27. Dezember 2003 ©Radio Vorarlberg
David Steindl-Rast hielt einen Vortrag in der Probsteikirche St. Gerold. In der Sendung FOCUS ‒ Themen fürs Leben,
berichtet Dr. Franz-Josef Köb, Radio Vorarlberg (AT).
Vortrag in Themen zusammengefasst: Hans Businger

(00:00) Krise im Gottesverständnis als Wachstumskrisen begreifen ‒ Sich auf Gott verlassen, heißt sich verlassen ‒ Der Bergsteiger über dem Abgrund ‒ Wie Menschen an den Folgen des tradierten und als unwandelbar dargestellten Gottesbildes leiden: Auf vielen Ebenen ist die Kirche ausschließlich statt einschließlich ‒ Glaubenssätze ohne Beziehung zur persönlichen Erfahrung ‒ ein philosophischer Gott, zu dem die Welt eine wirkliche Beziehung hat, der aber zur Welt keine wirkliche  Beziehung hat ‒ ein Verständnis der Allmacht Gottes, das wir nicht nachvollziehen können

(08:47) Ein glaubwürdiges Gottesbild finden, das organisch mit der Tradition verbunden bleibt: Wir müssen wählen zwischen einem philosophischen Gott und dem Gott der Bibel und dem Gott unseres persönlichen Erlebens ‒ ‚Die Schwachheit Gottes ist stärker als die Kraft der Menschen‘ (1 Kor 1,25): Gottes Allmacht kann nur die Allmacht der Liebe sein ‒ ‚Der Gott Abrahams, nicht der Philosophen und Theologen‘ (Blaise Pascal, Mémorial) / (12:15) Wenn Jemand sagt: «Ich bin Agnostiker, ich bin Atheist», sag ich: «Wunderbar, wenigstens ist dein Gottesbild reiner als das vieler Menschen, die Gott ständig in den Mund nehmen» ‒ «Henry, da bist du, zeig mir deine Dias» ‒ ‚Ich bin durch dich so ich‘ (E. E. Cummings): Dass Gott eine wirkliche Beziehung zu uns hat, das wissen wir, bevor wir den Namen Gott überhaupt hören ‒ ‚Und ich fühle dein Herz und meines klopfen und beide aus Angst‘ (Rilke, Das Stundenbuch): Das ist ein Gottesbild, in dem die Allmacht der Liebe zur Sprache kommt, eine Allmacht, die auch unsere Welt ändern kann durch uns

(17:05) Um dieses Gottesbild zu finden, müssen wir mit unserem persönlichen Erleben anfangen, mit unserem mystischen Erleben: Jeder Mensch ist ein außergewöhnlicher Mystiker ‒ Die Erfahrung letzter Zugehörigkeit in den Arbeiten des Psychologen Abraham Maslow / (21:25) Das mystische Erlebnis letzter Zugehörigkeit ist Anfang und Herzstück jeder Religion: Jesus ist Mystiker und Sozialreformer in intimer Beziehung zu seinem Vater, den er zärtlich ‚Abba‘ nennt, und wir fragen uns, wie aus dem mystischen Erlebnis einer Gründerpersönlichkeit Religionen entstehen mit Lehre, Moral und Ritual mit der Tendenz, dass das lebendige Wasser des Ursprungs im Lauf der Geschichte einfriert

(28:51) Das mystische Gottesbild einer Welt, in der alles uns anspricht als Wort Gottes, denn ‚das Wort ist Fleisch geworden‘, und das ist das ewige Wort Gottes: Wir sind uns selbst so abgründig, dass die tiefste Tiefe unseres eigenen Lebens göttlich ist. Von Anfang an, das erste Wort: ‚Es werde Licht‘, ist schon das Wort, das Fleisch wird. Und wir sind ein Augenblick in der Evolution dieses Wortes und jeder von uns ist ein Wort, das erst zu dem Wort werden muss, das es sein soll, und es braucht ein ganzes Leben, um dieses Wort wirklich zu werden. Das ist der Unterschied zwischen uns Menschen und all den andern Worten, die wir um uns herum sehen ‒ Das Gebet ‚Vom Wort leben‘ üben: Gott spricht viele Sprachen ‒ Das Herz nicht gegen den Kopf ausspielen

(33:30) Das wahre Wort kommt immer aus der Stille und kehrt wieder in die Stille zurück: der Unterschied von Gespräch und Wortwechsel ‒ ‚Wie die ganze Welt in Stille lag, sprang dein göttliches Wort vom himmlischen Thron‘ (Weish 18,15): Sich in diese Stille zu versenken ist für Buddhisten ebenso zentral, wie für uns vom Wort leben

(35:25) Das Wort in die Stille zurückkehren lassen führt zum Verständnis. Und wir verstehen letztlich nur durch Tun: Das Gebet des Tuns / (36:45) Jeder Mensch erlebt in seiner mystischen Erfahrung Gott als das Schweigen, als das Wort und als das Verstehen: Die Kirche als Sauerteig und nicht als Zaun und das Bild vom Rundtanz der Religionen: In den Kreis eintreten, diesen Schritt müssen wir machen, dann wird die Kirche allumfassend

(38:29) Unsere Angst und der Zweifel zeigt uns nur, wie hoch wir schon im Glauben gekommen sind, unser Glaube erzeugt den Zweifel wie ein Radfahrer den Gegenwind: Solange der Glaube noch eine Nasenlänge voraus ist, kann der Zweifel gar nicht groß genug sein


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