Interview mit David Steindl-Rast OSB von Dr. Heinz Niederleitner
Mit Innehalten, Innewerden und Handeln läßt sich laut Bruder David Steindl-Rast Spiritualität – Lebendigkeit – üben. Aber, so fragen wir, heißt das nicht auch, dass ich mir mein Leben nicht aus der Hand nehmen lassen darf?
Zum Innehalten gehört, dass ich mich nicht treiben lasse, sondern mich dem Leben stelle. Das Getrieben-Sein kann von einer Rastlosigkeit herrühren oder auch davon, dass mir jemand oder die Umstände das Leben aus der Hand nehmen. Es kommt aber nicht darauf an, wer es uns aus der Hand nehmen will, sondern darauf, dass ich das nicht zulasse.
Glaube Hinter dem Dreischritt Innehalten – Innewerden – Handeln, der uns dazu führt, in jedem Augenblick des Lebens eine Gelegenheit zu sehen, steht als Grundhaltung das Lebensvertrauen. In der religiösen Sprache nennen wir dieses Vertrauen Glauben. Der Glaube besteht ja nicht darin, Glaubenssätze für wahr zu halten. Der Glaube, um den es im christlichen Leben – ja im Leben überhaupt – geht, ist das Vertrauen auf Gott, auf das Leben. Das ist dasselbe. Denn wie der heilige Paulus sagt: «In Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir.» (Apostelgeschichte 17,28) Wo erfährt das jeder Mensch? Im Leben! Was wir «Leben» nennen, aber nicht definieren können, das ist unsere Gottesbegegnung – Augenblick für Augenblick.
Furcht Das Gegenteil von Lebensvertrauen ist Furcht. Sie unterscheidet sich von der Angst, die zum Leben gehört. In der Angst fühlt man sich eingeengt und bedrängt, aber das Lebensvertrauen sagt: Da wird es jetzt zwar sehr schwierig, da treibt uns etwas in die Enge und macht uns Angst, aber es gibt einen Weg hindurch. Die Furcht hingegen sträubt sich gegen das Beängstigende und so bleiben wir in der Enge stecken. Im Rückblick auf unser Leben erkennen wir, dass oft die schwierigsten Situationen letztlich Neugeburten waren.
Mitgestalten Das Lebensvertrauen hat auch andere Aspekte: Wir kennen diese sonderbare Einstellung, in die wir alle immer wieder hineinrutschen: Das Leben bietet uns etwas an und wir glauben, es besser zu wissen und wollen etwas anderes. Natürlich sollen wir unsere eigenen Ideen und schöpferische Vorstellung haben – für ein Mitgestalten mit dem Leben. Das setzt voraus, dass wir die Gelegenheiten unseres Lebens zielstrebig nutzen, statt sie zu übersehen, oder außer Acht zu lassen.
Träume Wenn sich unser Denken nur um unsere eigenen Ideen dreht, dann sind wir im Leben nicht nur Schlafwandler, sondern auch Träumer – und zwar in einem schlechten Sinn. Im positiven Sinn einen Traum zu haben, ist etwas sehr Gutes. Aber das ist ein Traum, der in Zusammenarbeit mit dem Leben verwirklicht wird. Das Leben wirkt ja auch in mir und gibt mir die richtigen Träume, meine Talente und Hoffnungen.
Aber unsere Träume und das Leben müssen durch den Dreischritt von Innehalten, Innewerden und Handeln von Augenblick zu Augenblick aufeinander abgestimmt werden: Welche Gelegenheit gibt mir jetzt das Leben, um meinen großen Traum zu verwirklichen und in dieser Richtung wieder einen kleinen Schritt zu machen?
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Kooperation-Kirchenzeitunge:
KirchenZeitung im Netz Nr. 34, Vorarlberger Kirchenblatt, martinus Kirchenzeitung, TIROLER sonntag (2017)