Br. David Steindl-Rast OSB

alles in uns schweige titelCopyright © - pixabay

Unser Alltag ist vom Lärm beherrscht. Und doch können wir ihn mitten in der Geschäftigkeit zu einem Ort des Schweigens und der inneren Ruhe machen.

Je mehr der nervenzerrüttende Lärm unserer Städte in unseren Ohren gellt, umso mehr spüren wir die Lebensnotwendigkeit der Stille. Früher oder später dämmert uns, dass es nicht nur äußere, sondern vor allem innere Stille ist, nach der wir uns sehnen. Mönche des Ostens wie des Westens haben sich seit Jahrhunderten als Gärtner der Stille bewährt - haben ihren Alltag zu einem Garten der Stille gemacht und uns in ihren Schriften beides hinterlassen: Früchte der Stille und Anleitungen zum Stillwerden.

Während die Zahl der Mönche in vielen Klöstern heute abnimmt, nimmt die Zahl der Menschen, die ihr Innenleben vom mönchischen Geist befruchten lassen, beständig zu. Gottsuche ist die treibende Kraft im Menschenherzen - nicht weniger bei denen, die das Wort «Gott» vermeiden. Und wer in sich die göttliche Lebensmitte aufspürt, findet Stillung. Gerhard Teerstegen, ein Dichter, der inmitten des weltlichen Alltags mönchische Stille verwirklichte, fasste das Herzensanliegen aller, die sich gleich ihm darum bemühen, in eine einzige Zeile zusammen: «Gott ist in der Mitte! Alles in uns schweige».

Auch jedem guten Gedicht merkt man es an, dass es aus der Stille stammt und in die Stille zurückführen will. Wenn auch die deutsche Dichtung eindeutig Dichtung des Wortes ist, so hat sie doch Höhepunkte gerade dort erreicht, wo Worte noch zart vom Unsagbaren ausgehen und wo dann nur noch Stille übrig bleibt. So, wenn Eichendorff singt:

«Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.»

Leben aus der Stille ist nichts anderes als dankbares Leben. Wir können «mitten in der Welt» all das, was wir tun, bestimmen lassen von jener Stille, die in der monastischen Tradition zu Hause ist. Dafür bedarf es nicht einmal der äußeren Stille, obwohl diese eine große Hilfe sein kann. Wir müssen nur dankbar leben lernen.



Quelle:  Achtsamkeit des Herzens (2013), erschienen in Natur & Heilen 11/2013, Seite 10-11

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