Aufsagen eurer Gebete ein Hindernis zum Beten ist, lasst es weg. Der beste Weg zu beten ist: damit aufzuhören. Lasst das Gebet in euch beten, ob es euch bewusst ist oder nicht. Das heißt, ein tiefes Bewusstsein unserer wahren inneren Identität zu haben. Das beinhaltet ein Leben des Glaubens, aber ebenso des Zweifels. Es gibt keinen Glauben ohne Zweifel. Hört auf, den Zweifel zu unterdrücken. Zweifel und Glaube sind zwei Seiten desselben. Glaube wächst aus Zweifel, aus echtem Zweifel. Wir beten nicht richtig, wenn wir dem Zweifel ausweichen. Und wir weichen ihm durch Regelhaftigkeit und Aktivismus aus. Durch diese zwei Wege schaffen wir eine falsche Identität, und dies sind auch die zwei Arten, mit denen wir die Selbst-Aufrechterhaltung unserer Institutionen rechtfertigen.

Aber der wichtige Punkt ist, dass wir uns nicht rechtfertigen müssen. Durch die Gnade sind wir nicht mehr unter dem Gericht. Ich muss an beides denken: dass ich nicht verurteilt bin, aber einer Verurteilung wert. Wie kann ich die Botschaft der christlichen Erneuerung in diesen letzten Tagen leben? Ich bin nicht gerufen, Verdienste zu sammeln, aber um überall auf der Welt die Schulden der Menschen wegzunehmen. (Dies ist kein Privileg der Priesterkaste.) Wir brauchen eine Theologie der Befreiung statt einen offiziellen Sündenapparat. Ich gehöre ganz Christus. Da gibt es kein Selbst zu rechtfertigen.»

Es gab so viele Kontaktpunkte zum Zen Buddhismus, dass ich ihn einfach fragen musste, ob er auch zu diesen Einsichten gekommen wäre, wenn er Zen nie begegnet wäre.

«Ich bin nicht sicher», antwortete er nachdenklich «aber ich denke nicht. Ich sehe keinen Gegensatz zwischen Buddhismus und Christentum. Die Zukunft des Zen ist im Westen. Ich habe die Absicht, Buddhist zu werden so gut ich kann.»

Dennoch, der christliche Glaube von Thomas Merton war nicht bis zu dem Punkt verwässert, wo er mit fast allem austauschbar würde. Er war pulsierend mit Leben. Das zeigte sich am klarsten in kleinen persönlichen Bemerkungen wie zum Beispiel, was er zu einem so traditionellen Thema wie dem Fürbittegebet sagte:

«Es ist mir einfach ein Bedürfnis, meine Liebe auszudrücken, indem ich für meine Freunde bete. Es ist, wie wenn ich sie umarme. Wenn ihr jemanden liebt, ist es Gottes Liebe, die verwirklicht wird. Die ein- und dieselbe Liebe erreicht euren Freund durch euch, und euch durch euren Freund.»

«Aber ist da in all dem nicht immer noch ein indirekter Dualismus?» fragte ich. Seine Antwort war:

«Eigentlich nein und doch ja. Ihr müsst euren Willen und Gottes Willen lange Zeit dualistisch betrachten. Ihr müsst Dualität lange Zeit erfahren, bis ihr seht, dass es sie nicht gibt. In dieser Hinsicht bin ich ein Hindu. Ramakrishna hat die Lösung. Betrachtet dualistisches Gebet nicht auf einer niedrigeren Stufe. Das Niedrigere ist höher. Es gibt keine Stufen. Jeden Augenblick könnt ihr zur zugrunde liegenden Einheit durchbrechen: Gottes Geschenk in Christus. Am Ende: Lobpreis lobpreist. Dankbarkeit dankt. Jesus betet. Bereitschaft ist alles.» Er war bereit, nach Bangkok zu gehen.



Quelle: Gratefulness ©David Steindl-Rast
Bevor Thomas Merton nach Asien ging - und kurz vor seinem Tod am 10. Dezember 1968 in Bangkok - fand diese Zusammenkunft mit ihm im Kloster «Our Lady of the Redwoods» in Whitethorn, Kalifornien statt. Hier entstanden auch diese Notizen von Bruder David, welche 1969 in Monastic Studies (Mount Saviour Monastery, Pine City) erschienen.
(Übersetzung aus dem Amerikanischen Englisch  von Eve Landis)
Dieser Text findet sich auch im Buch Kontemplativ leben (2014) unter dem Titel: Gedanken über das Gebet

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