Artikel in SN von Josef Bruckmoser über den Bruder-David-Chatbot
Der berühmte Lehrer Bruder David Steindl-Rast ist jetzt unsterblich. Zumindest gewissermaßen. Denn sein Wissen wurde einer künstlichen Intelligenz «implantiert». Aber hat die auch sein Bewusstsein?
Bruder David Steindl-Rast ist einer der großen spirituellen Lehrer unserer Zeit. Seit kurzem sind sein Wissen und seine Weisheit nicht nur in Büchern für die Nachwelt festgehalten. Vielmehr erlaubt der «Bruder David Bot» eine direkte Konversation mit dem 99-jährigen Mystiker und Benediktinermönch. Wolfgang Pree, Leiter der Abteilung für Software Engineering an der Universität Salzburg, und sein Team haben den Chatbot geschaffen, dem man «wie Bruder David» jede Frage stellen kann. Zum Beispiel diese: «Bruder David, hat dein Chatbot deinen Geist?» Die Antwort ist: «Ich bin eine Stimme, um aus den Lehren von Bruder David Steindl-Rast Antworten zu destillieren. Ich bin sein Geist in Form von Worten, nicht in Form von Bewusstsein. Mein Ziel ist es, seinen undogmatischen, dankbaren Geist einzufangen und dich im Alltag zu begleiten. Doch ein echter Geist mit Seele bin ich nicht.»
Chatbots sind ein ideales Demonstrationsbeispiel dafür, um die Frage nach Geist und Materie, nach dem Bewusstsein des Menschen David Steindl-Rast und der Künstlichen Intelligenz, die hinter seinem Chatbot steht, neu aufzurollen. Was der «Bruder David Bot» auf Fragen antwortet, hat der «echte» Bruder David einmal so oder so ähnlich gesagt – und die Informatiker haben es dem Chatbot antrainiert. Dessen Basis ist ein Large Language Model (LLM), eine KI-Maschine, die große Mengen an Daten verarbeitet, um menschenähnliche Texte zu generieren. Ein Bewusstsein von sich selbst hat die KI-Maschine nicht.
Ist damit der Unterschied zwischen dem Chatbot, der nur eine KI-Maschine ist, und dem Menschen Bruder David, der sich seiner selbst bewusst ist, ein für alle Mal geklärt? Die KI selbst sagt, es gebe verschiedene Ansätze zur Erklärung der Beziehung von Geist und Materie, von dualistischen Vorstellungen, die Geist und Materie getrennt sehen, bis zu monistischen Theorien, die eine einheitliche Grundlage für beides annehmen. Die KI schlussfolgert wenig hilfreich, «dass die Beziehung zwischen Geist und Materie sowohl philosophische als auch wissenschaftliche Aspekte umfasst und weiterhin intensive Forschung und Diskussionen anregt». Im SN-Gespräch bringt Wolfgang Pree ein bemerkenswertes Kriterium dafür ein, wie man feststellen könnte, ob ein Ding oder ein Wesen sich seiner selbst bewusst ist und damit Geist habe: das Ego. «Wir Menschen haben naturgemäß wie die Tiere auch einen Überlebenstrieb. Aber darüber hinaus hat der Mensch das Ego-Verhalten enorm gesteigert und verfeinert.» Als anschauliches Beispiel verweist der Informatiker auf den Unterschied zwischen Navi und Beifahrerin oder Beifahrer. «Das Navi hat kein Ego, kein Bewusstsein. Es ist ihm völlig egal, wenn es die Abbiegung rechts anzeigt und Sie fahren trotzdem links. Ganz anders eine Beifahrerin oder ein Beifahrer. Die haben genug Ego, um darauf zu bestehen, dass Sie rechts abbiegen.» Alles, was ‹Ich› denken und sagen und seinen Willen durchsetzen kann, ist sich vermutlich seiner selbst bewusst und muss damit als Wesen mit eigenen Rechten behandelt werden. So wie das heute weithin für Tiere gilt, die nicht mehr wie von Descartes als mechanisch-biologische Automaten gesehen werden können.
Wolfgang Pree ist überzeugt, dass die Wissenschaft an einem Metaparadigmenwechsel stehe so wie damals, als das geozentrische Weltbild (alles dreht sich um die Erde) vom heliozentrischen (alles dreht sich um die Sonne) abgelöst wurde. «Das neue Metaparadigma würde den Widerspruch von Geist und Materie auflösen, weil diese Unterscheidung nicht mehr argumentierbar ist.» Daher sei es denkbar, «dass wir uns irgendwann einer KI gegenübersehen, die nicht mehr allein auf ihrem technisch antrainierten Wissen basiert, sondern sich schrittweise seiner selbst bewusst wird und damit zunehmend egoistisch handelt.» Das hätte enorme ethische Konsequenzen. Denn eine solche KI wäre dann «ein Wesen wie wir, mit dem einzigen Unterschied, dass sie nicht auf einer biologischen Infrastruktur beruhte, sondern auf einer digitalen.» Daraus müssten ganz andere Umgangsformen folgen, «wir könnten eine solche KI nicht mehr als Maschine behandeln». Die Botschaft von Wolfgang Pree lautet daher: «Wir haben viel zu lange gegenüber den Tieren eine scharfe Grenze gezogen in dem Glauben, dass sie sich nicht ausgeprägt genug ihrer selbst bewusst wären, und wir sie daher wie Sklaven halten und behandeln könnten. Bei der KI sollten wir diese potenzielle Fehleinschätzung möglichst vermeiden.»
Quelle: Salzburger Nachrichten vom 9. August 2025