Text, Film und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

loslassen titelCopyright © - Barbara Krähmer

Da jede religiöse Tradition Ausdruck der ewigen Suche des menschlichen Herzens nach Sinn ist, zeichnen diese drei Aspekte des Sinns ‒ Wort, Schweigen und Verstehen ‒ auch die Weltreligionen aus.

Alle drei stecken in jeder Tradition, weil sie für den Sinn wesentlich sind, aber wir können damit rechnen, dass sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

In den Urreligionen ‒ zum Beispiel der Einwohner Afrikas oder Ureinwohner Amerikas ‒ werden unsere drei Sinn-Aspekte immer noch ziemlich gleichstark betont und in Form von Mythen, Ritualen und Anweisungen zum richtigen Leben miteinander verwoben.

Aber mit dem Herauswachsen der westlichen Traditionen Judentum, Christentum und Islam und des Buddhismus und Hinduismus aus der Urmatrix der Religion wurde die Betonung jeweils stärker auf Wort, Schweigen oder Verstehen gelegt; allerdings spielen in jeder Tradition immer auch alle diese drei Elemente ihre Rolle.

Ich möchte mit meiner eigenen Tradition ‒ der christlichen ‒ anfangen, um ein (notwendigerweise nur grobes) Schema zu skizzieren, das uns helfen könnte, die Vielfalt der religiösen Traditionen ermessen und ihre Beziehung zueinander schätzen zu lernen.

Man braucht sich keine große Mühe zu geben, um zu sehen, wie stark im Christentum ‒ ja in der ganzen biblischen Tradition ‒ die Betonung auf dem Wort liegt.

Gott sprach und die Welt wurde erschaffen.

Das ist eine mythische Art und Weise, die Weltsicht der Bibel zum Ausdruck zu bringen:

Alles, was existiert, lässt sich als Wort Gottes verstehen. Diese Vorstellung ist derart zentral, dass man zu Recht sagen könnte, die Religionen Judentum, Christentum und Islam seien alle drei wie in einem Samenkorn in der Aussage «Gott spricht» enthalten.

In einer der chassidischen Erzählungen, die Martin Buber überliefert hat, kommt recht deutlich zum Ausdruck, welchen Vorrang in der westlichen religiösen Tradition das Wort hat.

Von Rabbi Sussja, einem der großen chassidischen Mystiker, wird erzählt, er sei nicht imstande gewesen, sich die Predigten seines Lehrers zu merken. In der Erzählung wird dieses bedenkliche Unvermögen folgendermaßen erklärt:

Rabbi Sussjas Lehrer hatte die Gewohnheit, vor seinen Predigten immer zuerst einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift vorzulesen. Der Lehrer begann also damit, die Tora-Rolle aufzurollen, «Und Gott sprach» zu sagen und dann mit Lesen zu beginnen.

Aber an diesem Punkt ‒ als der Lehrer erst gesagt hatte: «Und Gott sprach» ‒ hatte der arme Rabbi Sussja bereits mehr gehört, als er aushalten konnte. Er begann sich so wild zu gebärden, dass man ihn aus der Synagoge führen musste. Da stand er dann im Flur oder im Holzschuppen und schrie: «Und Gott sprach! Und Gott sprach!» Das reichte ihm schon.

Martin Buber vermutet, dass Rabbi Sussja den Sinn von Gottes Wort tiefer als alle diejenigen verstand, die sich den Inhalt der Predigten ihres Lehrers merken konnten. Er schreibt: «Mit einem Worte kann man die Welt erheben, mit einem Worte kann man die Welt entsühnen.[1] [Auf dem Weg der Stille (2016), 30-32]

Genau wie das Wort den Kern der abendländischen Tradition ausmacht, ist ja das Schweigen der Kern des Buddhismus [Bruder David im Film: Wort und Stille (2019)]:

Nirgends kommt das deutlicher zum Ausdruck als im Bericht von der großen wortlosen Predigt des Buddha. Kann es denn eine Predigt ohne Worte geben?

Der Buddha hielt einfach nur eine Blume in der Hand.

Es heißt, lediglich einer seiner Jünger habe verstanden.

Aber wie konnte dieser ohne ein Wort beweisen, dass er verstanden hatte?

In der Erzählung heißt es, er habe gelächelt.

Der Buddha lächelte zurück und im Schweigen zwischen ihnen beiden ging die Tradition vom Buddha auf seinen ersten Nachfolger über, nämlich dem Jünger, der verständnisvoll gelächelt hatte.

Uns wird erzählt, dass seit damals die Tradition des Buddhismus immer im Schweigen weitergegeben wird.

Oder um es richtiger zu sagen: Was weitergegeben wird, ist das Schweigen.

Das heißt durchaus nicht, dass die Buddhisten kein heiliges Wort hätten; aber der Schwerpunkt liegt bei ihnen ganz auf dem Schweigen.

Tatsächlich sind ihre heiligen Schriften derart umfangreich, dass man einen ganzen Tag lang brauchen würde, um sie nur einmal durchzublättern. In buddhistischen Klöstern tut man das rituell und mit großer Ehrfurcht mindestens einmal jährlich.

Aber dennoch kann ein guter Buddhist angesichts all dieser Schriften sagen: «Verbrennt sie alle!» Natürlich wird sie niemand verbrennen. Das ist also recht bezeichnend.

Doch schon allein die Aufforderung, sie alle zu verbrennen bringt die tiefe Überzeugung zum Ausdruck, dass dem Schweigen keine Worte im Weg sein dürfen.

Aus dem gleichen Grund können Buddhisten auch sagen: «Wenn du unterwegs dem Buddha begegnest, töte ihn!»

Ein mir bekannter katholischer Priester, der von der allgemeinen Gültigkeit dieser buddhistischen Einsicht überzeugt war, versuchte das seinen Gemeindemitgliedern zu erklären und formulierte: «Wenn du Christus begegnest, töte ihn!» Mit dieser Predigt kam er ‒ verständlicherweise ‒ nicht recht an, obwohl sich diese gleiche Einsicht, wenn auch weniger stark ausgedrückt, zum Beispiel auch im Johannesevangelium findet.

Wir müssen einfach die Tatsache respektieren, dass die Christen bei ihrer Sinnsuche sich so hartnäckig dem Wort widmen wie die Buddhisten dem Schweigen. [Auf dem Weg der Stille (2016), 34-36]

«Yoga ist Verstehen», sagt Swami Venkatesananda aus tiefer Einsicht in das, was den Hinduismus ausmacht.

Genau wie sich Juden, Christen und Muslime bei ihrer Sinnsuche auf das Wort konzentrieren und die Buddhisten auf das Schweigen, so konzentrieren sich Hindus auf das Verstehen.

Es sei an das erinnert, was hier schon über das Verstehen gesagt wurde: Es ist der Prozess, in dessen Verlauf das Schweigen ins Wort findet und das Wort ins Schweigen heimfindet.

Das liefert uns den Schlüssel zur zentralen Intuition des Hinduismus: Atman ist Brahman ‒ der manifeste Gott (das Wort) ist der nichtmanifeste Gott (das Schweigen) ‒ und Brahman ist Atman ‒ das göttliche nicht Manifeste (das Schweigen) ist das manifeste Göttliche (das Wort).

Zu wissen, dass das Wort Schweigen ist und das Schweigen Wort ‒ unterschieden, aber ungetrennt und untrennbar verbunden, jedoch ohne Vermischung ‒, das ist Verstehen.

Das Sanskrit-Wort Yoga und das englische Wort yoke («Joch») haben die gleiche sprachliche Wurzel, die «verbinden» bedeutet. Yoga in allen seinen verschiedenen Formen ‒ Dienst, Einsicht, ‒Frömmigkeit usw. ‒ ist die Handlung, bei der Wort und Schweigen durch Verstehen miteinander verbunden werden.

Im Hinduismus weiß man, dass dieses Verstehen nur durch Tun zustande kommt.

In der Bhagavad-Gita wird Prinz Arjuna mit einem Rätsel konfrontiert, das er wahrscheinlich gar nicht lösen kann. Der Glaube hat ihn in eine Situation gebracht, in der es seine Pflicht ist, eine gerechte, aber grausame Schlacht gegen seine eigenen Verwandten und Freunde zu führen. Wie kann ein friedliebender Prinz dieses Dilemma sinnvoll lösen? Sein Wagenlenker, der als Krishna verkleidete Gott Vishnu, kann ihm nur den Rat geben: Tu deine Pflicht, und im Tun wirst du verstehen. [Auf dem Weg der Stille (2016), 37-39]

Zugegeben, dies alles stelle ich aus meiner eigenen Sicht vor, die christlich ist. Aber welche andere Wahl hätte ich denn?

Würde ich versuchen, völlig von meiner eigenen religiösen Sinnsuche abzusehen, so würde ich die Berührung mit genau der Wirklichkeit verlieren, die ich genauer erkunden möchte.

Ich wäre dann wie der Junge, der seinen Zahn in die Hand nimmt, nachdem ihn der Zahnarzt gezogen hat, etwas Zucker darauf streut und abwartet, wie das wehtut. Schmerz kann man nicht von außen her verstehen und genauso wenig Freude, Leben oder Religion.

Es ist nichts Falsches daran, wenn man vom Inneren einer Tradition her spricht, solange man nicht seine eigene Sichtweise verabsolutiert, sondern diese in ihrer Beziehung zu allen anderen sieht.

Hier sei an das früher über unsere Gipfelerfahrungen Gesagte erinnert, also über unsere kurzen Augenblicke des Aufblitzens von Sinn und unseren spontanen Ausruf:

«Das ist es!»

Die christliche Sichtweise verrät sich dadurch, dass sie das erste Wort dieses kurzen Satzes betont:

«Das ist es!»

Die Begeisterung über die Entdeckung, dass «Gott spricht» und dass alles Wort Gottes ist, lässt uns immer und immer wieder ausrufen:

«Das ist es!», und immer wieder «Das ist es», sooft uns ein weiteres Wort verblüfft, das Sinn offenbart.

Im Buddhismus ist das anders. Die Buddhisten verblüfft nämlich stattdessen das große Schweigen, das in einer so großen Vielzahl und Verschiedenheit von Worten zu Wort kommt.

Deswegen ruft der Buddhist aus:

«Das ist es!»; und das und das und das, jedes einzelne aller dieser Worte ist immer es, ist immer das eine große Schweigen.

Außerdem brauchen wir den Hinduismus, um uns daran zu erinnern, dass das, worauf es wirklich ankommt, ist, dass dies es ist ‒ das Wort Schweigen ist und Schweigen das Wort ist ‒ und darin das wahre Verstehen liegt.

Diese Sichtweisen ergänzen einander also gegenseitig.

Indem wir andere Sichtweisen schätzen, lernen wir die unsrige weiten, ohne sie zu verlieren.

In Wirklichkeit vertieft sich durch den Kontakt mit anderen für uns das Verständnis unserer eigenen Tradition.

So könnten Christen zum Beispiel das Geheimnis des dreieinigen Gottes im Muster von Wort, Schweigen und Verstehen gespiegelt sehen.

Gott, den Jesus «Vater» nennt, lässt sich auch als der mütterliche Schoß des Schweigens verstehen, aus dem vor aller Zeit das ewige Wort geboren wurde, indem durch Gottes Selbst-Verständnis das Schweigen zu Wort kam.

Das Wort wiederum, also der Sohn, führte gehorsam den Willen des Vaters aus, und indem er das tat, kehrte er durch das Verstehen, das vollkommene Liebe ist, also durch den Heiligen Geist, zu Gott zurück.

Erinnern wir uns an die Metapher des heiligen Gregor von Nyssa für die wechselseitige Bezogenheit der Dreifaltigkeit.

Tatsächlich hat man sich ab der Zeit der kappadokischen Väter, dieser großen Kirchenlehrer des 4. Jahrhunderts, bis zu den Shakern im 19. Jahrhundert in der christlichen Tradition diese innertrinitarischen Beziehungen wie einen großen Reigentanz vorgestellt.

Christus, der große Anführer des kosmischen Tanzes, sprang vom himmlischen Thron, «während tiefes Schweigen alles umfing» (Weish 18,14), und tanzend führt er die gesamte Schöpfung in der Kraft des Heiligen Geistes zu Gott zurück. [Auf dem Weg der Stille (2016), 39-41]

[Ergänzend:

1. Audios

1.1. Audio-Vortrag: Die Weisheit, die alle verbindet ‒ Wie die Religionen zusammenfinden können (2010), sowie: Mitschrift, 9f.

1.2. Audio-Vortrag Das Gottesbild des modernen Menschen (2009)
Teil 2:
(20:41) Sinn finden in den drei Bereichen: Wort ‒ Schweigen ‒ Verstehen / (24:00) Wort ‒ Schweigen ‒ Verstehen in den Weltreligionen: Das Wort ‚Amen‘, die Antwort auf die ‚amunah‘, die Verlässlichkeit Gottes, in den westlichen Amen-Traditionen Judentum, Christentum und Islam / (25:21) Das Schweigen im Buddhismus und das Verstehen im Hinduismus / (33:10) Die drei Bereiche der Sinnsuche, die drei Ausformungen der Religionen und die drei Gebetsformen eröffnen ein nachvollziehbares Verständnis des dreifaltigen Gottes in der Praxis dankbaren Lebens im Unterschied zum Pantheismus

1.3. Audio-Vortrag Begegnung der Religionen (1993)
Vortrag:
(35:56) Die unterschiedliche Betonung von Wort – Schweigen – Verstehen durch Tun in den verschiedenen Weltreligionen: Zunächst die Ausrichtung auf das Wort in den Amen-Traditionen Judentum, Christentum, Islam: Rabbi Sussja in der Deutung von Martin Buber und einem Axiom von Thomas von Aquin / (40:31) Das Schweigen im Buddhismus: Die Blumenpredigt des Buddha / (44:19) Das Verstehen durch Tun im Hinduismus: ‚Yoga ist Verstehen‘ (Swami Satchidananda) und der Prinz Arjuna in der Bhagavad Gita – ‚Wer bereit ist, den Willen Gottes zu tun, wird erkennen‘ (Joh 7,17) – ‚Du wirst nur durch die Tat erfasst‘ (Rilke)
(47:55) Die Traditionen schließen einander ein: Man kann nicht Christ sein ohne zugleich auch Buddhist und Hindu zu sein – Wie die Religionen einander ergänzen: Das ist es in drei verschiedenen Betonungen – Gott verstehen als den Unerkenntlichen (Dionysius Areopagita) / (51:31) Der himmlische, überirdische, außerzeitliche Reigentanz der Dreieinigkeit Gottes gespiegelt im Reigentanz der Religionen – Der Blickwinkel der Außenstehenden auf einen Kreistanz im Unterschied zu jenen, die drinnen sind

2. Weitere Texte

2.1. In Meine wichtigste Erfahrung in der Begegnung mit anderen Religionen (2018) fasst Bruder David zusammen, wie wir ‒ ausgehend von unserer Sinnfindung ‒ die Vielfalt der religiösen Traditionen, die drei Innenwelten des Gebetes  und des Geheimnisses der Dreifaltigkeit in einer Zusammenschau erfahren können, wenn uns der essentielle Zusammenhang wie auch der Unterschied von Wort ‒ Schweigen ‒ Verstehen durch Tun in seiner Dichte und Fülle aufgeht.

2.2. TRANSKRIPTION DES SEMINARS (2014) Teil II, 159-162:
Bruder David beendet das Seminar mit einem Schlussakkord, in dem alle spirituellen Traditionen der Welt mit ihrem eigenen Ton mitschwingen.

2.3. Im Vortrag An welchen Gott können wir noch glauben? (2008):

«Das Gottesbild, das jetzt auftaucht und sich hier entfaltet, ist nicht mehr ausschließlich auf Überlieferung gegründet, sondern weitgehend auf persönliche Erfahrung. Und in diesem Gottesbild, in einem ganzheitlichen Bewusstsein, ist Gott ‹mir näher, als ich mir selber bin›.

Worum handelt es sich bei dieser Ur-Erfahrung? ‒ das ist unsere erste Frage. Und die zweite ist, wie drückt sich dann diese Ur-Erfahrung in den Religionen aus? Die dritte ist ganz praktisch, wie können wir diesem Ziel unserer religiösen Ur-Sehnsucht näherkommen?»

2.4. Vor 50 Jahren (1972), eröffnete Bruder David die damaligen Salzburger Hochschulwochen mit dem Vortrag Jesus als Wort Gottes, abgedruckt in: Die Frage nach Jesus (1973), 9-67

In diesem Vortrag geht Bruder David grundlegend ein auf die drei Dimensionen Wort ‒ Schweigen ‒ Verstehen im Tun in denen wir Sinn erfahren. Bruder David führt uns ein in eine innere Schau, mit der wir die Unterschiede wie auch die Gemeinsamkeiten aller religiösen Traditionen erfassen können:

«Wir werden uns also bemühen müssen um ein tieferes Verständnis menschlichen Sinnstrebens in dem dreifachen Zusammenhang von Wort, Schweigen und Ergriffenheit[2]. Wir werden dadurch sehen, wie alles das hinzielt auf das innerste Geheimnis des Christentums, nämlich das Geheimnis der Trinität. Und erst von dort, von unserem eigensten Zentralgeheimnis aus können wir hoffen, irgendwie zu verstehen, dass andere Traditionen der Menschheitsgeschichte ebensosehr im Schweigen das Zentrum ihrer Sinnsuche finden oder in der Ergriffenheit, wie wir es im Wort finden.» (16f.)

«Es ist daher auch klar, dass keine dieser Traditionen die andere ausschließt. Man kann nicht einmal sagen, dass die drei sich gegenseitig ergänzen, sie sind vielmehr interdimensional miteinander. Wenn man die eine hat, hat man auch schon die anderen.»
(S. 50)

Bruder David schließt mit den Worten: «Um Offenbarung zu verstehen, müssen wir in die Offenbarung eintreten; müssen dem Logos als Anführer des Reigens[3] folgen; müssen uns in liebender Ergriffenheit durch das Wort in das Schweigen führen lassen und aus dem Schweigen heraus gehorsam werden. Unser Thema geht über bloß akademisches Bemühen weit hinaus. Um im Wort der Offenbarung Sinn zu finden, müssen wir etwas tun ‒ das Wichtigste und zugleich das Schwerste ‒: uns dem Wort des Lebens stellen und ‒ mittanzen.» (67)]

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[1] Martin Buber, «Die Erzählungen der Chassidim», Zürich 1949, 375

[2] Ergriffenheit im Unterschied zum Begreifen ist Verstehen in Ergriffenheit, liebendes Verstehen im Tun: «Was geschieht denn eigentlich, wenn wir verstehen? Wir hören ein Wort, öffnen uns dem Wort, stellen uns diesem Wort; das Wort ergreift uns, ergreift uns bis zur Sprachlosigkeit, wenn es uns wirklich zutiefst ergreift, und führt uns dadurch in das Schweigen. Verstehen ist also ein dynamischer Vorgang, der Wort und Schweigen miteinander verbindet.» (49f.)

[3] «Das ist es, was die griechischen Kirchenväter den großen Reigentanz der Dreifaltigkeit nannten. Vielleicht ist dieses Bild des Tanzes das Sinnbild, das auf unsere Frage nach dem letzten Sinn antwortet, wenn alle anderen Antworten versagen. Alles, was es gibt, ist aufgenommen in diesen Tanz, der sich spielerisch in immer neuen Formen entfaltet. Tanz ist Fülle des Lebens, Feier, in der des Lebens Sinn zu sich selbst kommt: Ringelreihen, Hochzeitstanz, Totentanz, Reigen der Seligen im Paradies, großer Rundtanz des Lebens. Und der Logos war schon für die frühen Kirchenväter Vortänzer, Anführer im großen Tanz. Hier liegt die Vorrangstellung der Offenbarungstradition im Gefüge der religiösen Traditionen: Vorrangstellung hinsichtlich des Wortes. Im Buddhismus Vorrangstellung hinsichtlich des Schweigens. Im Hinduismus Vorrangstellung hinsichtlich der Ergriffenheit. Und die drei beinhalten einander.» (66)



Quellenangaben

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