Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB
«Was ich wollte, liegt zerschlagen,
Herr, ich lasse ja das Klagen,
Und das Herz ist still.
Nun aber gib auch Kraft, zu tragen,
Was ich nicht will!»
Joseph von Eichendorff: «Der Umkehrende»[1]
Im Vertrauen auf dieses große Du verlassen wir uns. Wir verlassen uns auf das große Du hin, dem wir gegenüberstehen, wenn wir im Augenblick stehen. In der Vergangenheit nicht, wenn wir uns mit der Vergangenheit identifizieren. Nicht, wenn wir uns mit der Zukunft identifizieren. Nur wenn wir im Augenblick stehen, dann sind wir mit diesem großen Du konfrontiert, das uns trägt.
Und darum sagt Eichendorff in einer weiteren Strophe aus dem Gedicht «Der Pilger»:[2]
«So lass herein nun brechen
Die Brandung, wie sie will,
Du darfst ein Wort nur sprechen,
So wird der Abgrund still;
Und bricht die letzte Brücke
Zu Dir, der treulich steht,
Hebt über Not und Glücke
Mich einsam das Gebet.»
Das ist das Gebet des Vertrauens. Es braucht gar kein gesprochenes Gebet zu sein. Es ist einfach das Vertrauen, das zum Gebet wird:
«So lass herein nun brechen
die Brandung, wie sie will,
du darfst ein Wort nur sprechen,
so wird der Abgrund still.»
Du ‒ das große Du ‒ steht in dem «Nunc stans»[3], in dem «Jetzt» treulich und verlässlich. Wann immer wir uns auf den Augenblick einlassen, steht dieses Du treulich und verlässlich uns gegenüber. Aber nicht nur «uns gegenüber».
Es steht mit uns, es trägt uns, es hebt über Not und Glücke. In diesem Gebet des Vertrauens. So scheint mir der Dichter die Frage zu beantworten: «Wie können wir überstehen?»
Und dann kommen wir gegen Abend, in der Lebensreife, im Herbst jeden Jahres immer wieder zu der Frage:
«Woran reifen wir?»
Es gibt nichts Traurigeres als ein unausgereiftes menschliches Leben. Und darum nichts Traurigeres als den Tod eines jungen Menschen. Ich muss an den Tod dieser unzähligen jungen Menschen denken, die jetzt im Krieg sterben. Da kann ich mich nur darüber hinwegtrösten, indem ich an ein Buch von Thornton Wilder denke, das vielleicht viele von Ihnen kennen, «The Bridge of San Luis Rey».
Es erzählt von einem Franziskaner, einem Missionar, der im 18. Jahrhundert in Peru zu einer Seilbrücke kommt, die schon Hunderte von Jahren gehalten hat. Doch gerade in dem Augenblick, wo er auf die Brücke gehen will, bricht sie zusammen und reißt fünf Menschen in den Abgrund. Und er stellt sich jetzt die Frage: «Warum gerade diese fünf?» Der Missionar geht dem Lebenslauf dieser fünf Menschen nach und kommt am Ende des Buches zu dem Schluss:
«Man stirbt nicht am Tod, man stirbt an der ausgereiften Liebe» (Otto Mauer).
Und die Liebe kann schon sehr früh ausreifen. Die Kirschen reifen schon im Juni, die Trauben erst im Oktober. Wir wissen es nicht. Von außen kann man es nicht sehen. Wenn junge Menschen sterben, dürfen wir hoffen, dass ihre Liebe ausgereift war. Ja, wir können dessen eigentlich sicher sein.
Aber für uns, die ein reiferes Alter erleben dürfen, stellt sich im Herbst die Abend-Frage: «Wie reifen wir?»
Rilke schreibt im Stundenbuch:
«Jetzt reifen schon die roten Berberitzen,
alternde Astern atmen schwach im Beet.
Wer jetzt nicht reich ist, da der Sommer geht,
wird immer warten, wird sich nie besitzen.
Wer jetzt nicht seine Augen schließen kann,
gewiss, dass eine Fülle von Gesichten
in ihm nur wartet bis die Nacht begann,
um sich in seinem Dunkel aufzurichten ‒
der ist vergangen wie ein alter Mann.
Dem kommt nichts mehr, dem stößt kein Tag mehr zu,
und alles lügt ihn an, was ihm geschieht;
auch du, mein Gott. Und wie ein Stein bist du,
welcher ihn täglich in die Tiefe zieht.»
Wie kann das sein?
«… und alles lügt ihn an, was ihm geschieht;
auch du, mein Gott.»
Lügt Gott uns an? Ein falsches Gottesbild, das lügt uns an.
Aber der Stein, welcher uns täglich in die Tiefe zieht, das ist der Gott unserer Sehnsucht, das ist der Gott, der in uns reift.
Und unser eigentliches Reifen ist das Reifen Gottes in uns.
«Auch wenn wir nicht wollen:
Gott reift»,
schreibt Rainer Maria Rilke.
Doch was macht uns reifen?
Ein anderes Gedicht von Rilke legt nahe, dass es die Begegnung mit der Wirklichkeit ist, die uns reifen lässt.
Auch die Begegnung mit allem Widersprüchlichen, einfach mit allem, was es gibt, macht uns reif, wenn wir uns ihm aussetzen.
Und so schreibt Rilke:
«Wer seines Lebens viele Widersinne
versöhnt und dankbar in ein Sinnbild fasst,
der drängt die Lärmenden aus dem Palast,
wird anders festlich, und du bist der Gast,
den er an sanften Abenden empfängt.»
Wenn wir unseres Lebens viele Widersinne versöhnen und dankbar in ein Sinnbild fassen: Was kann dieses Sinnbild sein?
Clemens Brentano nennt in einem wunderschönen Gedicht das Feldkreuz als dieses Sinnbild. Er hat dieses Gedicht an das Ende seines Buches gestellt und damit eigentlich an das Ende von allem, was er geschrieben hat.[4]
Im Kreuz steht die Gegenwart, das Jetzt, senkrecht auf dem Fluss der Zeit: der gegebene Augenblick. Brentano findet ans Feldkreuz angeschrieben diese Worte. Und er findet den Gekreuzigten, der ihm zum Sinnbild wird.
«Oh Stern und Blume
Geist und Kleid
Lieb, Leid und
Zeit und Ewigkeit!»
In allem, was es gibt, drückt sich das Grenzenlose, Unbegrenzte und Unendliche aus. Es drückt sich in allen Formen aus. Der Stern etwa zeigt sich in der Blume. Kinder zeichnen das gerne, den Stern. Oder die Sonne oben und drunter die Sonnenblume, oder den Stern und die Sternblume.
«Oh Stern» ‒ das Unendliche ‒ und die Blume ‒ das ganz Kleine.
«Geist und Kleid»: Alles, was wir sehen, ist Kleid des Geistes. Alles, was es gibt, ist Gabe dieses unbegrenzten Es, das uns alles gibt.
Auch «Lieb und Leid». Im Leid drückt sich die Liebe völlig aus. Das Unbegrenzte ist die Liebe, das Leid ist die begrenzte Form, in der wir hier in diesem Leben die Liebe am tiefsten erfahren. Dieses Sinnbild ist am Feldkreuz angeschrieben.
Und schließlich: «Zeit und Ewigkeit.»
Am Feldkreuz wird es umgedreht: «Ewigkeit und Zeit». Die Ewigkeit drückt sich in der Zeit aus, in dem Augenblick. So wie der Stern in der Blume, wie der Geist in seinen vielen Kleidern, wie die Liebe sich im Leid ausdrückt. Zeit und Ewigkeit.
Das ist das Sinnbild, scheint mir, in dem wir die vielen Widersinne unseres Lebens versöhnen und dankbar zusammenfassen ‒ das Kreuz.
«Was kann uns da trösten?» ‒
in der Dunkelheit der Nacht, im Winter. Was tröstet uns? Meine Antwort, das können Sie wahrscheinlich schon voraussehen, wenn Sie meine Bücher kennen, ist:
«Was uns tröstet, das ist die Dankbarkeit.»
Dankbarkeit ist immer die große Antwort, der große Trost.
Eichendorff betitelte eines seiner Gedichte «Dank».
Es ist ein Lebensabendgedicht. Er schreibt:
«Mein Gott, dir sag ich Dank,
Dass du die Jugend mir bis über alle Wipfel
In Morgenrot getaucht und Klang ...
Und auf des Lebens Gipfel,
bevor der Tag geendet,
Vom Herzen unbewacht
Den falschen Glanz gewendet,
Dass ich nicht taumle ruhmgeblendet,
Da nun herein die Nacht
Dunkelt in ernster Pracht.»
Schon die Musik dieses Gedichtes ist unglaublich schön.
«Da nun herein die Nacht dunkelt in ernster Pracht.»
Dunkel und ernst kommt die Nacht, sie «dunkelt in ernster Pracht».
Ich verstehe das Wort Dunkelheit in bewusstem Kontrast zu «Finsternis».
Die Finsternis droht, die Dunkelheit aber versöhnt.
Die Finsternis ist etwas Bedrohliches, nicht aber die Dunkelheit.
«Du Dunkelheit, aus der ich stamme,
ich liebe dich mehr als die Flamme,
welche die Welt begrenzt,
indem sie glänzt
für irgend einen Kreis,
aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.
Aber die Dunkelheit hält alles an sich:
Gestalten und Flammen, Tiere und mich,
wie sie's errafft,
Menschen und Mächte ‒
Und es kann sein: eine große Kraft
rührt sich in meiner Nachbarschaft.
Ich glaube an Nächte.»
Wenn wir uns auf diese große Nacht verlassen, die alles an sich hält, wenn wir vertrauend uns auf diese Nacht einlassen, dann finden wir darin Trost. Sehr tiefen Trost.
Aber zur Nacht gehört beides: Dunkelheit und Stille.
Und auch zur Dankbarkeit gehört beides: im Jetzt sein ... alles umfassend ... und still sein.
Niemanden ausgrenzen und ganz still werden.
Auch das letzte Gedicht von Rilke, das ich wiedergeben möchte, ist aus dem Stundenbuch:
«Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen ‒ :
Dann könnte ich in einem tausendfachen Gedanken
bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.»[5]
Das ist der Segen, die Gnade. Das ist die Gnade, die durch unser Leben fließt, die in uns ständig einfließt, in jedem Augenblick: jetzt ... jetzt ... jetzt. Und die erst ganz völlig zu sich kommt, wenn wir sie verschenken «wie einen Dank».
Nach einer Reise ins Heilige Land erinnert man sich nachher ganz besonders an den See Genezareth, der voller Fische ist, umgeben von wunderbaren Bäumen und Gärten. Alles blüht, alles ist lebendig. Der Fluss Jordan kommt vom Libanon herunter und er füllt diesen See und alles, was darum ist, mit Leben an. Das ist der Fluss der Gnade sozusagen. Der Jordan fließt dann weiter in das Tote Meer. Nun ist rundherum alles Wüste, es gibt keine Fische mehr, alles ist tot. Und man fragt sich: Es ist doch dasselbe Wasser. Was macht den Unterschied?
Der Unterschied ist, dass der See Genezareth das lebende Wasser aufnimmt und weitergibt. Im Toten Meer aber bleibt es. Wenn wir die Gnade aufnehmen und weiterschenken, wenn wir «sie besitzen nur ein Lächeln lang», um sie dann «an alles Leben zu verschenken wie einen Dank», dann leben wir wirklich. Wenn wir das, was uns geschenkt ist, halten, dann verdirbt es und versauert es.
Mit all dieser Betonung auf das Jetzt ‒ es gibt keine Zufälle ‒ habe ich gestern Abend hier eine Uhr als Geschenk bekommen. Der große Künstler, der diese Uhr entworfen hat, gestaltete drei Modelle.
Beim ersten Modell ist das Ziffernblatt weiß, da steht nichts drauf als «jetzt». Also ich glaube, diese Uhr macht nicht Tick-Tack, sondern die macht
«Jetzt ‒ Jetzt ‒ Jetzt ‒ Jetzt.»
So eine Uhr brauchen wir.[6]
Das zweite Modell sagt es auf Englisch: «now». Und dieses Modell hier sagt: «Lukas 17,21». Das ist die Stelle, in der Jesus sagt:
«Das Reich Gottes ist jetzt schon unter euch.»
Das Jetzt ist es, welches die großen Fragen beantwortet, die uns bewegen. Und wenn wir uns auf dieses Jetzt einlassen, dann ist das Reich Gottes jetzt unter uns.
[Und ich mag mich nicht bewahren (2012): Vom Älterwerden und Reifen, 22-38; der Text ist die von Klaus Gasperi überarbeitete Fassung des Vortrages von Bruder David in der Propstei St. Gerold im September 2005 im Audio Fragen, die uns bewegen (2005) (20:48-42:38)]
[Ergänzend:
1. Obiger Text und Vortrag ist die Fortsetzung des Textes / Vortrags in Fragen des Lebens
2. «Der Mensch stirbt nicht am Tod, sondern an ausgereifter Liebe.» (Otto Mauer):
Filminterview Was am Ende wirklich zählt (2022); siehe auch Transkription, 8; Sterben und Tod: Ergänzung: 1:
«Wenn ich Liebe sage, meine ich das gelebte Ja zur Zugehörigkeit und wenn man genau hinschaut, sieht man, dass sich das eigentlich ‒ so wie eine Definition ‒ auf alle Formen der Liebe anwenden lässt.
Es ist das gelebte Ja zur Zugehörigkeit. Wenn wir das üben ‒ das ist natürlich das Entscheidende am ganzen Leben ‒ die Liebe ist das Entscheidende.
Ein großer Denker ‒ Otto Mauer ‒, ein Wiener Priester, Mitte des 20. Jh., hat das wunderschön ausgedrückt:
‹Der Mensch stirbt nicht am Tod, sondern an ausgereifter Liebe›.
Also das ist die Aufgabe des ganzen Lebens: die Liebe ausreifen zu lassen.»
Fragen, denen wir uns stellen müssen (2016):
Tag 4 ‒ Nachmittag:
‹Memento mori› ‒ ‹Memento vivere›:
(16:02) ‹Der Mensch stirbt nicht am Tod, sondern an ausgereifter Liebe› wie Otto Mauer Thornton Wilders Roman ‹Die Brücke von San Luis Rey› zusammenfasst
(45:48) Gespräch: Was, wenn die Liebe nicht ausgereift ist? Reinkarnation und Fegefeuer
3. Das Reifen Gottes in uns:
Arbeit und Schweigen ‒ Handeln und Kontemplation (1989), 294f., 300f.; siehe auch Kontemplation im Handeln: Ergänzend: 5.:
«Gott vollendet sich nicht ohne unser Zutun. Gott vollendet sich aber auch trotz unseres Versagens. … Und Gott ist immer noch größer. Wir bauen an Gott, wir bauen am Bild Gottes, und dieses Bauen ist Kontemplation.»
Rilke vergleicht das Bauen und die Arbeit, wenn sie wirklich verwurzelt sind im Schauen und Schweigen, mit einem unterirdischen Fluss, der in die Tiefen greift.
Nur aus den Tiefen des Schweigens schwemmt eine Arbeit, die Gebet ist, Gold zutage. Darum betet der Dichter:
‹Daraus, daß Einer dich einmal gewollt hat,
weiß ich, daß wir dich wollen dürfen.
Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:
wenn ein Gebirge Gold hat
und keiner mehr es ergraben mag,
trägt es einmal der Fluß zutag,
der in die Stille der Steine greift,
der vollen.
Auch wenn wir nicht wollen:
G o t t r e i f t.›
(Rilke, Das Stunden-Buch)»
4. Die Begegnung mit der Wirklichkeit:
Musik der Stille (2023), 27; siehe auch: Jetzt im Stundengebet: Ergänzend: 2. ‹Die Tagzeiten›; Altern: Ergänzend: 3.: ‹Wirklich werden›:
«Warum haben wir Angst, im Jetzt zu leben? Wir fürchten uns, wirklich zu werden, genau wie die Spielsachen im Kinderbuch ‹Der Plüschhase›[7]. Sie wollen alle wirklich werden ‒ das ist der größte Traum der Spielsachen. Zugleich fürchten sie sich davor, und deshalb fragen sie ein erfahreneres Spielzeug:
‹Tut Wirklichwerden weh?›
Das ist dieselbe Angst, die wir haben. Tut die Begegnung mit der Wirklichkeit weh? Das alte Spielzeug gibt weise zur Antwort:
‹Wenn du wirklich bist, macht es dir nichts aus, dass es weh tut.›»
5. Die Begegnung mit allem Widersprüchlichen:
Kreuz ‒ Sinnbild und Sinnorgan Herz
6. Gnade ‒ Segen ‒ Blessing ‒ Blutstrom:
Credo ‒ ein Glaube, der alle verbindet (2010)
David Steindl-Rast in der Evangelischen Ludwigskirche, Freiburg (DE)
Fragerunde in folgende Themen zusammengefasst:
(05:29) Gnade im Bild des Flusses Jordan / (07:18) Gnade – Segen – Blutstrom / (08:24) Empfangen – weiterschenken – die Stille / (09:13) ‹Wenn es nur einmal so ganz stille wäre› (Rilke)
7. Das Reich Gottes ist jetzt unter uns:
Löwe, Lamm und Kind (1992)
Vortrag:
(40:25) ‹Hier ist das Friedensreich schon da›: Bruder David schließt mit einem Erlebnis aus der chassidischen Tradition:
«Das Bild des Messias strahlte in einer anderen solchen Gnadenstunde auf, als sich Vertreter vieler Religionen 1972 auf Mount Saviour[8] trafen. … Ich weiß nicht mehr, ob es Reb Shlomo Carlebach war oder Reb Zalman Schachter, der bei unserem letzten gemeinsamen Abendessen eine chassidische Geschichte erzählte, die uns zu Herzen ging, weil sie von dem sprach, was unter uns Wirklichkeit geworden war: ‹Der gelehrte Rabbiner und seine Schüler waren beisammen und so glühend war die Liebe unter ihnen, dass der Meister einen von ihnen zum Fenster schickte: ‹Schnell, schau hinaus, ob der Messias nicht gekommen ist!› Enttäuscht kam die Antwort: ‹Alles da draußen wie eh und je.› ‹Aber Rabbi›, fragte ein anderer Schüler, ‹müssten wir hinausschauen, wenn der Messias gekommen wäre? Würden wir es nicht hier herinnen gleich wissen?› ‹Ja! Aber hier›, sagte der Meister strahlend, ‹hier ist der Messias ja gekommen!›»[9]]
_________________________
[1] Joseph von Eichendorff: ‹Der Umkehrende›, 3.
[2] Bruder David bezieht sich auf die erste Strophe des Gedichtes ‹Der Pilger› in Fragen des Lebens
[3] Der Ausdruck nunc stans findet sich erstmals bei Thomas von Aquin (1225-1274). Er hat eine lange Vorgeschichte, beginnend mit Platon (428-348 v. Chr.) und weiterführenden Beiträgen von Plotin (205-270), Augustinus (354-430), Boethius (ca. 480-524) und späteren Denkern zum Thema ‹Zeit und Ewigkeit›; siehe auch Jetzt und ewiges Leben: Anm. 8
[4] Mit diesem Gedicht enden die ‹Blätter aus dem Tagebuch der Ahnfrau›, die Fortsetzung des Märchens ‹Gockel, Hinkel und Gackeleia›. In den heutigen Ausgaben trägt das Gedicht die Überschrift ‹Eingang›; das Gedicht in Kreuz ‒ Sinnbild und Einsichten aus Rilkes Dichtung, Teil II (2014), 121-123
[5] R. M. Rilke: ‹Wenn es doch nur einmal so ganz stille wäre› (Das Stunden-Buch) ‒ Siehe auch Stille leben und Stop ‒ Look ‒ Go
[6] «Angesprochen auf das Ende aller Dinge, auch auf sein eigenes, benutzt Steindl-Rast gerne das bekannte Bild einer tickenden Uhr. Diese mache allerdings für ihn nicht Tick-Tack, sondern ‹Jetzt-Jetzt-Jetzt-Jetzt.›» [Der Zen-Christ: David Steindl-Rast im Portrait (2012)]; siehe auch Jetzt in diesem Augenblick: Ergänzend: 2.1.
[7] Siehe auch in Das Vaterunser (2022), 106, und Erlösende Kraft, Anm. 4:
«In dem klassischen Kinderbuch von Margery Williams ‹The Velveteen Rabbit›, erschienen 1922, das es als ‹Der Samthase› auch auf Deutsch gibt, reden bei Nacht die Puppen und Teddybären über ihren sehnlichsten Wunsch: wirklich zu werden. ‹Tut Wirklichwerden weh?›, fragen sie das alte, erfahrene Schaukelpferd. Das aber weiß: Einem, der wirklich wird, macht es nichts aus, dass das wehtut.»
[8] Bruder David trat 1953 in das kurz zuvor neu gegründete Benediktinerkloster Mount Saviour in Elmira, NY, ein.
[9] Ich bin durch Dich so ich (2016), 98; siehe auch Reich Gottes: Ergänzend: 1.2. und Reich Gottes ‒ ‹auferstanden›: Ergänzend: 2.