Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

augenblicke wach im jetzt titelCopyright © - Norbert Kopf

Das erste Wort, das Gott im biblischen Bericht an Abraham beim Bundesschluss richtet, ist:

«Wandle vor mir und sei vollkommen!» (1 Mose 17,1)

In diesem Wort ist schon, wie in einem Samen, das ganze Wagnis der Heilsgeschichte beschlossen. Das Wagnis liegt einfach darin, vor Gott zu wandeln, sich dem Wort zu stellen.

Es heißt ja nicht: Wandle vor mir und nimm dich jetzt zusammen, wirklich vollkommen zu sein, denn ich werde dich beobachten!

Es heißt: wandle vor mir und sei vollkommen! In einem Parallelismus, in dem die zweite Hälfte dasselbe aussagt wie die erste: Wandle vor mir; das ist schon Vollkommenheit. Setze dich mir aus, darin liegt das Wagnis der Vollkommenheit.

Das Bibelwort ist zunächst gesprochenes Wort. Wenn es uns anspricht, stehen wir schon im Wagnis. Du wandle vor mir! Du selber.

Es gibt da eine schöne Geschichte, in der ein Rabbi betet: «Herr, mach mich wie Abraham!» Vielleicht hat er genau unsere Bibelstelle im Sinn. «Mach mich wie Abraham!»

Und eine Stimme kommt vom Himmel, die sagt: «Ich habe doch schon einen Abraham.»[1] ‒ Du selber musst vor mir wandeln. Niemand kann es für dich tun. Darin liegt dein Wagnis: Du selber zu sein vor mir.

Aber in dem «Vor mir» liegt ein weiterer Aspekt dieses Wagnisses, wirklich vor dem Antlitz Gottes zu wandeln und sich nicht hinter etwas zu verstecken.

Wir sollten uns angerufen fühlen wie Adam im Paradies:

«Wo bist du?»

Und nachdem es hier um den Sinn geht, dem wir uns aussetzen müssen, könnte dieses «Wo bist du?» fast so interpretiert werden: «Hinter welchem Zweck versteckst du dich heute?»

Hinter welchem Busch versteckt Adam sich? Die besten Büsche, hinter denen wir uns vor Gott verstecken können, sind natürlich die, die Gott am wohlgefälligsten sind, die besten Zwecke. Wir wissen ganz genau, wie oft wir uns hinter diesem oder jenem Zweck verstecken, wenn Gott ruft: «Wo bist du?»

Und es liegt noch ein weiteres Wagnis darin, und das ist vielleicht das wichtigste in diesem Spruch. Es heißt ja ausdrücklich: «Wandle!»

Nicht nur «du»; nicht nur «vor mir»; sondern: «Wandle!»

Wandeln setzt voraus, dass man einen Fuß aufhebt; und da hat man schon das Gleichgewicht verloren; dann muss man ihn niedersetzen und den nächsten aufheben, und dann hat man schon wieder das Gleichgewicht verloren.

Wandeln ist diese sonderbare Art der Fortbewegung, in der man ständig das Gleichgewicht verliert und wiederfindet. Und gerade diese Fortbewegungsart wird von uns erwartet als Ausdruck der Vollkommenheit: Wandle!

Sobald wir uns in das Bleibende verschließen, erstarren wir. Die Sicherheit des Bleibenden führt zur Erstarrung. Rilke sagt das sehr schön in den Sonetten an Orpheus:

«Was sich ins Bleiben verschließt, schon ist's das Erstarrte.»

Und dieses selbe Sonett beginnt mit den Worten:

«Wolle die Wandlung.»[2]

Gott will die Wandlung, wenn er das Wagnis des Wandelns zur Voraussetzung macht für Vollkommenheit. Und da trifft sich das Glückstreben des Menschen mit dem einzigen anderen Punkt, dessen wir sicher sein können, dem Punkt des Todes.

Im Punkt des Todes erreicht das Wagnis der Wandlung seinen Höhepunkt. Der Tod ist die entscheidende Wandlung und das entscheidende Wagnis. Und alles in unserem geistlichen Leben hängt einfach davon ab, ob wir im Laufe des Lebens, während wir uns immer wieder verschließen und öffnen, endlich lernen, uns dem Wort zu stellen.

Dann können wir uns auch diesem letzten Wort stellen, das Tod heißt, und können es wagen, Sinn zu finden, wo wir ergriffen werden, ohne begreifen zu können.[3]

«Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
die Lust hat eignes Grauen,
und alles hat den Tod.»
[4]

Schon lange bevor es uns wirklich bewusst wird, dass allem, was unsere Sinne erfahren, Tod beigemischt ist, so wie bei Pfirsichen die Bitterkeit des Kerns das Fruchtfleisch durchzieht, rührt uns der Wandel der Dinge ganz eigen an.

«Es wandelt, was wir schauen», und nicht nur, was wir schauen. Alles, was unsere Sinne an dieser Welt wahrnehmen, «wandelt».

Seltsam lässt Eichendorff dieses Wort zwischen Bedeutungen schweben. Wandelt, was wir schauen, sich, oder wandelt es uns? Beides schwingt mit. Handel und Wandel der Welt ist Weiterbewegung ‒ voran oder im Kreis herum ‒, aber auch Veränderung. Was aber so wandelt und sich dabei verwandelt, das wandelt auch uns, die es schauen, indem es in unser Leben eingreift.

Wo wir es mit Lebendigem zu tun haben, ist nichts automatisch. Im Leben ist Wachstum organisch mit Sterben verbunden. Leben heißt, mit jedem Wimpernschlag für Altes sterben und für Neues geboren werden. Jeder Fortschritt im Leben ist ein Sterben in größere Lebendigkeit hinein. Wer dazu den Mut nicht hat, kann weder leben noch sterben. Lebensmut ist die Tapferkeit, die wir für jenes Immer-wieder-Sterben brauchen, das zum wachen Lebendigsein untrennbar dazugehört.

Auch im Bereich der Sinnlichkeit müssen wir immer wieder sterben, um so Sinn zu finden. Das ist ja die Bedeutung des memento mori, das wir als Mahnwort etwa an Sonnenuhren alter Klöster lesen.[5]

Aber das ist nur die Hälfte der Botschaft. Nicht selten steht dort stattdessen «memento vivere»«Denke daran, zu leben!»

Der Heilige Benedikt will, dass seine Mönche «den Tod allzeit vor Augen halten» mit dem Ziel, wach und bewusst zu leben. Nicht ein morbides Grübeln übers Sterben ist mit dem «memento mori» gemeint, sondern ein lebensbejahendes Wachsein in jedem Augenblick, auch in unserem letzten.[6]

Und doch ist es wahrhaftig ein Gewahrsein des Todes, denn der Tod ist letztlich der entscheidende «Punkt, wo sich Zeitloses schneidet mit Zeit».[7]

Aber die Sammlung des Mönchs ist keine morbide Vorwegnahme seiner Todesstunde, sie ist vielmehr ein bewusstes Erleben der Gegenwart, des Hier und Jetzt «Im Kreuzfeld der Zeit».[8]

Und in diesem Sinn ist die «Todesstunde jeder Augenblick».[9]

In jedem Augenblick, in dem wir wirklich gegenwärtig sind, kann durch diese innere Sammlung der Durchbruch durch die Zeitbarriere erfolgen.

Der Augenblick vollkommener Gegenwärtigkeit, durch innere Andacht erreicht, ist der «Augenblick in und außer der Zeit».[10]

So ist «Geschichte ein Gefüge aus zeitlosen Momenten».[11]

Durch ein Leben gesammelter Achtsamkeit wird der jeweils gegebene Augenblick ‒ was immer sein Inhalt sei ‒ zu einem «Symbol, einem Symbol vollendet im Tod».[12]

Wir können beschäftigt sein mit zweckvollen Tätigkeiten, mit der Erledigung von Aufträgen, mit dem Durchführen von Arbeiten ‒ und plötzlich kommt der Tod daher ‒ sei es unser endgültiger Tod oder einer der vielen Tode, durch die wir Tag für Tag gehen.

Der Tod konfrontiert uns mit der Tatsache, dass ein zweckerfülltes Leben nicht genug ist. Wir brauchen Sinn um wahrhaft zu leben. Wenn wir dem Tod nahe kommen und alles was auf Zweck abzielt, uns aus den Händen gleitet, wenn wir die Dinge nicht länger manipulieren und kontrollieren, um bestimmte Ziele zu erreichen ‒ kann dann unser Leben noch sinnvoll sein? Wir tendieren dazu, Zweck und Sinn gleichzusetzen, und wenn der Zweck wegfällt, stehen wir da ohne Sinn. Hier liegt also die Herausforderung: wie kann es, wenn alles Streben nach Zweck zu einem Ende kommt, doch noch Sinn geben?

Diese Frage kann erklären, warum wir im Kloster aufgefordert und herausgefordert werden, den Tod allzeit vor Augen zu haben. Denn das Mönchsleben ist ein Weg, um sich radikal der Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen. In einem solchen Leben kann man nicht im Zweck stecken bleiben: Zwar gibt es viele Zwecke, die Mönche verfolgen, aber sie sind alle zweitrangig. Als Mönch bist du vollkommen überflüssig, und darum kannst du der Frage nach dem Sinn nicht ausweichen.

Unsere Redewendungen, die sich auf Sinn beziehen, zeigen uns mehr passiv als aktiv: «Es ist mir etwas geschehen», «Es hat mich tief berührt», «Es hat mich bewegt». Natürlich möchte ich Zweck und Sinn nicht gegeneinander ausspielen, oder Aktivität gegen Passivität. Es geht eher darum, ein Gleichgewicht in unserer hyperaktiven, von Zweckmäßigkeit besessenen Gesellschaft zu finden. Wir unterscheiden hier Zweck und Sinn nicht, um die beiden zu trennen, sondern um sie zu verbinden. Unser Ziel ist es, Sinn in unsere zweckvollen Tätigkeiten einfließen zu lassen, indem wir Aktivität und Passivität in ihre ursprüngliche wechselseitige Beziehung bringen.

Der Tod stellt diese Beziehung auf die äußerste Probe. Nur wenn unser Sterben unsere volle und letzte Antwort auf das Leben ist, stimmen Aktivität und Passivität zuletzt im Tod überein. Weil wir im Leben so einseitig aktiv sind, denken wir uns den Tod zu einseitig passiv. Natürlich sind wir im Tod offensichtlich passiv, das Sterben ist das am meisten Passive, das uns geschehen kann. Es ist die äußerste Passivität ‒ etwas, das uns unausweichlich widerfahren wird. Wir werden alle einmal getötet werden auf die eine oder andere Weise, sei es durch Krankheit oder Alter oder einen Unfall oder sonst auf eine andere Art. Wir alle sind uns darüber im Klaren, aber nicht viele Leute sind sich bewusst, dass der Tod auch höchste Aktivität von uns fordert.

Hier können uns wieder bezeichnende Redewendungen helfen, dies zu verdeutlichen: Es ist zum Beispiel aufschlussreich, dass der passivste Vorgang in unserer Erfahrung, nämlich das Sterben im Deutschen (und Englischen) nicht in einer Passiv-Form ausgedrückt werden kann. Es gibt keinen Passiv-Ausdruck für das Verb «sterben». Wir können getötet werden, aber wir können nicht «gestorben werden»; wir müssen sterben.

In unserer Sprache ist so die Erfahrung aufbewahrt, dass das Sterben nicht nur passiv ist, vielleicht sogar nicht einmal in erster Linie passiv, sondern auch die höchste Aktivität.

Sterben ist etwas, das wir selbst tun müssen.

Vielleicht können wir getötet werden ohne zu sterben, was solche Gespenstergeschichten erklären würde, in denen ein Haus oder ein Zimmer verwunschen sind durch die andauernde Gegenwart einer Person, die getötet wurde, aber nicht wirklich gestorben ist.

Diese zwei Dinge müssen im Tod zusammenkommen: Wir tun etwas, und wir erleiden etwas. Mehr als das, wir müssen etwas erleiden, was wir tun, und wir tun etwas, das wir erleiden. Dieses Handeln im Erleiden, dieses Geben im Nehmen ‒ die gegenseitige Beziehung ‒, wird durch unsere Konfrontation mit dem Tod in den Brennpunkt gerückt. Es kennzeichnet das Leben in all seinen Aspekten.[13]

Sterben gehört ebenso zum Leben, wie Geborenwerden. Deshalb habe ich keine Angst vor dem Tod als solchem. Wenn der Apfel reif ist, fällt er ab vom Baum. Ausreifen zu dürfen ist ein großes Geschenk. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, auch jetzt noch dazulernen zu dürfen im hohen Alter. Was mir Angst macht, ist das Drum und Dran beim Sterben – das Kranksein, das ja meist dazugehört, vielleicht Schmerzen und jedenfalls der zunehmende Verlust körperlicher und geistiger Fähigkeiten, der schon jetzt beginnt. Aber ich weiß aus Erfahrung, dass wir uns nicht fürchten müssen vor den Engpässen, durch die das Leben uns führt. Furcht sträubt sich gegen die Angst und bleibt dadurch in der Enge stecken. Wenn wir aber unsere Angst zulassen und vertrauensvoll auf sie zugehen, dann führt das Leben uns hindurch, wie durch einen engen Geburtskanal. Wir können uns in diesem Vertrauen üben. Das ist eine gute Vorbereitung auf den Tod.

Wir erfahren es an entscheidenden Wendepunkten unseres Lebens immer wieder: beängstigende Augenblicke führen zu einer neuen Geburt auf einer höheren Ebene. Warum sollte das nicht auch in unserem letzten Augenblick so sein. Wir können uns freilich ein Jenseits ebenso wenig vorstellen, wie wir uns im Mutterleib die Welt vorstellen konnten, in die wir dann geboren wurden.[14]

[Die Quellenangaben zum obigen Text in Anm. 3, 5f., 12-14]

[Ergänzend:

1. «Wolle die Wandlung» (Rilke):

Audio So leben wir und nehmen immer Abschied (2009):
(36:46) ‹Wolle die Wandlung› (Rilke, Sonette 2. Teil, XII)

Siehe auch das Sonett in Einsichten aus Rilkes Dichtung, Teil II (2014), 151-155, und Die Achtsamkeit des Herzens (2018): ‹Sinnlichkeit und christliche Askese›, 94

2. «Es wandelt, was wir schauen» (Joseph von Eichendorff):

So leben wir und nehmen immer Abschied (2009)
(18:46) ‹Es wandelt, was wir schauen› (Joseph von Eichendorff) und ein Brauch im jüdischen Laubhüttenfest

Retreat-Woche in Assisi (1989)
‹Stärke unseren Glauben› (Lk 17,5):
(49:08) Hoffnung vor dem Scherbenhaufen zerstörter Hoffnungen ‒ ‹Du bist’s, der, was wir bauen, mild über uns zerbricht› (Joseph von Eichendorff: ‹Es wandelt, was wir schauen›): Die Hütten am Laubhüttenfest sind durchsichtig zu den Nachbarn und den Sternen

Siehe auch das Gedicht in Einsichten aus Rilkes Dichtung, Teil II (2014), 93, und Fragen des Lebens

3. «Wandelt sich rasch auch die Welt wie Wolkengestalten» (Rilke, Sonette Teil 1, XIX):

Film Wir sind daheim in dieser Welt (1975) und Transkription:
(08:59) Ellinor Jensen (Sprecherin): ‹Wandelt sich rasch auch die Welt in Wolkengestalten› (Rilke: Sonette 1. Teil, XIX)

Audio So leben wir und nehmen immer Abschied (2009):
(25:52) ‹Wandelt sich rasch auch die Welt wie Wolkengestalten (Rilke, Sonette an Orpheus 1. Teil, XIX)

Siehe auch das Sonett in Die Achtsamkeit des Herzens (2018): ‹Sinnlichkeit und christliche Askese›, 98f., und in Altern: Ergänzend: 5.: ‹Unter Tränen lächelnd, willig dieses Lied singen›

4. «Sterben ‒ Teil eines Prozesses, der Leben und Tod zusammenhält»:

Hoffnung des Lebens (2024): Auszug aus dem Interview von Thomas Steininger mit Bruder David:

Bruder David: «Zunächst sollten wir klären, worüber wir genau sprechen. Sprechen wir über Leben und Sterben oder Leben und Tod? Das sind zwei verschiedene Fragestellungen.

Der Tod ist das Gegenteil von Leben.

Sterben ist ein Teil eines Prozesses, der Leben und Tod zusammenhält. Das Ende unseres Lebens ist nicht der Tod. Das Ende ist das Sterben.»

Thomas Steininger: «Das Sterben ist also ein integraler Bestandteil des Lebens. Jeder von uns kennt die Sorge, die aufbricht, wenn man mit dem Sterben konfrontiert ist, egal ob das ein kleines oder ein großes Sterben ist. Die Angst des Nichtwissens ist ein Teil dieser Erfahrung. Aber wenn das Sterben in einem Vertrauen dem Leben gegenüber gehalten ist, bekommt das Sterben sogar seine eigene Kraft. Denn dadurch ist es möglich, dass neues Leben entstehen kann, und das, was enden musste, enden darf.»

Bruder David: «Wunderschön ausgedrückt. Deshalb können wir im Verhältnis zu unserem eigenen endgültigen Tod von den vielen kleinen Sterbeerlebnissen unseres Lebens lernen, dass immer wieder eine Neugeburt daraus wird. Darum dürfen wir hoffen. Das ist eine kräftige Hoffnung. Nicht nur ein Wunsch, sondern eine tiefe Überzeugung, dass mit dem eigenen Tod auch eine neue Geburt Hand in Hand geht. Denn so haben wir das ja immer wieder erlebt ‒ auch wenn ich nicht weiß, wie diese Neugeburt aussehen könnte. Aber auch bei den kleineren Sterbeerlebnissen im Leben wussten wir nicht, was neuwerden kann.

Diese Erfahrung können wir auf die Sterbeprozesse übertragen, die wir um uns herum sehen. Daraus können wir Hoffnung schöpfen. In manchen Bereichen kann man noch darauf hoffen, dass etwas gerettet wird. Aber in anderen Bereichen sind wir schon zu weit über die Klippe gegangen, befinden uns im freien Fall, es lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Aber trotzdem dürfen wir hoffen, ohne dass wir uns vorstellen können, wie eine Neugeburt aussehen könnte. Aber die Hoffnung kommt aus der Erfahrung, dass in meinem Leben jedes Sterben zu einer Neugeburt geführt hat.»

«Die wirkliche Kraft der Hoffnung müssen wir nicht in uns zusammenkratzen, sondern sie kommt aus der Kraft des Lebens. Hoffnung ist Vertrauen auf das Leben, das Öffnen der Schleusen des Lebens, damit die Kraft des Lebens durchfließen kann. Das ist die größte Kraft, die es überhaupt gibt.»]

______________________

[1] Martin Buber: Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre, Heidelberg 81981: ‹II. Der besondere Weg›, 16:

«Der weise Rabbi Bunam sagte einmal im Alter, als er schon erblindet war: ‹Ich möchte nicht mit Vater Abraham tauschen. Was hätte Gott davon, wenn der Erzvater Abraham wie der blinde Bunam würde und der blinde Bunam wie Abraham?› Und mit noch größerer Eindringlichkeit ist dasselbe von Rabbi Sussja ausgesprochen worden, als er kurz vor dem Tode sagte: ‹In der kommenden Welt wird man nicht fragen: ‹Warum bist du nicht Mose gewesen?› Man wird mich fragen: ‹Warum bist du nicht Sussja gewesen?›»

[2] R. M. Rilke: Sonette an Orpheus 2. Teil, XII

[3] Vortrag Jesus als Wort Gottes, abgedruckt in: Die Frage nach Jesus (1973), 15f.

[4] Joseph von Eichendorff: ‹Der Umkehrende›, 4; siehe das Gedicht in Fragen des Lebens

[5] Die Achtsamkeit des Herzens (2018): ‹Sinnlichkeit und christliche Askese›, 80, 92

[6] Jeder Mensch ist zutiefst darauf angelegt Mystiker zu sein (2020): Interview von Evelin Gander mit Bruder David

Die Achtsamkeit des Herzens (2018): ‹Spiegel des Herzens›, 131:

«Klösterliche Aufmerksamkeit und innere Sammlung stehen, wie das Schweigen, in direktem Zusammenhang zum Gehorsam. Sie sind nicht das finstere ‹memento mori›, als welches sie manchmal erscheinen.»

[7] T. S. Eliot: Vier Quartette. Four Quartets. Englisch und deutsch; übertragen und mit einem Nachwort von versehen von Norbert Hummelt, Berlin, Suhrkamp Verlag 2015: ‹The Dry Salvages, V›, 60f.; siehe auch Stillehalten:

«But to apprehend
the point of intersection of the timeless
With time, is an occupation for the saint ‒
No occupation either, but something given
And taken, in a lifetime’s death in love,
Ardour and selflessness and self-surrender.
For most of us, there is only the unattended
Moment, the moment in and out of time,
The distraction fit, lost in a shaft of sunlight,
The wild thyme unseen, or the winter lightning
Or the waterfall, or music heard so deeply
That it is not heard at all, but you are the music
Wile the music lasts. These are only hints and guesses,
Hints followed by guesses; and the rest
Is prayer, observance, discipline, thought and action.»

«Aber die Stelle zu erkennen,
Wo die Zeit das Zeitlose
Kreuzt, ist ein Beruf für Heilige ‒
Auch kein Beruf, sondern etwas, das gegeben wird
Und genommen, im Liebestod eines ganzen Lebens,
Inbrunst, Hingabe, Aufopferung.
Für die meisten von uns gibt es bloß den unbeachteten
Augenblick, in der Zeit und außerhalb der Zeit,
Einen Anfall von Zerstreuung, verirrt in einem Schacht aus Sonnenlicht,
Den wilden Thymian ungesehen, das Wintergewitter
Oder den Wasserfall, oder Musik so tief gehört
Dass sie unhörbar wird, und Sie selbst die Musik sind
Solange sie währt. Das sind nur erste Andeutungen,
Fingerzeige, Rätselraten; der Rest
Ist Gebet, Zucht, Innehalten, Denken, Handeln.»

[8] Ebd.

[9] T. S. Eliot: The Dry Salvages, III; siehe auch Doppelbereich Ich-Selbst; Augenblicke wach im Jetzt:

«Die Zeit des Sterbens ist jeder Augenblick.» ‒ «And the time of death is every moment.»

[10] T. S. Eliot in Anm. 7; siehe auch Stillehalten; Sterben und Angst; Jetzt im Doppelbereich

[11] T. S. Eliot: Four Quartets: Little Gidding, V:

«The moment of the rose and the moment of the yew-tree
Are of equal duration. A people without history
Is not redeemed from time, for history is a pattern
Of timeless moments. So, while the light fails
On a winter's afternoon, in a secluded chapel
History is now and England.»

«Der Augenblick der Rose und der Augenblick der Eibe
Sind von gleicher Dauer. Ein Volk ohne Geschichte
Ist nicht von der Zeit erlöst, weil Geschichte ein Muster ist
Aus zeitlosen Augenblicken. Jetzt, wo es dämmert,
Im Winter, nachmittags, in der entlegenen Kapelle
Ist die Geschichte jetzt und England.»

[12] Die Achtsamkeit des Herzens (2018): ‹Spiegel des Herzens›, 131f.

T. S. Eliot: Four Quartets: Little Gidding, III:

«Whatever we inherit from the fortunate
We have taken from the defeated
What they had to leave us ‒ a symbol:
A symbol perfected in death.»

«Was wir auch immer von den Siegreichen erben
Haben wir von den Besiegten genommen
Was sie uns geben konnten ‒ ein Zeichen:
Ein Zeichen, vollendet im Tod.»

[13] Sterben lernen (2005)

[14] Jeder Mensch ist zutiefst darauf angelegt Mystiker zu sein (2020): Interview von Evelin Gander mit Bruder David; siehe auch Fürchte dich nicht: Ergänzend: 1.

 


Quellenangaben

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