Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

kreuz b kraehmer titelCopyright © - Barbara Krähmer

Streng genommen kann es keinen äußeren Beweis für die Auferstehung geben, nur Indizien wie etwa das Zeugnis der ersten Christen oder das oben erwähnte Grabtuch von Turin.[1] Für ein Ereignis, das sich am Grat zwischen Zeit und Ewigkeit abspielt, kann es nur innere Beweise geben.

Wir wissen hier in der Zeit um etwas, was über die Zeit hinausgeht.

Das Leben des Auferstandenen gehört der Ewigkeit an, dem Jetzt, das alles Vorher und Nachher einschließt.

Jesus Christus ist «in Gott verborgen» (Kol 3,3).

Sein Leben ist in Gott aufgehoben, und zwar in dreifachem Sinn: in der Zeit ist es gelöscht; jenseits der Zeit ist es unzerstörbar bewahrt; zugleich ist es in Gottes Gegenwart hinein überhöht, so dass es im Geist der Liebe die ganze Welt durchwirkt.

Was man einen inneren Beweis nennen könnte, sieht so aus: Zu wissen, wofür Jesus lebte und sein Leben hingab, bedeutet, Gottes Weisheit und Macht darin zu erkennen.

Diese Weisheit ist aber nach weltlichem Ermessen Torheit, diese Macht Schwachheit. In der Sprache Martin Luthers:

«Die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind; und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind» (1 Kor 1,25).

Gottes Autorität lässt sich aber nicht auf immer ignorieren. Es ist ja die Autorität der Liebe, um die es hier geht, und wir wissen im Innersten, dass dies die letztgültige Autorität ist.

Früher oder später ‒ am dritten Tag ‒ muss es sich erweisen: Liebe ist stärker als der Tod.

Wir wissen das in unserem Herzen, schon bevor das Zeugnis der Jünger von der Auferstehung es uns von außen her bestätigt.

Wie weit die Auferstehungstexte der Evangelien geschichtliche Berichte sein mögen, wie weit Bildersprache für etwas Unbegreifliches, ist diskutabel. Eines wissen wir jedenfalls:

Die Jünger erlebten das, was sie seine Auferstehung nannten als ein Ereignis, das ihr Leben von Grund auf veränderte.

Durch den Tod Jesu zerschmettert und mutlos gemacht, setzen sie sich kurze Zeit später (vielleicht nicht genau ‹am dritten Tag›) unbeirrt für die Ideale Jesu ein. Sie stehen vor den Obrigkeiten, die ihn zum Tod verurteilt hatten und sagen unerschrocken, ja, fast tolldreist:

«Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Der Gott unserer Väter hat Jesus, den ihr ans Kreuz gehängt und umgebracht habt, auferweckt. ... Und wir sind Zeugen dieser Ereignisse» (vgl: Apg 29-32).

Auch wenn das in diesen Worten erst am Ende des 1. Jahrhunderts niedergeschrieben wurde, haben wir mit dem ersten Thessalonicherbrief schon aus dem Jahre 50 oder 51 ein schriftliches Zeugnis, das beweist, dass dieser psychologisch schwer erklärliche Umschwung kurz nach Jesu Tod stattgefunden haben muss.

Stellen wir uns einmal vor, dass ein Wissen um die äußeren Umstände, die den Glauben der Jünger an die Auferstehung und ihre darauf gründende Begeisterung auslösten, uns grundsätzlich versagt wäre. Würde uns das die Möglichkeit nehmen zu leben, wie Jesus lebte, ermächtigt von demselben Geist, der ihm Macht gab?

Wenn wir so lebten ‒ aus unserem Christus-Selbst heraus, dann könnte unser eigenes Lebenszeugnis ja als eine Art Beweis für sein Leben gelten ‒ hier und jetzt ‒ seinem Tod zum Trotz.[2]

Unsere polarisierte Welt fordert uns alle heraus, Brücken zu bauen statt Mauern. Für uns Christen wäre das zugleich ein Brückenschlagen auf die Kirche der Zukunft hin. Ein Blick auf Jesu Tod und Auferstehung kann uns das nahebringen.

Um die Gottesherrschaft mitten unter uns (Lk 17,21) aufzurichten, zog Jesus durch Galiläa und organisierte eine von der römischen Besatzungsmacht unterdrückte und ausgebeutete Unterschicht zur Selbsthilfe.

Er sandte auch Mitarbeiter aus (Lk 10,1), um das Reich Gottes ganz gezielt im Gegensatz zur Machtpyramide Roms als Vernetzung kleiner Netzwerke aufzubauen.

Trotz aller Gegensätze zwischen Kaiphas und Pilatus, saßen beide an der Spitze der Pyramide, die Jesus zu erschüttern drohte, wenn er sagte:

«Der Größte von euch soll euer Diener sein» (Mt 23,11).[3]

Die Gewalthaber machten also gemeinsame Sache und «eliminierten» den Revolutionär.

Jesus wurde als politischer Verbrecher hingerichtet. Die Kreuzesstrafe war ausschließlich Aufrührern und davongelaufenen Sklaven vorbehalten. Ihr Verbrechen: Sie unterminierten die Grundlage der römischen Machtpyramide. Und genau das hatte Jesus sich zuschulden kommen lassen.

Ein Jude verstand sich mit Gott durch seine Zugehörigkeit zum auserwählten Volk verbunden.

Da die höchste religiöse Autorität seines Volkes Jesus ausgestoßen hatte, mussten seine Jünger annehmen, dass er auch von Gott verdammt war.[4]

Aber das Umwerfende der Osterbotschaft war: Gott hat Jesus auferweckt und so das Herzstück seines Wirkens, die Aufrichtung der Gottesherrschaft gerechtfertigt.

Das sendet die Apostel als Zeugen für das Reich Gottes in alle Welt.

Ein Schlüsselwort der Auferstehungsbotschaft ist:

«Fürchtet euch nicht!» (Mk 16,6).

Auf Furcht setzt das Grundmodell der vorherrschenden Weltordnung: die Machtpyramide.

Bei Johannes heißt sie darum einfach «die Welt» – nicht die Welt, die Gott so sehr geliebt, sondern die Welt, die ihn nicht erkannt hat.

Von ihr sagt Jesus Christus:

«In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden» (Joh 16,33).

Auch für uns gilt:

«Dies ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube» (1 Joh 5,4).

Der Auferstandene siegt durch gläubiges Vertrauen auf Gott über alle Furcht der Welt.

Furcht müssen wir dabei freilich von Angst unterscheiden. Angst ist unvermeidlich. Sie ist die Enge, in die uns das Leben immer wieder führt. Furcht sträubt sich und bleibt in der Angst stecken.

Der Glaube geht voll Vertrauen weiter und auch die engste Passage führt zu einer neuen Geburt.

Jesus selbst schwitzt Blut vor Todesangst (Lk 22,44), furchtlos aber vertraut er dem Vater und wird so zum «Erstgeborenen von den Toten» (Offb 1,5).

Furcht baut Mauern,
Vertrauen baut Brücken.

Beides ‒ und das ist die Tragik der Kirchengeschichte ‒ finden wir innerhalb der einen Kirche. Sie wurzelt in der Predigt Jesus vom Reich Gottes, verweltlicht aber zur Machtpyramide und baut Mauern von Furcht, Ausgrenzung und Habsucht.[5]

Eine katastrophale Entwicklung war es, dass die Kirche schon bald von der Netzwerkstruktur des «Reiches Gottes» auf die der Machtpyramide Roms zurückfiel. In ihr aber sprangen immer wieder Gruppen auf, die das ursprüngliche Ideal verwirklichten.

Ein Beispiel sind die ersten Jünger des heiligen Franziskus. Und jede Klostergemeinschaft ist ein Versuch «Reich Gottes» zu leben.

Überall in der Welt entstehen heute Gruppen, die oft vom «Reich Gottes» keine Ahnung haben, aber es doch verwirklichen, indem sie sich vom «Ich-Denken» zum «Wir-Denken» bekehren und für ihr Gemeinschaftsleben von der Natur lernen.

Ihre Ehrfurcht vor der Natur ist, ob sie es wissen oder nicht, Ehrfurcht vor Gott, der uns im innersten Mysterium der Natur begegnet.

Noch ist Zeit, diese kleinen Netzwerke zu einem weltumspannenden Netzwerk des «Wir-Denkens» zu verweben.

Wenn uns das gelingt, dann kann die ganze Menschheitsfamilie ein gemeinsames Alleluja singen.[6]

(Die Quellenangaben zum obigen Text in Anm. 2, 5f.)

[Ergänzend:

1. Kreuz und Auferstehung

2. Löwe Lamm und Kind (1992);
Vortrag:
[7]
(37:15) «Wir können nicht genau sagen, worin sich die Auferstehung historisch ausgedrückt hat, wir wissen es nicht: war es das leere Grab, waren es Erscheinungen ‒ nichts davon ist letztlich zwingend, selbst wenn wir es historisch ganz genau festnageln könnten. Das Entscheidende daran ist, dass seine Jünger, die ihn verlassen haben, nach seinem Tod klar sehen: Er ist wirklich gestorben, er ist wirklich tot und siehe: Er lebt.

Und das wird auch wieder in dem Bild des Lammes ausgedrückt, das Lamm, das die Todeswunde trägt in der Apokalypse und doch lebendig ist.

Oder wie es in dem Osterhymnus heißt: ‹Agnus redemit oves›: ‹Das Lamm, das Opferlamm hat die Schafe erlöst.› Und zwar, weil er für uns und für unsere Entfremdung gestorben ist:

In der Art von Welt, die wir aufgebaut haben, muss jemand, der so lebt wie Jesus dafür sterben: Das ist das letzte Wort über die Autoritätskrise ‒, aber nur das vorletzte Wort, denn das letzte Wort ist das Wort von der Auferstehung:

Dieses Leben lässt sich nicht auslöschen.

Und das haben seine Jünger gesehen und das ist das Entscheidende an der Auferstehung und darum können wir uns nicht entschuldigen:

Wenn irgendjemand von uns einen einzigen Menschen kennengelernt hat im Leben, der aus dieser Lebenskraft Jesu lebt, dann haben wir die Auferstehung erlebt.

Und dann ist das eine Herausforderung für uns: Für das Reich Gottes ‒ so kann man leben ‒, aus dieser Erfahrung der Zugehörigkeit kann man ein befreites Leben, ein erlöstes Leben leben, ein Leben des Zusammenwohnens von Löwe und Lamm, ein Leben, in dem alle eine Gemeinschaft teilen können.

Und das ist der Sieg des Löwen aus dem Stamme Juda, von dem es in Jesaja heißt (Jes 9,5): ‹Ein Sohn ist uns geboren, ein Kind ist uns geschenkt› und seine Namen zeigen das schon an:

‹Wunderbarer Ratgeber›: Einen solchen Sieg, einen Sieg, der aus der Schwachheit des Lammes entspringt, einen Sieg, der durch den Tod des Siegers errungen wird, das ist wunderbarer Rat, den hätten wir nie erfinden können.

Er heißt: ‹Wunderbarer Ratgeber›, ‹starker Gott›: Die Schwäche Gottes ist stärker als unsere Kraft.

‹Vater der Zukunft›: Nur darin liegt Zukunft überhaupt. Nur in diesem Zusammenbringen von Demut und Glorie, in diesem Sieg des Löwen und des Lammes liegt die Zukunft.

Und ‹Fürst des Friedens›. Aber eines Friedens, wie ihn die Welt nicht gibt.

Ich darf vielleicht mit einem Erlebnis abschließen, das immer wieder mich daran erinnert, es hat sich schon vor vielen Jahren ereignet, dass dieses Friedensreich, in dem das Kind Lamm und Löwe zur Weide führt, ja nicht erst am Ende der Zeiten sich ereignen wird, sondern jetzt schon unter uns aufbricht. ‹Das Himmelreich ist mitten unter uns› (Lk 17,21), wie Jesus sagt.

Und zwar war ich da auf einer Tagung, bei der Vertreter der verschiedenen Religionen teilnahmen: verschiedene Gruppen von Christen, Buddhisten, Hindus, Muslimen, Sufis, Juden, und einer der jüdischen Rabbis steht auf und erzählt aus der chassidischen Tradition ‒ das war ein wunderbares Erlebnis ‒ folgende Geschichte und der Rahmen gibt dem Ganzen erst das Gewicht:

Einer unserer großen Meister hat mit seinen Jüngern gemeinsam den Sabbat gefeiert und die Begeisterung und das Zusammensein hat einen solchen Gipfel erreicht, dass der Lehrer plötzlich einen der Schüler wegschickt und sagt: ‹Geh schnell zum Fenster und schau, ob der Messias nicht schon gekommen ist, das Friedensreich nicht schon angebrochen ist›. Und der Schüler geht zum Fenster und schaut hinaus, und draußen geht alles so vor sich wie bisher, man kauft und verkauft … Dann kommt er zurück und sagt: ‹Leider keine Rede vom Kommen des Messias›. Und da sagt ein anderer zu dem Meister: ‹Aber Rabbi, wenn der Messias wirklich gekommen wäre, müssten wir dann zum Fenster hinausschauen? Würden wir es nicht gleich hier bemerken›? Worauf der Rabbi sagt: ‹Aber hier ist er ja schon gekommen.›»[8]

3. Retreat-Woche in Assisi (1989)
‹Nur die dichterische Sprache ist tragfähig genug, um so viel Wahrheit zu tragen›: Das Glaubensbekenntnis im Licht der großen Menschheitsmythen:
(40:55) ‹Warum sucht ihr den Lebenden bei den Toten›? (Lk 24,5) ‒ ‹Wenn es sich hier davon handelt, von dem zu erzählen, der das Leben ist und der uns die Antwort darauf gibt, was Leben heißt, ist die einzige Form, die sich dafür anbietet, der Mythos vom Helden.›

(44:05) Vergleich mit der früheren Deutung der Auferstehung: ‹Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott› (Kol 3,3)]

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[1] Im Credo (2015), 133-137 und 152f. im Zusammenhang mit der Frage: ‹Wurde Jesus begraben? und: ‹welche äußeren Ereignisse könnten den Auferstehungsglauben der Jünger ausgelöst ‒ nicht bewirkt! ‒ haben?› gibt Bruder David einen Überblick zu den Forschungsergebnissen in Bezug auf auf das Sindon, das Grabtuch von Turin, wie auch auf das Sudarium (= Schweisstuch) von Oviedo, und bemerkt: ‹Zwingende Beweise, dass Sudarium und Sindon zusammengehören, werden sich kaum erbringen lassen, auch nicht der Nachweis, dass das Sindon das Grabtuch Jesu ist …›.

[2] Credo (2015), 151f. und 154

[3] Siehe auch Mk 10, 42-44; Lk 22,25f.

[4] Ausführlich in Reich Gottes ‒ ‹gekreuzigt›: Ergänzend: 1. (Text), 3.1.-3.2. (Audios) und Anm. 6: Verweis auf Galaterbrief 3,13 und 5 Mose 21,23

[5] Brücken statt Mauern (2017)

[6] Osterbrief 2023

[7] siehe auch die Transkription des Vortrags (25:21-36:05) in Jesus zu Beginn des Textes mit Quellenangabe in Anm. 5

[8] Siehe auch den Bericht von Bruder David im Buch Ich bin durch Dich so ich (2016), 98, in Reich Gottes: Ergänzend: 1.2. (Audio)



Quellenangaben

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