Interview mit Pater Johannes Pausch und Br. David Steindl-Rast OSB von Josef Ertl

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Wir hauen das Essen rein und schmecken es gar nicht mehr: Johannes Pausch.

KURIER: Die Sonne scheint, die Natur blüht und gedeiht und die Menschen sollen sich in der Fastenzeit kasteien.

Johannes Pausch: Wir kasteien uns nicht. Nur wenn man eine Abmagerungs- oder Schönheitskur machen will, dann muss man sich kasteien.
David Steindl-Rast: Unserer Meinung nach ist Fasten Ausdruck der Freude, der Vorfreude auf Ostern. Es ist verbunden mit dem Gebet, mit dem Aufheben des Herzens zu Gott. Fasten ist immer das, was uns die guten Werke kosten. Das mehr oder weniger Essen beim Fasten ist gar nicht so wichtig.
Pausch: Ein gutes Werk selbst ist schon das Fasten.
Steindl-Rast: Fasten ist, was der Liebesdienst kostet.

KURIER: Ein Beispiel?

Steindl-Rast: Früher aufstehen, um einen Kranken besuchen zu können.
Pausch: Etwas tun, was ich früher vernachlässigt habe. Die Frau, die Kinder. Zeit nehmen, achtsam werden.
Steindl-Rast: Wenn ich mit Unternehmern spreche, taucht immer wieder die Frage der Familie auf. Sie kommt zu kurz. Da würde fasten weniger arbeiten bedeuten, vielleicht sogar einen Verlust dafür in Kauf zu nehmen, um für die Familie da zu sein.
Pausch: Gleichzeitig ist es auch ein Liebesdienst, wenn ich mir selber Gutes tue. Wenn ich weniger grantig, weniger abgespannt, weniger hektisch bin, dann ist das für meine Umgebung eine ungeheure Erleichterung.
Steindl-Rast: Das Gegenteil wäre, wenn sich jemand Kasteiungen auferlegt und deshalb nur grantig ist.
Pausch: Da gibt es das Beispiel von dem Mönch, der abends gerne eine Zigarre geraucht hat. Er hat dem Abt gesagt, er raucht als Fastenopfer keine Zigarre mehr. Worauf der gemeint hat, tun Sie das sich und Ihren Schülern nicht an.
Steindl-Rast: Es ist das Ausbessern von dem, wo wir zu anderen Zeiten nachlässig sind. Viele von uns haben schlechte Essensgewohnheiten.
Pausch: Man soll wieder mehr das Kauen lernen. Kauen ist das halbe Leben. Das ist nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern auch ein seelischer. Wir fressen zu viel in uns hinein, um gute und schlechte Gefühle damit zuzudecken. Um dann die Last in Form von Kilos mit uns herumzuschleppen. Es ist wichtig, das Essen bewusster zu gestalten. Für viele ist es ein größeres Fastenopfer, sehr bewusst und langsam zu essen als überhaupt nichts zu essen.
Steindl-Rast: Beim Fasten im Sinn von etwas weniger Essen wäre es eine gute Regel, dass man etwa genauso lang oder länger zum Essen braucht als normal. Dass man langsamer und bedächtiger isst. Der Grund, warum wir uns beim Essen weniger freuen ist, dass wir uns gar nicht Zeit lassen beim Essen. Es muss alles schnell gehen.
Pausch: Wir hauen das Essen rein und schmecken und riechen es gar nicht mehr.
Steindl-Rast: Manche, die über Fast Food lachen, essen richtig gutes Essen, aber sie essen es schnell hinunter. Das ist noch ärger als Fast Food langsamer zu essen.

KURIER: Was ist das Ziel des Fastens?

Pausch: Das Ziel ist ein gutes Leben und Freude und Sehnsucht zu finden.
Steindl-Rast: Und alles loszulassen, was uns beschwert. Der Satz, ich beschwere mich über jemanden anderen, sagt ganz klar, dass man sich selbst belastet, wenn man sich beschwert.
Pausch: Manche sagen, ich beschwere mich ja nicht, aber dann nörgeln sie immer an jemandem anderen herum. Diese Haltungen machen den Leib kaputt, die Seele kaputt, die Beziehungen kaputt, sie töten die Freude von Anfang an.
Steindl-Rast: Wir sollen Fasten von dem, was uns beschwert und keine wirkliche Nahrung gibt. Vieles im Fernsehen oder Radio nährt weder den Geist noch die Seele. Viele Leute schauen sich Dinge an, die ihnen Sorgen und Angst machen. Von dem zu fasten, ist heutzutage wichtiger, als vom Essen zu fasten.

KURIER: Ihr Ordensgründer, der heilige Benedikt, empfiehlt den Mönchen, in der Fastenzeit ein Buch zu lesen.

Pausch: Es ist eine Freude, ein Buch vom Anfang bis zum Ende gelesen zu haben. In der Zeit Benedikts (480–547 n. Chr.) waren Bücher eine große Seltenheit. Er sagt zu den Möchen, ihr müsst in der Fastenzeit etwas lernen. Im Lesen etwas Lernen ist etwas Entscheidendes für unsere Weiterentwicklung. Im Fasten öffnen wir uns damit für etwas Neues. Es ist vor allem ein Akt der Demut.
Steindl-Rast: Und es ist ein Akt der Disziplin. Eine unserer Schwierigkeiten ist unsere Zerstreutheit. Wenn man sich vornimmt, ein Buch vom Anfang bis zum Ende in den 40 Tagen der Fastenzeit zu lesen, auferlegt man sich eine gewisse Disziplin. Man erweist auch dem Autor seine Ehrfurcht. Es ist auch gut, gemeinsam zu lesen.

KURIER: Wann sollte man fasten?

Pausch: Der heilige Benedikt sagt, man sollte immer fasten. Immer heißt, mit der Haltung zu leben, die das Fasten bedeutet.
Steindl-Rast: Aber er sagt das deshalb, weil das die meisten nicht durchhalten können. So machen wir es wenigstens 40 Tage. Diese 40 Tage bedeuten Wanderung, Änderung und Umdenken.
Pausch: Das ist ja heute gefordert. In allen Unternehmen spricht man von «Change». Das ist eine Wandlung. Umdenken, Neuwerden, sich verändern.
Steindl-Rast: Man soll immer dann fasten, wenn es um Änderung und Wandel im Leben geht.
Pausch: Früher hat man vor den großen Feiertagen den Fasttag gehabt. Damit man sich richtig auf das Fest einstellen kann.

KURIER: Heißt Fasten, sich auf bestimmte Dinge zu konzentrieren?

Pausch: Ich würde eher sagen leer werden.
Steindl-Rast: Leer werden kommt zuerst, dann wird man empfänglich.

KURIER: Wie wird man leer?

Pausch: Indem ich weniger esse, weniger Fernsehen schaue, weniger im Internet surfe oder mich im Alltag weniger ärgere.

KURIER: Wie sollte man fasten?

Steindl-Rast: Freudig, Wenn man es nicht freudig tut, sollte man es lassen.
Pausch: Jesus sagt, macht es nicht wie die Heuchler, die ein finsteres Gesicht machen. Er sagt, bereitet euch auf einen Festtag vor. Das ist die Grundhaltung. Das fällt einem nicht leicht, wenn man mitten in einem Änderungsprozess steckt. Wenn man sich nicht herausgefordert fühlt, ist die Situation, in die ich hineingehe, auch nichts wert. Es kostet mich nichts.
Steindl-Rast: Dann kommt die Konzentration herein. Man sollte dankbar fasten. Um dankbar zu sein, brauchen wir heute eine Einengung auf weniger. Wir haben so viel, dass wir gar nicht nachkommen mit der Dankbarkeit. Wenn man sich auf etwas weniger konzentriert, bemerkt man erst, was das für ein Geschenk ist. Man könnte auch sagen: Fasten ist, sich reichlich Zeit zu lassen, um eins nach dem anderen anzuschauen und zu sehen, was das für ein Geschenk ist. Dann kommt die Freude.



Quelle: KURIER vom 01.04.2012

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