Interview mit David Steindl-Rast OSB von Dr. Heinz Niederleitner
Spiritualität ist „Lebendigkeit aus dem Glauben“, sagt Bruder David Steindl-Rast. Zu dem Dreischritt Innehalten, Innewerden und Handeln gehört die Achtsamkeit im Leben. Heißt das nicht, Spiritualität ist auch Achtsamkeit für andere?
Spiritualität als etwas Privates zu verstehen, ist ein völliger Irrtum. Wenn Spiritualität die Lebendigkeit aus dem Glauben ist, wird sie auch in Gemeinschaft gelebt.
Denken wir einmal ganz nüchtern nach: Wir alle können nicht einen einzigen Tag lang überleben, ohne dass sehr viele Menschen, von denen wir nie den Namen erfahren werden, für uns arbeiten und uns bedienen. Das sind Menschen, an die wir nie denken.
Getragen Wir fahren zum Beispiel auf der Autobahn dahin und bedenken nicht, dass die Herstellung jedes Meters dieser Fahrbahn hunderte Arbeitsstunden verlangt hat – vom Abbau der Rohstoffe, der Herstellung von Zement und Asphalt, den Transportwegen bis zum eigentlichen Straßenbau. Nicht selten sind es ärmere Menschen als wir, die hier für uns gearbeitet haben. Menschen werden für unseren Lebensstil auch ausgebeutet. Wir werden jedenfalls immer von anderen unterstützt und getragen.
Dankbar Eine große Freudenquelle entspringt nun daraus, dass man anderen Menschen, auf die man sonst nicht achtet, Dankbarkeit erweist. Denken wir an alltägliche Beispiele wie, ein gutes Trinkgeld zu geben. Ich kann mir schon als junger Menschen angewöhnen, die Freude auszukosten, wenn ich jetzt ein bisschen mehr Trinkgeld gebe als erwartet wird – besonders, wenn es verdient wurde.
Es muss auch gar nicht Geld sein, das man gibt: Geht man zum Beispiel in eine öffentliche Toilette hinein und dort arbeitet gerade jemand, kann man sagen: „Es ist sehr schön sauber!“
Ein solcher Satz kann ja den ganzen Tag dieses Menschen erhellen. Wir sollten uns immer wieder dankbar erweisen.
Aufmerksam Es ist sehr wichtig zu bedenken, dass Spiritualität in einem Netzwerk mit anderen und in der Gegenseitigkeit lebt. Gerade deshalb braucht es die Achtsamkeit und besonders die Aufmerksamkeit für andere.
Nun sind wir als Menschen aber letztlich doch egoistisch veranlagt. Deshalb lernt man diese Aufmerksamkeit am leichtesten, wenn man verkostet, wieviel Freude es uns macht, für etwas dankbar zu sein, das wir sonst nur als gegeben hinnehmen. Was ich als gegeben hinnehme, das bemerke ich kaum. Darüber muss ich hinausgehen um Freude zu finden – Freude an Dingen, die ich genießen kann und Freude an einem achtsamen Leben, in dem jeder Mensch auf den anderen achtet.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft „Kooperation-Kirchenzeitunge:
KirchenZeitung im Netz Nr. 36, Vorarlberger Kirchenblatt, martinus Kirchenzeitung, TIROLER sonntag, (2017)