Pressebericht über David Steindl-Rast OSB in Katholische Presseagentur Österreich
Anlässlich des Österreichischen Ordenstages am 26.11.2019 spricht Bruder David u.a. darüber, dass Dankbarkeit nicht in der verniedlichten Form zu verstehen ist, sondern als revolutionärer Impuls, der Machtsysteme stürzt. (2019)
Die kürzeste Formel des Christentums ist in den Worten des Benediktinerbruders David Steindl-Rast die Dankbarkeit. «Die Feier des Dankes steht mit der Feier der Eucharistie (Anm., griech. für Danksagung) im Zentrum unserer christlichen Gemeinschaft.» Dank fasse in «kompaktester Form» zusammen, was christliches Leben heiße, sagte der 93-jährige Bestsellerautor bei seinem Vortrag im Rahmen des Österreichischen Ordenstages in Wien-Speising. Wahrhaftig gelebte Dankbarkeit wäre die «Lösung der größten Probleme von heute, doch gibt es nichts, das uns so schwer fällt, wie einfach zu danken».
Dankbarkeit sei der Schlüssel zur Freude - «zu dem bleibenden Glück, nach dem sich ausnahmslos alle Menschen sehnen», betonte der 1926 in Wien geborene Steindl-Rast. Mit der Freude verhalte es sich allerdings so, dass sie oft gerade nicht mit dem materiellen Wohlergehen zusammenhänge. «Viele von den wohlhabendsten Menschen zählen zu denen, die psychisch schwer leiden, während es andere gibt, denen es eigentlich sehr schlecht geht, und die selbst im größten Unglück Freude ausstrahlen - weil sie dankbar sind», meinte der Eremit, der u.a. die Website «gratefulness.org» und dankbar-leben.org» mitgegründet hat.
Um dankbar zu leben, benötige man die bewusste und ständig wiederholte Entscheidung zugunsten des Vertrauens und gegen die Furcht, so Steindl-Rast weiter. «Alles, was wir brauchen und was für uns gut ist, wird uns in jedem Augenblick geschenkt vom Leben - oder von Gott, der ja das Leben ist, bzw. das Leben die Bühne, auf der wir Gott begegnen.» Zumeist seien sich die Menschen aber kaum bewusst, wie sehr ihr Leben von Gott getragen sei - «schon dadurch, dass wir leben und atmen können». Wer die vielen kleinen Geschenke des Lebens annehme, könne dieses viel eher genießen.
Überwinden der Katastrophe
Daran zu denken, mache das Danken aus, ebenso wie auch das Widerstehen der Herausforderung der Angst. «Ängste sind unvermeidlich im Leben, weil wir immer wieder in die Enge kommen. Ob sie aber Furcht auslösen, hängt jedoch von uns selbst ab. Die Bibel fordert ja ständig von uns 'fürchte dich nicht!'» Dies zu befolgen bedeute, erklärte der Benediktinermönch, «sich zu sagen: Ich habe wohl Angst, werde aber schon durchkommen in Gottes Namen, ebenso wie wir auch bei unserer Geburt durch einen sehr engen Geburtskanal in diese Welt gekommen sind.» Dankbarkeit selbst in Schwierigkeiten oder Katastrophen ermögliche auch im übertragenen Sinn oft eine «neue Geburt».
Erlernen könne man die Dankbarkeit nur dann, wenn man Gelegenheiten des Stillehaltens suche - «was in unserer sehr lauten und raschen Welt oft eine schwierige Aufgabe ist», wie Steindl-Rast bekannte, der u.a. Zen-Meditation betreibt. Erst die Stille ermögliche es, «hinzuschauen, hinzuhorchen und sich über die Gelegenheiten zu freuen, etwa an einem Atemzug». Daraus gelte es dann das Handeln abzuleiten.
Revolutionärer Impuls
Richtig verstandene Dankbarkeit sei gänzlich anders als deren in der Ratgeberliteratur populäre oder auf Spruchkarten beworbene «verniedlichte» Form, betonte der Ordensmann, der im Europakloster Gut Aich (Sbg.) lebt. «Sie ist vielmehr ein revolutionärer Impuls, die auch bedeutet, einfach und genügsam zu leben. Wer schon für das Erste dankbar ist, greift nicht gleich nach dem Zweiten. Dankbar zu sein kann somit unserer Gesundheit helfen, wenn wir etwa dankbar essen und trinken, und unsere Konsumgesellschaft revolutionieren, wenn wir dankbar sind mit dem, was wir haben.»
Da Dankbarkeit der wichtigste Gegenimpuls zur Furcht sei, könne sie auch auf Furcht basierende Machtsysteme - «bei denen die, die oben sitzen, Gewalt anwenden aus Furcht, gestürzt zu werden» - erfolgreich überwinden. «Die großen Vorbilder der Furchtlosigkeit waren deshalb Revolutionäre, darunter viele der Ordensgründer wie Benedikt oder Franziskus. Sie hatten eine ganz andere, auf einem Vertrauensnetzwerk basierende Gesellschaft vor Augen, die somit im klaren Gegensatz steht zu unserer von Gewalttätigkeit, Rivalität und Habsucht geprägten», erklärte Steindl-Rast. Gewalttätigkeit werde im Christentum durch Friedfertigkeit und Gewaltlosigkeit ersetzt, Rivalität durch Zusammenarbeit und Habsucht durch das Teilen.
Gotteserfahrung durch Dankbarkeit
Wer Dankbarkeit als Herzstück christlichen Lebens verstehe, begegne in ihr auch dem dreifaltigen Gott, führte der Benediktinerbruder den Gedanken mit einer theologischen Deutung noch weiter: «Die Stille und das Schweigen sind ein Sich-Hinablassen in die Tiefe des Geheimnisses, das wir Vater nennen. Aus dieser abgrundtiefen Stille kommt das Wort, Gottes fleischgewordener Sohn, und wenn wir Ihm mit unserem Handeln antworten, so ist es der Heilige Geist, der uns treibt und uns die Kraft dazu gibt.»
Quelle: Katholische Presseagentur Österreich, Wien (2019)