Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

kreuz b kraehmer titelCopyright © - Barbara Krähmer

Die heutige Bibelforschung ist von dem Ehrgeiz abgekommen, eine detaillierte Biographie von Jesus erstellen zu wollen. Die verfügbaren Daten reichen einfach nicht aus. Doch wir können etwas viel Wichtigeres erreichen. Wir können recht zuverlässig rekonstruieren, was für ein Mensch Jesus war. Es gibt heute ein sehr großes Interesse an der Person des vorchristlichen Jesus. Das Bild, das dabei zum Vorschein kommt, zeigt uns Jesus als einen Pionier des menschlichen Bewusstseins, und dies genau an der Grenze der Mystik.

Die von Jesus ausgehende Wirkung kann als eine neue Phase in der menschlichen «Gotteserforschung» verstanden werden.

Zudem stehen und fallen das Werk seines Lebens und seine Lehre mit der Mystik. Sie hängen beide an der «Erfahrung der gemeinschaftlichen Verbundenheit mit Gott» ‒ Jesu eigener Verbundenheit und der der Menschen, an die diese Botschaft gerichtet ist.

Wir können in dieses Thema einsteigen, indem wir zwei grundlegende Fragen über Jesus stellen, den vorchristlichen Jesus. Was lehrte er eigentlich? Und wie lehrte er?

Lassen Sie mich die beiden Antworten vorwegnehmen (die Gelehrten sind sich in diesen beiden Punkten praktisch einig). Der Kern der Botschaft Jesu ist die Verkündigung des Reiches Gottes, und seine charakteristische Lehrmethode besteht im Erzählen von Gleichnissen.

Wir müssen nun den Inhalt dieser beiden gedrängten Antworten auseinandernehmen, um festzustellen, welchen Weg Jesus bei der Überschreitung der Grenzen des Bewusstseins vorzeichnete und so anderen die Möglichkeit gab ihm zu folgen.

Im Markusevangelium, dem frühesten der vier Evangelien, finden wir eine Zusammenfassung der Lehre Jesu (1,15). Markus fasst sie in einem einzigen Vers zusammen, so dass man unzweifelhaft das Wesentliche erkennt:

«Jesus … kam … und predigte die frohe Botschaft Gottes. Er sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes hat sich genaht. Kehrt um und glaubt an die frohe Botschaft!»

«Die Zeit ist erfüllt»
das bedeutet «Jetzt.»

Wartet nicht auf etwas anderes, der Augenblick ist jetzt gekommen.

«Das Reich Gottes hat sich genaht»«Hat sich genaht» bedeutet

«Hier, an diesem Ort.»

Hier und Jetzt geben den Rahmen für die Verkündigung ab.

Jetzt ist der Zeitpunkt, hier ist der Ort.

Schaut nicht woanders hin, wartet nicht auf einen anderen Augenblick.

Und nun heißt es:

«Kehrt um und glaubt an die frohe Botschaft.»

Das Wort, das Markus für Umkehr verwendet, bedeutet eine grundlegende innere Wandlung. Es bedeutet eine völlige Umkehrung unserer gewohnten Denk- und Lebensweise.

Was bedeutet dann «Reich Gottes», das eine solche welterschütternde Reaktion rechtfertigt?

Die Antwort auf diese Frage führt uns geradewegs zurück in die Mystik und hilft uns zu verstehen, wie Jesus die Grenzen des Bewusstseins erweiterte.

Die Bibelwissenschaft ist sich heute weitgehend einig über die Bedeutung des Begriffs «Reich Gottes» in der Botschaft von Jesus. «Reich Gottes» bedeutet nicht einen Ort oder ein Reich wie etwa das britische Weltreich. Es bedeutet auch nicht eine Gemeinschaft ‒ die Gemeinschaft all derer, für die Christus der König ist. Und es bedeutet auch nicht die Herrschaft oder Macht Gottes in einem abstrakten Sinn.

Im Gegenteil, der Begriff «Reich Gottes» bezieht sich auf die unmittelbar erfahrbare Realität.

«Reich Gottes» bedeutet für Jesus Gottes manifest gewordene erlösende Kraft.

Wenn wir den Begriff «Reich Gottes» in der Botschaft Jesu als «Gottes manifest gewordene erlösende Kraft» auffassen, dann können wir sofort erkennen, wie relevant er für unser Thema christliche Mystik ist.

Wann erfahren wir ‒ in unserem eigenen Erleben ‒ Gottes «Macht» oder «erlösende Kraft»?

Verstehen wir diese Begriffe richtig, dann muss die Antwort lauten: in unseren lebendigen Augenblicken, in jenen mystischen Augenblicken, über die wir bereits gesprochen haben.

Wie können wir Begriffe wie «Gottes Macht» oder «Erlösung» mit unserer heutigen Zeit in Verbindung bringen?

Wir könnten es vorziehen, den Begriff Gott zu vermeiden. Führt man diesen Begriff ein, so stiftet man heute vielfach Verwirrung. Auf der anderen Seite aber verwenden wir hier Begriffe der christlichen Tradition, der jüdischen Tradition. Deswegen müssen wir auch versuchen, die Terminologie dieser Tradition zu verstehen.

Wann machen wir heute Erfahrungen, die denen der erlösenden Kraft Gottes gleichkämen?

Ich meine, wir machen sie in jenen Augenblicken, in denen wir von Empfindungen der Lebendigkeit überwältigt werden. Denken Sie an die Beispiele von Eugene O'Neill[1] und Mary Austin[2], die ich Ihnen vorgelesen habe. In ihnen werden Augenblicke beschrieben, in denen Menschen von etwas übermannt wurden, das stärker war als sie.

Und auch wir wissen, wenn wir uns an ähnliche Augenblicke erinnern, dass wir über die Grenzen unseres normalen Bewusstseins durch eine Kraft, eine erlösende Kraft hinausgetragen wurden.

Führen Sie es sich wieder vor Augen. Es ist das Gefühl, aus einem Käfig herausgelassen zu werden. Eine über uns stehende Macht befreit uns, rettet uns vor dem Ertrinken.

In unseren mystischen Erlebnissen werden wir plötzlich von der Entfremdung erlöst. Wir sind zu Hause, wir sind keine Waisenkinder, keine Ausgestoßenen. Wir gehören zum Ganzen dazu. So erfahren wir in unseren größten Augenblicken das «Reich Gottes».

Wir gehen aufrechter, sobald wir diese Erfahrung gemacht haben. Wir sind in einem viel wahreren Sinn wir selbst, sobald diese erlösende Kraft in unserer Erfahrung manifest geworden ist. Das allein ist schon eine Bekehrung, eine Wandlung, eine neue Denkweise, durch die das bisherige Denken auf den Kopf gestellt wird. Die meiste Zeit leben wir, als ob wir entfremdet wären, aber nun wissen wir, dass wir dazugehören.

Diese Manifestation erlösender Kraft verlangt nach weiterer Bekehrung.

Wenn wir in jedem Augenblick unseres Alltagslebens das ausleben könnten, was wir erfahren, wessen wir uns in unseren mystischen Augenblicken bewusstwerden, dann wäre dies Bekehrung. Das Leben, das aus einer solchen Kraft heraus gelebt wird, würde die Welt vollkommen verändern.

Auf der Grundlage dieser Erfahrung können Sie Jesus als Person verstehen. Er hat eine enge Verbindung mit Gott erfahren, ihm wurde Gottes erlösende Kraft zuteil.

Sie können jetzt verstehen, wie er umherzieht und jedem erzählt:

«Habt ihr das nicht erfahren? Dieses Reich Gottes, diese Offenbarung von Gottes erlösender Kraft, ist hier und jetzt Wirklichkeit. Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Vertraut auf dieses Bewusstsein, das ist alles, was ihr zu tun braucht. Vor allen Dingen aber lebt danach, das ist Bekehrung.»

Diese frohe Botschaft ist aber zu froh, um wahr zu sein. Aus diesem Grund leben wir nicht in ihrem Sinn. Wir leben auch nicht im Sinn unserer größten Erfahrungen. Wir machen sie ‒ und eine Stunde später haben wir diese Empfindung der Lebendigkeit beinahe wieder vergessen. Wir unterdrücken sie wieder, zweifeln sie an. Vielleicht war sie nur Illusion. Unser mystisches Erlebnis kann einfach nicht wahr sein. Wir verdrängen es. Jesus aber sagt:

«Vergesst es nicht. Es ist Wirklichkeit. Lebt danach!»

Diese Botschaft kehrt im ganzen Neuen Testament in vielen Formen immer wieder. Aus diesem Grund spricht Jesus auch in Gleichnissen.

[Mystik an der Grenze der Bewusstseinsrevolution (1988), 184-186]

[Ergänzend:

1. Audios

1.1. TAO der Hoffnung (1994)
Den Frieden hinterfragen
Vortrag:
(25:35) ‹Jesus verlegt die Autorität Gottes in die Herzen seiner Hörer. Das ist das völlig Neue. Er kommt nicht wie ein Prophet, der sagt: ‹So spricht Gott der Herr› und Gottes Autorität steht hinter ihm ‒ auch so, aber nicht hauptsächlich. Er kommt nicht als ein großer Charismatiker, der sagt: ‹Ich habe alle Autorität in mir ‒ auch das zu einem gewissen Grade ‒ er strahlt Autorität aus, aber dort liegt nicht die Betonung. Die Betonung liegt ‒ wie man zum Beispiel aus seiner Lehrmethode zeigen kann, er lehrt in Gleichnissen: ‹Ihr wisst das doch schon›. ‒ ‹Wer von euch weiß das nicht schon›: so beginnen die Gleichnisse. Er nimmt an, dass jeder von seinen Zuhörern ‒ jeder ‒, nicht nur die Gelehrten ‒ er hat gar nicht so viele Gelehrte unter seinen Zuhörern ‒, das sind die Leute von der Straße, die Armen, die Ausgestoßenen sehr weitgehend, die Frauen, die Kinder, die völlig unberechtigt waren, ganze Berufsklassen, die rechtlos waren, die Kranken, die als Sünder angesehen wurden, denn warum wären sie sonst krank? ‒, alle die spricht er an und sagt zu ihnen: ‹Ihr wisst doch, worum es geht›!
‹Wer von euch weiß nicht, wie es geht, wenn man Saat aussät›? ‹Wer von euch weiß nicht, wie es geht, wenn man fischt›? ‒
‹Ah, das wisst ihr also ‒, dann wisst ihr auch alles, was nötig ist, um Gott zu verstehen von innen her›.
‹Wer von euch weiß nicht, wie Eltern ihre Kinder behandeln› (wenn sie’s richtig tun)? Und die Antwort ist: ‹Wir wissen das alle›! ‒ ‹Aha, ihr nennt doch Gott ‹Vater› ‒ wisst ihr dann nicht, wie Gott euch behandelt›? ‒ ‹Glaubt ihr wirklich an einen strengen Richter, wenn ihr Gott ‹Vater› nennt›: all dieses beinhaltet: Jesus verlegt die Autorität in die Herzen seiner Hörer.
Und das führt jetzt zu dieser Welle des Aufschwungs der Heilungen, der Sündenvergebung ‒ nicht dass Jesus herumgeht und sagt: ‹Ich vergebe dir deine Sünden›, kein einziges Mal ist das in der Bibel so beschrieben, er sagt nur: ‹Deine Sünden sind dir vergeben ‒ weißt du denn das nicht›? ‒ Sünde im Sinn von Trennung: ‹Was dich von Gott trennt, ist dir vergeben, bevor du es überhaupt je verursacht hast: So lieben dich Eltern: die Eltern halten das nicht gegen dich, der Vater, die Mutter hält das nicht gegen dich›!
Heilung: ‹Weißt du nicht? Dein Glaube hat dich geheilt›, nicht ‹Hokuspokus, jetzt bist du geheilt›. Und es heißt auch ausdrücklich: ‹In Nazareth, in seiner Heimatstadt zum Beispiel konnte er nicht viele Wunder wirken, weil der Glaube gefehlt hat› (Mt 13,58).
Das war also nicht seine Kraft, sondern der Glaube, den er geweckt hat Er hat sie auf ihre Füße gestellt. Immer wieder das Wunder: ‹Steh auf, du kannst auf deinen eigenen Füßen stehen› ‒und das ist wieder das erste Wunder, das die Apostel nach dem Tod und der Auferstehung Jesu wirken (Apg 3,6) ‒: ‹Steh auf! Im Namen Jesu, steh auf deinen eigenen Füßen›!
Das auf ‹seinen eigenen Füßen›, das ist die Autorität. So ermächtigt Jesus seine Hörer. Er verlegt die göttliche Autorität in ihr Herz und ermächtigt sie. Und das bringt ihn in Schwierigkeiten mit den Autoritäten.›

1.2. Audio Das Leid des Lebens zu Herzen nehmen (1992)
Erstes Seminar mit Bruder David im Rittersaal des Schlosses Goldegg:
(48:20) Die Kernaussagen des Johannesevangeliums drücken in theologischer Sprache und in anderer Perspektive dasselbe aus wie die Gleichnisse Jesu: ‹Die göttliche Autorität ist in dir›! Jesus setzt voraus, dass die göttliche Autorität in jedem seiner Zuhörer spricht, selbst in den Ausgestoßenen, selbst in den Sündern, in jedem Menschen.
‹Und das war nichts Neues, das war nur ein Durchbruch des Ältesten, so wie immer das Neuste der Durchbruch des Ältesten ist, auch heute›, denn schon in der ersten Seite der Bibel, im Schöpfungsmythos steht, dass wir Menschen ‒ Adam, der Mensch ‒ wir alle ‒ lebendig sind mit Gottes eigenem
Lebensatem: Wir leben mit Gottes eigenem Leben.›
Und Johannes, von dem man, wenn man das Johannesevangelium oberflächlich liest, den Eindruck bekommen könnte, dass er Jesus auf ein Postament hinaufstellt, das zu hoch für uns ist, und eine Kluft aufreißt zwischen uns und Jesus: Gerade Johannes sagt an der zentralen Stelle im Prolog: ‹Und allen jenen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden› (Joh 1,12), das heißt, genau das zu werden, was er nach dem Johannesevangelium ist: Sohn Gottes.

2. Weitere Texte

2.1. Credo (2023): ‹… und an Jesus Christus, SEINEN EINGEBORENEN SOHN›, 72-74:

«Die ganze Frohbotschaft Jesu ist samenhaft in dem einen Wort ‹Abba› enthalten, mit dem er Gott aus seiner mystischen Erfahrung heraus ‹Vater› nennt.

Alles, was er in Leben und Lehre vertritt, entspringt dieser innigen Beziehung zu Gott als ‹Vater›. Darum drückt auch ‹Sohn Gottes› besser als jeder andere Titel sein Verhältnis zu Gott aus ‒ und nicht nur zu Gott, sondern auch zu uns. Jesus Christus ist in diesem Sinn ‹der Erstgeborene von vielen Geschwistern› (Röm 8,29). Von Jesu innigem Verhältnis mit Gott her werden drei entscheidende Begriffe verständlich, die der christlichen Tradition ihr besonderes Gepräge geben: Frohbotschaft, Reich Gottes und Erlösung.

‒ Die Frohbotschaft fasst einfach das Gottesverständnis Jesu zusammen. Johannes spricht dies so aus: ‹Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm› (1 Joh 4,16). Weil aber Liebe das gelebte ‹Ja› zur Zugehörigkeit ist, hat das Bleiben in der Liebe umwälzende Folgen für alle Lebensbereiche. Eine Welt, in der wir alle ‹Ja› sagen zu gegenseitiger Wertschätzung und Verantwortung, muss anders aussehen als die Welt, die wir kennen. Liebe wird so zur Triebkraft für die gewaltfreie Revolution, die Jesus angestoßen hat und die das Reich Gottes zum Ziel hat.

‹Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünsche ich, es würde schon brennen› (Lk 12,49).

‒ Das Reich Gottes ist die Welt, insofern sie ‹in der Liebe bleibt›. In Anlehnung an den Dichter Gary Snyder[3] können wir vom ‹Gotteshaushalt› sprechen, weil Haushalt uns vielleicht vertrauenserweckender klingt als Reich. Der Dichter spricht vom Erdhaushalt (‹Earth Household›), aber für Tiere, Pflanzen und die ganze unbelebte Natur ist der Erdhaushalt ja zugleich Gottes Haushalt, weil sie völlig eingebettet leben in die Ordnung und den Frieden einer allumfassenden ‹Familie›. Nur wir Menschen schließen uns aus, wie der verlorene Sohn im Gleichnis Jesu; wir gehen von zuhause fort in die Fremde, die Entfremdung. Hier beginnt alles Elend der Welt. Wo immer aber Liebe herrscht statt Macht, da wird auch unter uns Menschen der Erdhaushalt zum Gotteshaushalt.

Erlösung ist Rückkehr aus der Entfremdung von uns selbst, aus der Entfremdung von Anderen und schließlich aus der Entfremdung von Gott. Sobald wir einsehen, dass wir ja nie aus Gottes Liebe herausfallen können, kommen wir ‹zu uns selbst›, wie der verlorene Sohn (Lk 15,17) ‒ zu unserem wahren Selbst ‒ das daheim ist im Haushalt Gottes als innig geliebtes Familienmitglied. Dann tanzt der Vater beim Freudenfest, das er dem einst verirrten Sohn bereitet hat. Im Johannesevangelium sagt Jesus:

‹Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben› (Joh 10,10).»

2.2. Wir leben vom ureigensten Leben Gottes (1972): Auszug aus dem Vortrag Jesus als Wort Gottes, abgedruckt in: Die Frage nach Jesus (1973), 61f.:

«Jesus kommt nun als der Menschensohn, als der Mensch, und sagt: Ihr seid gerettet. Weil einer es geschafft hat, seid ihr alle gerettet. Er kommt nicht, um uns zu sagen, was wir tun müssen, damit wir gerettet werden. Das wäre keine Frohe Botschaft. Es kamen ja schon viele, die uns sagten, was wir tun müssten, um gerettet zu werden, und wir konnten es doch nicht tun.

Das Neue, das mit Christus anbricht, fasst Markus (1,15) ganz klar zusammen: ‹Die Zeit ist erfüllt› (jetzt), ‹Das Reich Gottes ist herbeigekommen› (hier). Ihr seid also erlöst. ‹Tut Buße und glaubt die Botschaft›

Nun hängt alles daran, was wir darunter verstehen: ‹Tut Buße›! ‒ Es gibt eine weltliche Auffassung von Buße, und es gibt eine christliche Auffassung.

Buße tun heißt umdenken. Dass wir das mit ‹Buße tun› übersetzen, ist etwas gefährlich, etwas zu weltlich. Die weltliche Auffassung von Buße ist alt: Wir haben etwas falsch gemacht, und wir müssen es jetzt so schnell wie möglich gutmachen. Das Beste, was dabei herausschauen kann, ist Flickwerk, und auch das gelingt uns selten, wie wir wissen.

Das Neue ist: Gott hat es getan! Es ist bereits geschehen. Wir sind erlöst. Wir müssen nur umdenken, neu denken. Es heißt nicht: Tut zuerst Buße, und glaubt danach! Sondern: Tut Buße, indem ihr umdenkt und glaubt, was zu gut scheint, um wahr zu sein.

Die ganze Polemik zwischen Gesetz und Gnade steckt in diesem einen kleinen Satz: Denkt um und glaubt!

Glauben  i s t  umdenken.

Verlasst euch nicht darauf, was ihr als Buße tun könnt, um alles wieder zusammenzuflicken; das ist alles noch weltlich. Denkt wirklich um; glaubt, vertraut, verlasst euch auf die Frohe Botschaft: Einer ist gekommen, der es geschafft hat, der das geworden ist, was der Mensch sein sollte: Gottes Sohn. Es ist endlich Wirklichkeit geworden, und wir können alle daran teilnehmen durch unser gläubiges Leben.»]

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[1] Mystik an der Grenze der Bewusstseinsrevolution (1988), 170: Eugene O’Neill: ‹Eines langen Tages Reise in die Nacht› (1956), siehe Mystische Erfahrung

[2] Mystik an der Grenze der Bewusstseinsrevolution (1988), 175f.: Mary Austin: ‹Earth Horizon ‒ An Autobiography› (1932), siehe Gott

[3] Erdhaushalt, in: Das ABC der Schlüsselworte, im Buch: Orientierung finden (2021), 134f.:

«Erdhaushalt ist ein Ausdruck, den der Dichter und Umweltaktivist Gary Snyder (geb. 1930) geprägt hat. Dieses Wort veranschaulicht, dass unsre Umwelt zugleich Mitwelt ist, der wir uns verwandt fühlen dürfen und von der wir ernährt werden. Statt Umwelt Erdhaushalt zu denken und zu sagen, verändert ganz von selbst unsre Haltung, was zugleich zeigt, welche Wirkkraft Worte besitzen.»



Quellenangaben

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