+Liebe Freunde,

weihnacht 2005Schnee fällt draußen, Kerzen brennen hier drinnen, und Freunde senden einander wieder liebe Grüße. Aber kann man heuer jemandem, der weiß was in der Welt vorgeht, “fröhliche” Weihnachten wünschen? Fröhlich ist diese Zeit sicher nicht für die Opfer von Erdbeben, Überschwemmungen, Hunger und Krieg. Und hungern nicht selbst wir Wohlgenährten nach Frieden? Müssen nicht auch wir zuschauen, wie Grundlegendes, das wir für unerschütterlich hielten, erbebt und weggeschwemmt wird? “Wenn die Grundfesten fallen, was kann ein guter Mensch dann tun?” So frug schon der Psalmist, und wir stehen heute vor derselben Frage. Was noch an Weltordnung übrig blieb, schwankt wie das Obergeschoss eines zerbombten Hauses über zerstörten Grundfesten.

Da finde ich Trost bei meinen Pflanzen am Fensterbrett – beim Weihnachtskaktus, der rot blüht, bei den unzähligen Blütensternchen der Jadepflanze, aber besonders bei den zartgrünen jungen Keimlingen. Wie ungeschützt die sind, wie verwundbar, und doch, wie unbeirrbar zielsicher ihre Lebenskraft sich entfaltet. Ihre Grundfesten können nicht fallen, weil sie keine haben und keine brauchen. Wie erstaunlich: Leben entfaltet sich ohne alle Grundfesten – auch in uns.

Unser Atem fließt einfach. Wir können gar nicht willkürlich aufhören zu atmen. Das Leben atmet in uns. Wir sind dieser Lebensstrom, der uns mit allem vereint. Nur unser Denken sondert uns ab, nimmt Unterscheidungen zu ernst. Wir bauen Gedankengebäude, von denen wir uns selber nicht mehr unterscheiden können und verteidigen sie gegen andere. Vielleicht ist es notwendig, dass die Grundfesten, die uns trennen, fallen, damit wir zurückfinden zum fließenden Leben, das uns verbindet.

Darum wünsche ich Euch heuer zu Weihnachten ein paar Minuten stillen Atemholens. In solchen Augenblicken können wir in unserem Innersten den Atem des Weltalls fühlen; und der ist weit schöpferischer als all unser Denken. “In ihm leben wir und bewegen wir uns und sind wir.” Wenn wir aus dieser Wirklichkeit leben, dann ist das Denken uns nicht mehr Fessel, sondern Werkzeug, das wir gebrauchen können um Leid zu lindern. Erst dann kann wahrer Friede durch uns fließen und die Welt heilen. Dass dies für uns alle Wirklichkeit werden möge, das ist mein innigster Weihnachtswunsch.

Euer Bruder David

 

logo bibliothek

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.