Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

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Je mehr Menschen verschiedenster Art und je mehr ihrer Anliegen ich auf meinen Reisen kennenlernen durfte, umso häufiger stieg in mir die Ahnung auf, dass sich in unserer Zeit eine weltgeschichtliche Umwälzung anbahnte. Immer ging es bei den denkwürdigsten Begegnungen um Tränen, aber auch um unauslöschliche Hoffnung. Besonders ein Gespräch mit Studenten in Zaire löste Einsichten aus, die sich im Lauf des 8. Jahrzehnts meines Lebens herauszukristallisieren begannen.

Ich bin in Kinshasa. Die Unruhen haben ein solches Ausmaß erreicht, dass ich jede Nacht in eine andere, diesmal vielleicht etwas weniger gefährdete Unterkunft gebracht werden muss. Einmal besuchte ich Doktoranden in einem heruntergekommenen Studentenwohnbau. Hier leben sie mit ihren Frauen und Kindern auf engstem Raum zusammengepfercht. Der eine Tisch ist zugleich Kochtisch, Esstisch, Spieltisch für die Kinder und Schreibtisch, auf dem die teuren Bücher und die Unterlagen für ihre Doktorarbeit ständig in Gefahr sind. Trotz unvorstellbarer Entbehrungen sind diese Männer endlich dem Ziel ihrer Mühen nahe.

«Was erhofft ihr euch am heißesten für eure Zukunft?», frage ich und denke dabei ‒ ich gestehe es ‒ an Reichtum und Einfluss. Die Antwort macht mich sprachlos:

«Wenn wir es einmal geschafft haben, hoffen wir, der Versuchung widerstehen zu können, mit den Wölfen zu heulen. Wir wollen es einmal anders machen als die, die Macht und Geld haben. Aber dabei mitzuhalten ist nicht leicht; wir werden auf vieles verzichten müssen.»

Hier ist eine radikal neue Vision der Zukunft. Der Mut dieser Pioniere, gegen den Strom zu schwimmen, geht mir zu Herzen und erschüttert meine Vorstellungen. Er ist revolutionär.

«Revolution» wird nach und nach zu einem wichtigen Begriff. Ich verwende ihn allerdings halb scherzhaft, weil es um etwas ganz anderes geht als bei Revolutionen, die wir aus der Geschichte kennen. Die Revolution, die heute der weltgeschichtliche Augenblick von uns verlangt, muss sogar die hergebrachte Vorstellung von Revolution revolutionieren.

Bisher bestand Revolution darin, dass die jeweilige Machtpyramide auf den Kopf gestellt wurde und die ehemaligen Revolutionäre von unten nach oben stiegen; ansonsten blieb alles beim Alten.

Das Neue besteht nun darin, dass die Machtpyramide nicht umgekehrt, sondern total abgebaut und durch ein Netzwerk ersetzt werden muss.

Buddha setzte sich zum Ziel, das in seiner Sangha zu verwirklichen, und Jesus wollte es in der Gemeinschaft seiner Jüngerinnen und Jünger verwirklicht sehen:

«Die Könige der Nationen herrschen über sie, und die Gewalthaber lassen sich Wohltäter nennen. Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch sei wie der Geringste und der Befehlende wie der Dienende.»

Etwas Ähnliches wollten offensichtlich auch die Doktoranden in Kinshasa. Das Ziel, das ihnen und vielen anderen Gruppen, denen ich begegnen durfte, mehr oder weniger klar vorschwebte, war keine verbesserte Machtpyramide, sondern vielmehr ein Netzwerk gegenseitiger Ermächtigung.[1]

Bruder David, damals noch mit dem Geburtsnamen Franz Kuno Steindl-Rast:

«Werfen wir nur einen Blick auf unsere Zeit, um zu sehen, wo wir überhaupt stehen.

‹Der Mensch liegt in größter Not.›

Dieser Aufschrei, [den Gustav Mahler durch seine zweite Symphonie klingen lässt], gilt unserer Zeit mehr als der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Ja, es gibt keinen erschütternderen Hilferuf aus unserer Zeit als diesen: ‹Der Mensch liegt in größter Not›. Aber nicht nur er, alles, was von ihm geschaffen wurde, ist zerstört und geschändet, alles, was ihm zum Dienste und zur Freude vom Schöpfer gegeben wurde, hat er missbraucht und entweiht. Es scheint so, als ob der Fluch auf alles gefallen sei, das er berührte.»

«Wenn wir in kurzen Streiflichtern einige Punkte berühren, die nun über das persönliche Augenblickserlebnis hinausgreifen, wird der Eindruck in einer erschütternden Weise noch vertieft: Krieg in China, Terror in Palästina, Hetze und Propaganda verschiedenster Ideologien und Parteirichtungen, Hunger in allen Winkeln der Erde, Mangel an den nötigsten Gebrauchsgütern, Schleichhandel mit Arzneimitteln und Waren und Spenden für notleidende Völker, Aufruhr gegen Kirche und Christentum, bettelnde und sich verkaufende Kinder in allen Straßen der Städte der ganzen Erde, Raub, Totschlag, Schändung Quälerei, [6] Rachgier, Ehrgeiz, Verzweiflung, Selbstmord.

Es ist Karfreitag und die Welt schlägt Christus ans Kreuz und merkt nicht, dass sie sich selbst ‒ mordet in ihm. Denn was bleibt, wenn die Liebe getötet ist?

Ich weiß nicht, ob es nach den wenigen Sätzen noch viel bedarf, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass der Mensch ein Enterbter und Entrechteter ist.

‹Der Mensch liegt in größter Not.›

Wir alle sind mitgerissen in dieses Chaos und fühlen die hilflose Einsamkeit des einzelnen Menschen, weil wir zu vielen Malen erlebt haben, dass wir in Auflehnung gegen Untergang und Verderben allein gestanden sind. Wir wissen, dass nicht alle dem Ruf nach Macht und Ehrgeiz folgen, wir wissen, dass sogar viele bereit sind, wenn es sein soll, selbst ihr Leben einzusetzen. Aber sie stehen allein in ihren Bestrebungen und Hoffnungen, sie werden umspült von einer Masse ablehnender und angreifender Menschen, dass sie sich hilfesuchend nach Gleichgesinnten umsehen müssen. Sie erkennen mit einmal, dass sie allein auf einem verlorenen Posten stehen, und einzig der Wunsch, das Leben sinnvoll einzusetzen, lässt sie Ausschau halten, wenigstens eine kleine Schar ähnlich Denkender und ähnlich Fühlender zu finden.»

«Wir müssen uns langsam zu der Erkenntnis durchringen, dass jeder von uns mitverantwortlich ist für den Ablauf der Geschichte in den kommenden Jahren und Jahrzehnten, und darüber hinaus vielleicht noch mitbestimmend an der Gestaltung kommender Jahrhunderte. [Wir mögen uns hier nur daran erinnern, wie die Wellen der französischen Revolution noch an die Ufer der Gegenwart schlagen, wie Ideen ausgehend von einigen Wenigen noch die Gehirne vieler beherrschen.]

Es nützt uns sehr wenig, zu bedauern, in eine so verworrene Situation hineingeboren zu sein. Kritik, Bedauern und Unzufriedenheit mit der Lage der Welt und der Menschheit führt bestens zur Resignation und zur Zurückgezogenheit des Einzelwesens. Bewährung bedeutet uns aber aufopfernde Stellungnahme zu den Gegebenheiten der Gegenwart. Freilich ist damit ein Übergang von der passiven zu einer aktiven Lebensgestaltung erforderlich. Das bedeutet, die Defensivstellung aufgeben und zum Angriff übergehen. Solange wir nur darauf bedacht sind, die überlieferten Schätze und Positionen zu bewahren, wird man uns Stück für Stück des eigenen Lebensraumes entreißen, ja, wir werden auf das Versprechen hin, geduldet zu sein, wichtige Bastionen aufgeben, um uns am Ende kaum mehr von Menschen anderer Gesinnung zu unterscheiden.

[11] Allein zu einer wirklichen Bewährung gehört mehr als nur Aktivismus. Es wäre verfehlt, zu meinen, damit den richtigen Weg zu einer Gesundung schon gefunden zu haben. Jeder Schritt, der unternommen wird, möge allein aus der einer Erkenntnis entsteigenden Notwendigkeit geboren werden.

Wir selbst scheinen verbraucht und müde, dass es einem unmöglich vorkommt, das Erbe der gegenwärtigen Situation übernehmen zu können. Aber vielleicht sind es gerade unsere Ausgelaugtheit und Müdigkeit, die uns so klar vor Augen stellen, dass es höchste Zeit ist, endlich den neuen Boden vorzubereiten, der ein gesünderes und in der Ordnung verwurzeltes Leben möglich macht. Nicht die Fortsetzung des alten Weges, sondern der Aufbruch zu einem neuen wird die Bewährung unserer Generation in dieser Zeit sein.

Es ist leicht, an bestehenden Dingen Kritik zu üben, ohne selbst einen Ausweg daraus zu kennen, d.h. wenigstens Ansatzpunkte dazu zu sehen. Darum soll hier angedeutet werden, worin nicht nur ein Ausweg aus einer Situation, sondern ein gültiger Weg liegen könnte. Um es klar und einfach zu sagen:

Ich meine damit eine christliche Generation, die imstande ist, eine Revolution der Herzen durchzuführen, die die Vormachtstellung einer materialistisch diesseits gerichteten Welt durchbricht.

Eine Generation, die endlich einmal zuerst das Reich Gottes sucht und damit den Traum eines in Organisation und Mechanisierung gesicherten Lebens aufgibt.

Eine Generation, die bereit ist, in ihre Herzen das Gesetz der Liebe zu brennen, weil Christus Mensch geworden ist, und er mit seinem Tod am Kreuze und seiner Auferstehung uns die Gültigkeit dieses Gesetzes bewiesen hat.

Eine aufbrechende christliche Generation würde bedeuten: bereit zu sein, vor der Welt Bekenntnis abzulegen, dass Christus nicht in die behüteten Räume unserer Wohnung, nicht in Klöster und Kirchen gebannt werden kann, sondern dass er Anspruch erhebt auf alle Menschen und alle Bereiche des Lebens. Allerdings nicht in Gewalt, [12] sondern allein in der Macht der Liebe.

Ich will Sie mit dieser Tatsache, wie gering der Anteil der christlichen Kräfte in unserer Generation ist, nicht beunruhigen, denn wer immer sich mit der Frage der Generation beschäftigt, wird auf den Begriff der ‹Wenigen› stoßen. Die Wenigen, die von einer nachkommenden Zeit gesehen, der Generation das Gesamtgepräge geben.

Es gibt in jeder Generation die kleine Schar dieser Wenigen, die den geheimen Hebel ihrer Zeit finden, wo sie sich fast selbstverständlich aus den eingefahrenen Geleisen einer Entwicklung heben lässt.

Um was Andere sich mühen und mit allen Anstrengungen nicht zustande bringen, gelingt diesen Wenigen, als ob ihre Hand geführt würde, traumwandlerisch, und es gelingt immer, wenn es der Schwerpunkt ist, an den sie die Hände legen.

Dass wir mit einer derartigen Auffassung von der Welt von den weitesten Kreisen als Narren, Phantasten und Utopisten abgetan werden, muss uns bei einiger Offenheit nicht wundern. Und auch die Generation vor uns wird wahrscheinlich kein anderes Urteil fällen. Aus diesem Grund ist unsere Stellung zu ihr schon in einer Weise bestimmt. Da wir mit ihr in unseren Gedankengängen in Widerspruch geraten, ist uns der geschichtliche Weg einer Nachfolge und Fortsetzung unmöglich geworden.

Die Grenze, die wir ziehen sollten, gilt vor allem den Richtungen, für die Verachtung der Natur, Zerschlagung aller uns als Sinnbilder gegebenen Formen, Zynismus und auswegloser Individualismus kennzeichnend sind.

Gegen die müssen wir eine scharfe Trennungslinie ziehen. Wir wollen gläubig die Natur und alle uns gegebene Formen sehen und sie aufschließen zu einem Hintergrund, dass sie zu leuchten beginnen als Gleichnis und Bild.»[2]

An einen gekreuzigten Verlierer zu glauben, heißt, für eine eher ungewöhnliche Wertskala einzutreten: für eine Gegenkultur mit utopischen Idealen.

Das Ideal, für das Jesus lebte und für das er gekreuzigt wurde, ist das «Reich Gottes», eine Weltordnung, die nicht auf Mächtigkeit, sondern auf Gerechtigkeit gründet. Wirklich daran zu glauben, heißt sich zu verpflichten, in unserer Gesellschaft gegen den Strom zu schwimmen.

Hast Du einmal Bilder von den Demonstrationen gesehen, die Dr. Martin Luther King in Selma, Alabama anstiftete, wo schwarze Bürgerrechtler vom Wasserstrahl aus Feuerwehrschläuchen niedergestoßen und von Polizeihunden angefallen wurden?

Hast Du selber einmal teilgenommen an einer öffentlichen Protestaktion für Menschenrechte oder für ein ähnliches Anliegen? Wann und wo (etwa bei den Abendnachrichten im Fernsehen) hast Du persönlich Christus unter Pontius Pilatus leiden gesehen?[3]

(Die Quellenangaben zum obigen Text in Anm. 1-3)

[Ergänzend:

1. Prophetischer Gehorsam

2. Das Vaterunser (2022): ‹Vater unser im Himmel›, 38f.:

«Wesentlich ist, mit sich und allen anderen im Frieden zu leben. Das heißt, bereit zu sein für alle Höhen und Tiefen des Lebens und sie als Impulse für unser Wachstum anzunehmen. Von ‹Leben in Fülle› spricht das Evangelium.

Je lebendiger wir werden, umso deutlicher erleben wir das.

‹Der ganze Weg zum Himmel ist Himmel›,

so lautet ein bekannter Ausspruch von Dorothy Day, die sich in den Slums von New York um die Ärmsten der Armen kümmerte. Ihre Freundschaft war eines der größten Geschenke meines Lebens. Wenn irgendjemand mit der Hölle auf Erden vertraut war, dann gewiss diese heiligmäßige Frau. Und ihr konnte man geradezu ansehen, dass sie zugleich auch jetzt schon im Himmel war.

Unsere Herzensbeziehungen zu Freunden und Verwandten machen die Erde zum Himmel. Das gilt nicht nur für unsere Beziehungen zu Menschen, sondern wohl auch für unsere Beziehungen zu Tieren. Sollte der Tod daran etwas ändern können? Schon jetzt erleben wir jede Beziehung in reiner Liebe als ‹Himmel auf Erden›. Und in dem Ausmaß, in dem unser Herz in Liebe mit dem Vater im Himmel verbunden ist, sind wir jetzt schon dort.»

3. Ich bin durch Dich so ich (2016): 8. Dialog, 1996-2006, 165f. und 168f.:

Johannes Kaup: «Noch einmal zurück zu den Vorbildern. Jesus haben Sie bereits genannt. Gibt es auch zeitgenössische Vorbilder?»

Bruder David: «Ja. Eine Frau, die ich sehr verehrt und bewundert habe, kommt mir sofort in den Sinn: Dorothy Day[4], die das «Catholic Worker Movement» gegründet hat.»

Johannes Kaup: «Das ist eine Organisation, die sich besonders um die Ausgegrenzten in der Gesellschaft kümmert.»

Bruder David: «Ja, diese Organisation ist auch heute noch ausserordentlich lebendig und erfolgreich. Sie ist entsprungen aus Dorothys Mitgefühl für die Armen und ihrer Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann mit der Armut in den USA. Aus ihrer ursprünglichen Gründung zusammen mit Peter Maurin 1933 in New York entstanden dann weitere Gemeinschaften. So wie Mutter Teresa nahm Dorothy Day sich der Ärmsten der Armen an, aber sie ging darüber hinaus und hinterfragte eine Gesellschaftsordnung, die für solche Armut verantwortlich ist. Deswegen musste sie immer wieder ins Gefängnis. Der brasilianische Erzbischof Hélder Câmara kannte den Grund dafür. Er sagte:

‹Wenn ich den Armen zu essen gebe, nennt man mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum die Armen arm sind, nennt man mich einen Kommunisten›.

Auch die christlichen Basisgemeinden in Lateinamerika waren Gemeinschaften, die aufgrund ihres gemeinsamen Lesens der Frohbotschaft die Machtpyramide infrage gestellt haben. Solche Ansätze werden oft als kommunistisch verschrien und angeprangert.»

Johannes Kaup: «Zu Recht oder zu Unrecht?»

Bruder David: «Zu Recht im besten Sinn von kommunistisch, also gemeinschaftlich denkend, aber zu Unrecht im Sinne der politischen kommunistischen Internationale.»

Johannes Kaup: «Also der kommunistischen Parteiideologien?»

Bruder David: «Genau.» ‒

«Ich frage mich immer wieder: Ist da wirklich alles einfach zerstört worden? Wir schauen zurück und sehen, dass im Lauf der Geschichte immer wieder kleine Gruppen, die in unseren Geschichtsbüchern verteufelt werden ‒ weil Geschichte von den Machthabern geschrieben wird ‒, sich bemüht haben, das Ideal zu verwirklichen, die Macht der Liebe gegen die Liebe zur Macht durchzusetzen. Diese Versuche sind jedoch immer wieder vereitelt worden. Ich denke zum Beispiel an die Bauernaufstände, die sicher häufig in dieser Richtung gegangen sind.»

Johannes Kaup: «Das lässt sich auch in Bezug auf die Orden beobachten, beispielsweise die Franziskaner, die anfangs sehr revolutionär waren. Sie konnten nur überleben, weil es einen demütigen Papst gab.»

Bruder David: «In ihrer ursprünglichen Form haben die Franziskaner nicht überlebt. Schon in der zweiten Generation wurden sie zu etwas anderem. Die Ordensregel wurde umgeschrieben. Sogar die ursprünglichen Geschichten wurden zensiert und umgeschrieben. Da frage ich mich: War dann damit einfach alles aus?

Die einzige Antwort, die ich für mich persönlich darauf finde, sind Hölderlins Verse:

‹Die Linien des Lebens sind verschieden
Wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen.
Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen
Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.›
[5]

Ich glaube an eine Vollendung aller positiven Bemühungen jenseits der Zeit. Dafür kann ich keine Beweise liefern, aber das Gute, das Schöne, das Wahre hat Bestand und unterliegt zu einem gewissen Grad nicht der Zeit. Alle Aufopferung, die wir dem Guten, Schönen und Wahren widmen, vor allem die Mühe, die wir dafür einsetzen, kann nicht verloren gehen. Mehr kann ich nicht sagen. Diese Überzeugung brauchen wir, sonst müssen wir verzagen.»

4. Am dritten Tag auferstanden von den Toten (2023):

Bruder David: «Da suche ich nach einem Vorbild, nach jemandem, der in unserer Zeit das ganze Gewicht seiner Persönlichkeit auf die Seite des machtlosen, verlachten Weltverbesserers warf, obwohl er ebenso gut in der Gesellschaft der (verächtlich lächelnden) Mächtigen ohne Mühe seinen Platz halten konnte. Dag Hammarskjöld fällt mir ein.»

5. Dankbarkeit ist Zusammenfassung des Christentums (2019): Pressebericht:

«‹Die großen Vorbilder der Furchtlosigkeit waren deshalb Revolutionäre, darunter viele der Ordensgründer wie Benedikt oder Franziskus. Sie hatten eine ganz andere, auf einem Vertrauensnetzwerk basierende Gesellschaft vor Augen, die somit im klaren Gegensatz steht zu unserer von Gewalttätigkeit, Rivalität und Habsucht geprägten›, erklärte Steindl-Rast. Gewalttätigkeit werde im Christentum durch Friedfertigkeit und Gewaltlosigkeit ersetzt, Rivalität durch Zusammenarbeit und Habsucht durch das Teilen.»

6. Brücken statt Mauern (Ostern 2017):

«Unzählige Menschen guten Willens suchen heute Jesus Christus, stoßen sich aber an kirchlichen Mauern. Wollen wir als Christen für das eintreten, wofür Jesus gekreuzigt wurde und wozu der Auferstandene uns aussendet? Wenn wir Zeugen werden für das Reich Gottes, dann bauen wir zugleich die einzig gangbare Brücke zur Zukunft unserer Kirche. Die Liturgie von Jesu Christi Tod und Auferstehung ruft uns wieder dazu auf.»

7. Audios

7.1. Das Leid des Lebens zu Herzen nehmen (1992); siehe auch Fließweg und Entscheidung
Eröffnungsvortrag:
(28:26) ‹Das ist unsere große Herausforderung::
‹Wir können im Leben entweder  m i t  der Maserung hobeln oder  g e g e n  die Maserung hobeln.

Wir können  m i t  dem Strich gehen oder  g e g e n  den Strich gehen ‒ und das heißt: den Strich des Lebens:
Wir können  m i t  dem Strom des Lebens schwimmen oder versuchen,  g e g e n  den Strom des Lebens zu schwimmen.
Aber da kommt dann das große Paradox herein, dass alle, die  m i t  dem Strom des Lebens schwimmen, gewöhnlich im Leben
g e g e n  den Strom schwimmen müssen.
Und darum schwimmen so wenige  m i t  dem Strom des Lebens.›

7.2. Das Leid des Lebens zu Herzen nehmen (1992)
Erstes Seminar mit Bruder David im Rittersaal des Schlosses Goldegg
Bruder David im Gespräch zur Frage:
(54:07) ‹Wenn wir die Christusnachfolge antreten, werden wir dann gekreuzigt werden, oder: Was muss dann gekreuzigt werden›?
‹Wenn wir so mit dem göttlichen Lebensstrom in uns schwimmen, dass wir gegen den Strom der Gesellschaft schwimmen, dann wird die Gesellschaft uns früher oder später kreuzigen.
Und das ist es auch, was wir an Jesus vorgezeichnet sehen und das ist, wofür wir uns entscheiden müssen.
Denn das ist ja gerade der Grund, warum wir es so schwer haben, wirklich mit diesem inneren Lebensstrom, diesem göttlichen Lebensstrom zu schwimmen. Das ist etwas Wunderschönes, ganz Begeisterndes. Aber wenn man in diese Konflikte kommt ‒ und früher oder später kostet es einem den Kragen ‒, dann ist das nicht so leicht.›
(57:20) [transkribiert in
Reich Gottes: Ergänzend 1.1.]
(59:34) ‹Bei sich selber beginnen ‒ die Kreuzigung nicht suchen, aber auch nicht scheuen ‒ eine Gesellschaftsordnung, die mit dem Strom geht, und eine, die gegen den Strom des Lebens geht: ‹Und wir ‒ jeder von uns, fürchte ich ‒, geht an einem Vormittag mehrmals hin und her zwischen diesen beiden. Das Reich Gottes ist unter uns: es ist eine Wirklichkeit, die unter uns beginnt ‒ in uns und um uns ‒ aber sie ist noch nicht ausgereift, weil wir uns nicht entschieden genug dahinterstellen.›]

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[1] Ich bin durch Dich so ich (2016): 8. Kontemplation und Revolution, 1996-2006, 155f

[2] Franz Kuno Steindl-Rast: Die Kunst und die junge christliche Generation (1946)

[3] Credo (2015): ‹gekreuzigt›, 112 und ‹Gelitten unter Pontius Pilatus›, 107

[4] Die meisten Menschen würde ich als Schlafwandler bezeichnen (2017): Interview von Anne Voigt mit Bruder David:

«Die christliche Sozialistin und Journalistin Dorothy Day bewundern Sie sehr. 1906, als sie acht Jahre alt war, erlebte sie das starke Erdbeben in San Francisco mit. Damals schaute sie den Menschen auf der Straße zu, wie sie sich gegenseitig halfen und fragte sich: «Warum können wir nicht immer so leben?» Diese Frage lebte sie ihr ganzes Leben.»

Bruder David: «Ja, ganz tapfer.»

«Wie können wir es schaffen, immer so zu leben?»

[5] Friedrich Hölderlin: ‹An Zimmern›, in der Abschrift von Ernst Friedrich Zimmer; siehe auch Reich Gottes: Anm. 1



Quellenangaben

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