Film, Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB
Die klösterliche Stunde der Laudes[1] führt uns aus der Finsternis hinaus ins Licht. Mit den Laudes bekommen wir bei Sonnenaufgang den neuen Tag geschenkt. Die Vigil begleitete uns durch die feierliche Finsternis und die dunkle Ewigkeit der Nacht; jetzt feiern wir das Licht.
In Rilkes Stunden-Buch findet sich ein wunderschönes Gedicht, das speziell für die Laudes geschrieben sein könnte.
Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen Worte, sind:
Von deinen Sinnen hinausgesandt
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gieb mir Gewand.
Hinter den Dingen wachse als Brand,
dass ihre Schatten, ausgespannt,
immer mich ganz bedecken.
Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.
Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.
Gieb mir die Hand.
Es ist fast ein kleiner Schöpfungsmythos. Hier hört der Dichter, wie Gott im Schoß der Dunkelheit zu jedem von uns spricht, noch bevor wir geboren werden, bevor er uns vollendet. Dann begleitet Gott uns hinaus aus der Nacht.
Von deinen Sinnen hinausgesandt,
weist er uns an,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gieb mir Gewand.
Gott findet seine Äußerung in dieser Welt durch die Art und Weise, wie wir mit der geheimnisvollen Stille und Finsternis umgehen, aus der wir kommen. Jeder ist dazu bestimmt, das göttliche Geheimnis in seiner ganz persönlichen Eigenart auszudrücken.
Und während er uns ins Licht führt, spricht Gott zu uns:
Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken ...
Kein Gefühl ist das fernste.
Laß dich von mir nicht trennen.
Und zum Abschied sagt er uns:
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.
Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.
Gieb mir die Hand.
Dieses neue Land, in das wir gesandt werden, ist Gottes Geschenk: sein erhabenes Geschenk, das Geschenk des Lebens, das Geschenk des Seins.
Das Geschenk in jedem Geschenk ist immer die Gelegenheit, die es enthält. Meistens ist es die Gelegenheit, sich zu freuen und den Augenblick zu genießen. Wir achten nie genug auf die vielen Gelegenheiten, die wir täglich erhalten, einfach um uns zu freuen: an der Sonne, die durch die Bäume scheint, über den Tau, der auf einer eben aufgegangenen Blume glitzert, am Lächeln eines Säuglings oder über eine lang erwartete Umarmung. Oft gehen wir wie im Schlaf durchs Leben, bis etwas kommt, an dem wir keine Freude haben: Erst dann werden wir wachgerüttelt.
Wenn wir lernen, die zahllosen Gelegenheiten wahrzunehmen, die uns Grund geben zur Freude am Geschenk des Lebendigseins, dann sind wir vorbereitet, wenn die Zeit kommt, die etwas Schwieriges von uns verlangt. Dann werden wir auch in dieser Herausforderung eine Gelegenheit erkennen und ihr dankbar gerecht werden.
Das Leben ist uns gegeben; jeder Augenblick ist uns gegeben. Dafür ist Dankbarkeit die einzig passende Antwort.
Freude ist jene Art von Glück,
das nicht davon abhängt,
was uns zustößt.
Meist sind wir glücklich, wenn uns etwas glückt und unglücklich, wenn es uns missglückt.
Wissen wir aber wirklich, was gut für uns ist?
Was erlaubt uns, so wählerisch zu sein?
Wahre Freude finden wir erst, wenn wir uns aus ganzem Herzen auf die Gelegenheit einlassen, die uns gerade Jetzt geschenkt ist.
Nur in dieser Hingabe finden wir wahre Freude und beständiges Glück, unabhängig davon, was sonst geschieht.
Selbstverständlich ist es oft schwierig, diese Haltung einzunehmen, wenn wir uns plötzlich in einer unangenehmen oder gar tragischen Situation befinden. Wenn wir aber mit einfachen Dingen beginnen, dann wird uns die Haltung der Dankbarkeit nach und nach zur zweiten Natur.
Haben wir nicht Augen, die wir im Morgenlicht öffnen können? Haben wir nicht Ohren, um auf Geräusche zu hören, und Füße; um zu gehen, und Lungen, um zu atmen? Was für Geschenke! Sollten wir nicht dankbar sein und uns an ihnen erfreuen?
Ich verbinde die Laudes immer mit den hohen Fenstern des Oratoriums. Wenn die Gesänge der Laudes an einem Wintermorgen erklingen, sind die Fenster noch immer völlig dunkel. Kaum aber dämmert das erste Licht, beginnen die Farben in den Scheiben zu leuchten und langsam treten Formen und Figuren hervor und werden erkennbar. Diese Klosterfenster in der Dämmerstunde sind für mich ein kraftvolles Bild für das, was geschieht, wenn wir unsere Augen in Dankbarkeit für alles öffnen, was uns begegnet: Wir sehen göttliches Licht durch alles, was ist, hindurchleuchten.
Was für ein Geschenk, jeden Morgen irgendeinem Teil der Natur zu begegnen. Vielleicht haben wir gar nie richtig darauf geachtet auf den Morgenhimmel, auf wiegende Bäume im Wind, auf singende Vögel, oder auf Blumen, die soeben erblühen.
Die Natur ist einfach da; sie hat keinen unmittelbaren Nutzen; sie ist ein reines Geschenk der Schönheit und des Lebens.
Gerard Manley Hopkins sagt:
Tief drinnen in den Dingen lebt die kostbarste Frische.[2]
Und diese ursprüngliche Frische wird jeden Morgen erneuert.
Solange wir unsere Wege gehen und die Dinge als selbstverständlich hinnehmen, werden wir das Licht nie sehen; die Wirklichkeit bleibt undurchlässig wie die Klosterfenster, bevor die Sonnenstrahlen sie zu Wänden aus Licht machen.
In dem Maß, in dem wir Überraschungen in unser Leben hereinfließen lassen, wird unser ganzes Leben lichtdurchlässig. Überraschung ist noch nicht Dankbarkeit, aber mit ein bisschen gutem Willen wächst sie von ganz allein zu Dankbarkeit heran.
Wenn das Licht des frühen Morgens auf das Geschenk des Daseins aufmerksam macht, so durchdringt dieses Mysterium jede Antwort, die wir geben können. Und diese Transzendenz, diese Überfülle ist ein wesentlicher Bestandteil der göttlichen, freizügig geschenkten Gabe, die eine tägliche Einladung zu einer neuen Antwort aus ganzem Herzen ist und zum spontanen Lobpreis ‒ dem Choral ‒ inspiriert.
Die Gregorianischen Gesänge sprechen das Kind in uns an, weil sie die reine Freude am Lebendigsein ausdrücken.
Die Freude äußert sich im Lobpreis Gottes und durchzieht sogar die klagenden Melodien der Gesänge.
Freude ist etwas, das wir pflegen können: wenn wir erst einmal diese dankbare Freude in den Gesängen hören und ihre Schönheit unser Herz ergreift, dann können wir auf leichte und natürliche Weise anfangen, Dankbarkeit zu üben.
Die schlanken melodischen Linien des Gregorianischen Chorals in ihrer Einfachheit und überirdischen Schönheit wecken unsere volle Aufmerksamkeit.
Sie entspringen einer tiefen Stille, und haben die Kraft, uns selbst still werden zu lassen, wenn wir sie nicht nur mit den Ohren aufnehmen, sondern mit dem Herzen.
Diese Musik stumpft niemals unser Gehör ab, sondern verfeinert es.
Ihre «asketische» Schönheit und ihre lautere Sinnlichkeit vermitteln den Hörenden mühelos Sammlung und jene besondere Lebenshaltung, die daraus entspringt.[3]
Wach auf!
heißt es in einer ganz frühen christlichen Hymne:
Wach auf, der du schläfst,
steh auf von den Toten,
so wird dich Christus erleuchten.[4]
Das bedeutet zwar mehr, als dass unsere Sinne wach werden müssen, setzt es aber zumindest unbedingt voraus.
Wie soll unser Herz hellhörig sein, solange unsere Sinne abgestumpft bleiben?
Ist nicht schon das Wiederlebendigwerden unserer halbtoten Sinnlichkeit ein Aufstehen von den Toten?
Auf also endlich!
ruft uns der Heilige Benedikt im Prolog zur Regula zu:
«Auf also endlich, auf mit uns, denn die Heilige Schrift spornt uns an, wenn es heißt:
Jetzt ist die Stunde da, vom Schlafe aufzustehen.
Unsere Augen offen für das Licht, das uns göttlich macht, lasst uns auf die göttliche Stimme horchen, die in unseren Ohren donnert, wenn sie uns täglich ruft und ermahnt und spricht:
Heute, wenn ihr seine Stimme hört,
verhärtet nicht eure Herzen!
Das Wort vom «Licht, das uns göttlich macht» ist eines der kühnsten im Schrifttum der christlichen Überlieferung.
Nur solche Kühnheit aber wird der Frohbotschaft gerecht.
Christus ist das Licht der Welt. In ihm, durch ihn und auf ihn hin ist alles erschaffen ‒ vom «es werde Licht», bis zum «es war sehr gut».
In seinem Lichte sehen wir das Licht und in diesem Licht finden wir ihn als Urgrund alles Geschaffenen.
Indem wir ihn da finden, finden wir zugleich den Sinn alles Geschaffenen und uns selbst.
Sinn aller Schöpfung ist es ja, Gottes Liebe zu offenbaren.
Christus ist Offenbarung von Gottes Liebe; und das müssen auch wir selber werden.
Er ist Ebenbild des unsichtbaren Gottes.
Da wir als Gottes Ebenbild geschaffen sind, finden wir unser wahres Selbst, wenn wir im Herzen aller Dinge ihn finden.
Dem kühnen Wort des Heiligen Benedikt entspricht das berühmte Wort Meister Eckeharts:
Das Auge, mit dem ich Gott anschaue,
ist das Auge, mit dem mich Gott anschaut.[5]
Das findet seine Vollendung in der visio beatifica des Himmels.
Es beginnt aber mit unserer dankbaren Sinnlichkeit hier auf Erden.[6]
[Die Quellenangaben zum obigen Text in Anm. 3, 6]
[Ergänzend:
1. Audios
1.1. Lebendige Spiritualität (2015)
Schweigen
(55:55) Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht (Das Stunden-Buch)
1.2. Retreat-Woche in Assisi (1989)
Ich glaube an Jesus Christus, unsern Herrn
(20:46) ‹Wach auf, du Schläfer› (Eph 5,14)
(46:03) ‹Öffnen wir also unsere Augen für das Licht, das uns göttlich macht› (RB prol 9)
2. Weitere Texte
2.1. Sinne und Sinnlichkeit im Buch Das spirituelle Lesebuch (1996), 268f.: Der Text ist aus «Der Dreischritt des horchenden Herzens» im Buch Die Achtsamkeit des Herzens: Durch die Sinne Sinn finden (2021), 35f.:
«In unserem Herzen ist Gott uns näher, als wir uns selber sind. Der Heilige Augustinus versichert uns dies aus seiner mystischen Erfahrung, und wir ahnen es aus unserer eigenen. Zugleich weiß Augustinus aber auch (und wir wissen es), dass unser Herz ruhelos sei, bis es heimfinde zu seinem Ausgangspunkt, heim zur göttlichen Mitte.
Vom Ursprung unserer Ruhelosigkeit sagt Rilke:
Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand …
Was aber ist diese Sehnsucht? Ist sie nicht letztlich Heimweh? Heimweh nach jenem Urquell von Sinn, den wir Gott nennen. Und der quillt in unserem innersten Herzen auf. Die Sinne senden uns hinaus. Und nur so können wir dahin kommen, wo wir immer schon sind. Unsere Ausfahrt zum äußersten Rand unserer Sehnsucht ist Heimkehr zur Herzmitte. Sinn finden wir, wenn wir mit dem Herzen horchen lernen.»
2.2. Dankbarkeit als Schlüsselwort benediktinischer Spiritualität (2019):
«Wenn der heilige Benedikt seinen Mönchen als Ziel setzt, ‹dass in allem Gott verherrlicht werde›, dann geht es ihm um mehr als darum, Gott Ehre zu erweisen. Er zitiert ja hier den ersten Petrusbrief (4,11) – ‹dass in allen Dingen Gott geehrt werde› – ersetzt aber ‹geehrt werde› (honorificetur) durch ‹verherrlicht werde› (glorificetur). Es geht ihm also nicht so sehr um die Ehrerbietung, die wir Gott erweisen, sondern umgekehrt: um die Herrlichkeit, die Gott vor uns erstrahlen lässt. So gut und wichtig unser menschliches ‹Alles-meinem-Gott-zu-Ehren› auch ist, im Vergleich zum Donnerschlag der göttlichen Glorie ist es kaum eine Knallerbse. Wir Menschen können Gott ehren, aber nur Gott selbst kann Herrlichkeit wie Wetterleuchten aufblitzen lassen. Und das ereignet sich in Augenblicken dankbaren Gehorsams, wenn wir, ‹attonitis auribus› (RB Prol 9) – mit dem Donnerkrachen der Gottesstimme in unseren Ohren – auf diesen Ruf hören und darauf antworten. Der Gehorsam und die Dankbarkeit öffnen unsere Augen für das ‹lumen deificum› (RB Prol 9), jenes Taborlicht (Mt 17; Mk 9; Lk 9), das die ganze Schöpfung verklärt, indem es sie durchscheinend macht für Gottes Herrlichkeit.»
2.3. Dankbarkeit: Das Herz allen Betens (2018), 26f. [bzw. Fülle und Nichts (2015), 23f.]:
«Wir können lernen, unseren Sinn für Überraschungen nicht nur durch das Außergewöhnliche anklingen zu lassen, sondern vor allem durch einen frischen Blick für das ganz Alltägliche.
‹Natur ist niemals verbraucht›, sagt Gerard Manley Hopkins und preist Gottes Größe. ‹Ganz tief in den Dingen lebt die köstlichste Frische.›[7]
Die Überraschung des Unerwarteten vergeht, aber die Überraschung über jene Frische vergeht niemals. Bei Regenbogen ist das offensichtlich. Weniger offensichtlich ist die Überraschung jener Frische in den allergewöhnlichsten Dingen. Wir können lernen, sie so klar zu sehen, wie wir den puderartigen Reif auf frischen Blaubeeren sehen können, ‹ein Schleier aus dem Atem eines Windes›, wie Robert Frost das nennt, ‹ein Glanz, der mit der Berührung einer Hand vergeht.›
Wir können uns dazu trainieren, uns für jenen Hauch von Überraschung empfänglich zu machen, indem wir ihn zunächst dort entdecken, wo wir ihn am leichtesten finden. Das Kind in uns bleibt immer lebendig, immer offen für Überraschungen; nie hört es auf, vom einen oder anderen erstaunt zu sein.
Vielleicht sah ich ‹an diesem Morgen des Morgens Liebling›, Gerard Manley Hopkins ‹vom Morgengrauen gezogenen Falken schweben›[8], oder einfach die zwei Zentimeter Zahnpasta auf meiner Zahnbürste.
Für das Auge des Herzens sind sie alle gleich erstaunlich, denn die allergrößte Überraschung ist die, dass es überhaupt etwas gibt ‒ dass wir hier sind.
Den Geschmack unseres Intellekts für Überraschung können wir kultivieren. Und alles, was uns erstaunt aufschauen lässt, öffnet ‹die Augen unserer Augen›.
Wir fangen an, alles als Geschenk zu betrachten. Ein paar Zentimeter Überraschung können zu Meilen von Dankbarkeit führen.»
2.4. TRANSKRIPTION DES SEMINARS (2014) TEIL I, 32-35]
__________________
[1] Die Laudes (Plural von lat. laus‚ Lob, Lobgesang) sind das Morgengebet der Mönche bei Tagesanbruch
[2] «God’s Grandeur
The world is charged with the grandeur of God.
It will flame out, like shining from shook foil;
It gathers to a greatness, like the ooze of oil
Crushed. Why do men then now not reck his rod?
Generations have trod, have trod, have trod;
And all is seared with trade; bleared, smeared with toil;
And wears man's smudge and shares man's smell: the soil
Is bare now, nor can foot feel, being shod.
And for all this, nature is never spent;
There lives the dearest freshness deep down things;
And though the last lights off the black West went
Oh, morning, at the brown brink eastward, springs ‒
Because the Holy Ghost over the bent
World broods with warm breast and with ah! bright wings.»
«Gottes Größe
Die Welt ist erfüllt von Gottes Größe.
Ihr Feuer bricht auf wie aus Spiegelscherben.
Sie strömt ins Große wie gepresstes Öl aus den Kerben.
Warum kniet vor ihr nicht des Menschen Blöße?
Menschenalter immerfort in neuen Gleisen reisen und kreisen.
Und alles verdorrt vom Getriebe, verrucht, verflucht von Qualen.
Alles starrt von Menschenschmutz, riecht nach Menschenschweiß: ohne Schalen
liegt die Erde nackt, kein Fuß kann fühlen mit Sohlen aus Eisen.
Und doch ist von alldem Natur nicht ganz zuschanden.
Es ist noch aus Lebenstiefen köstlichste Frische zu trinken.
Auch wenn die letzten Schimmer im schwarzen Westen verschwanden,
o Morgen, über dem braunen Saum gen Osten, dein Winken ‒
denn der Heilige Geist brütet über den Banden
der Welt mit warmem Flaum und ah! seine Flügel blinken.»
Gerard Manley Hopkins: ‹Poems and Prose› (Penguin Classics, 1985); übersetzt von Detlev Wilhelm Klee
[3] Auszüge aus Musik der Stille (2023), 48-56, 58: Laudes: Tagesanbruch
[4] Eph 5,14
[5] «Soll mein Auge die Farbe sehen, so muss es ledig sein aller Farbe. Sehe ich blaue oder weiße Farbe, so ist das Sehen meines Auges, das die Farbe sieht ‒ ist eben das, was da sieht, dasselbe wie das, was da gesehen wird mit dem Auge. Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge und ein Sehen und ein Erkennen und ein Lieben.» (Meister Eckhart: Predigt ‹Qui audit me›)
[6] Sinne und Sinnlichkeit im Buch Das spirituelle Lesebuch (1996), 279f.: Der Text ist aus «Der Dreischritt des horchenden Herzens» im Buch
Die Achtsamkeit des Herzens: Durch die Sinne Sinn finden (2021), 51f.
[7] Siehe Anm. 2
[8] «The windhover
I caught this morning morning's minion, king-
dom of daylight's dauphin, dapple-dawn-drawn Falcon, in his riding
Of the rolling level underneath him steady air, and striding
High there, how he rung upon the rein of a wimpling wing
In his ecstasy! then off, off forth on swing,
As a skate's heel sweeps smooth on a bow-bend: the hurl and gliding
Rebuffed the big wind. My heart in hiding
Stirred for a bird, – the achieve of, the mastery of the thing!
Brute beauty and valour and act, oh, air, pride, plume, here
Buckle AND the fire that breaks from thee then, a billion
Times told lovelier, more dangerous, O my chevalier!
No wonder of it: shéer plód makes plough down sillion
Shine, and blue-bleak embers, ah my dear,
Fall, gall themselves, and gash gold-vermilion.»
«Der Windgleiter
Ich fing heut Morgen des Morgens Liebling, den Königssohn
im Reich des Tageslichts, den Falken im getupften Dämmerkleid, er ritt
übers Hügelland, unter ihm die stille Luft, und schritt
hoch daher, wie flog über Flatterflügels Zügel der schrille Ton
in seinem Rausch! Dann weg, weit weg im Schwunge schon,
wie ein Schlittschuh sanft die Schleife saust: Sturz und Gleiten
stieß vor sich her der große Wind. Meines Herzens stumme Saiten,
ein Vogel schlug sie wach ‒ ihn zu erlangen, Ihn zu fangen war mein Lohn!
Wüste Schönheit und Mut und Tat, o Luft Stolz, Gefieder,
hier knicke ein! Und die Feier, die da aus dir brechen ohne Zahl,
ihren Zauber, ihre Fährnis, o mein Troubadour, fassten besser deine Lieder!
Wen nimmt es wunder: Schiere Schufterei pflügt tausendmal
die Lichter unter, und blau-graue Aschenglut fällt hernieder,
mein Teurer, sie sauert ein, und Goldrubine sickern aus dem Wundenmal.»
Gerard Manley Hopkins: ‹Poems and Prose› (Penguin Classics, 1985); übersetzt von Detlev Wilhelm Klee