Text von Br. David Steindl-Rast OSB
Klöster legen Wert auf Reinlichkeit und Ordentlichkeit; die meisten Besucher bemerken das sofort. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Anstrengung, die Dinge in deinem Inneren, in deinem Leben und in dem Bereich um dich herum in Ordnung zubringen. Aber Novizen finden das schwer verständlich. Sie sagen «Wir sind hierher gekommen, um spirituelle Dinge zu lernen und man sagt uns, wann wir unsere Schuhe anziehen und wann ausziehen sollen, wie wir sie hinstellen sollen mit dem rechten auf der rechten Seite und dem linken auf der linken Seite, und parallel, nicht mit den Schuhspitzen nach innen. Was hat das mit dem spirituellen Leben zu tun?» Es hat alles damit zu tun. Das ist Spiritualität; es ist nicht etwas, das du einfach als Novize tust und dann erlangst du spirituelle Reife. Aber es braucht lange Zeit zu verstehen, dass Ordnung und Sauberkeit nicht nur bedeutet, dass man den Raum reinigt, sondern dass man sein Leben in Ordnung bringt.
Also ist es das Ziel, Dinge in Ordnung zubringen. Ordnung ist die Anordnung von Dingen, in der jedes dem anderen Raum lässt, seinen eigenen gebührenden Platz. Das ist der äußere Aspekt. Der andere ist, dass Ordnung immer der Liebe entspringt: Es gibt keinen anderen Weg, Ordnung herzustellen als durch Liebe. [ST 100, Quelle: GR, aus dem Englischen übersetzt von Ulla Bohn]
«Höre» ist das erste Wort von Benedikts Klosterregel, und ein weiteres Schlüsselwort heißt im Lateinischen «considera» («bedenke»), was wörtlich heißt:
«Stimme dich auf die Sterne (sidera) ein!»
Der heilige Benedikt, der Patriarch der abendländischen Mönche, will, dass sie «apertis oculis et attonitis auribus» leben,
wörtlich: «mit offenen Augen und vom Donner gerührten Ohren»;
das Schweigen von Gottes Gegenwart soll sie also wie der Donner rühren.
Aus diesem Grund soll das Benediktinerkloster eine «schola Dominici servitii» sein, eine Schule, in der man sich auf die oberste Ordnung einstimmt.
Aber mit einer solchen Ordnung ist nichts Starres gemeint.
Das wäre die größte Gefahr, ja die Falle, in die man tappen könnte: die oberste Ordnung als statisch zu verstehen.
Sie ist im Gegenteil zutiefst dynamisch.
Das einzige Bild, das wir letztlich für diese Ordnung finden können, ist der Tanz der Sphären.
Wozu wir im Kloster eingeladen werden, was wir darin lernen sollen, und was wir als Profis darin üben sollen, ist, auf diese Melodie zu hören und uns selbst in diese Harmonie einzustimmen, nach der das ganze Universum tanzt.
Der heilige Augustinus bringt diese Dynamik der Ordnung damit zum Ausdruck, dass er sagt:
«Ordo est amoris»,
was bedeutet, dass die Ordnung einfach der Ausdruck der Liebe ist, die das Universum bewegt.
Auch Dante sagt das in der wunderschönen Zeile in seinem «Paradiso», wenn er von
«l'amor che muove il sole e l‘altre stelle»
spricht, frei übersetzt:
«der Liebe, die die Sonne und alle andern Gestirne bewegt.»
Doch Tatsache ist, dass sich zwar das ganze übrige Universum frei und anmutig in kosmischer Harmonie bewegt, aber wir Menschen nicht.
Uns kostet es große Mühe, uns auf die dynamische Ordnung der Liebe einzustimmen.
Ab einem gewissen Punkt kostet es uns sogar die allergrößte Mühe, uns paradoxerweise überhaupt keine Mühe zu geben.
Das größte Hindernis, das wir überwinden müssen, ist die Anhänglichkeit, und sogar die Anhänglichkeit an unser eigenes Bemühen.
Bei der Askese handelt es sich um das professionelle Trachten danach, die Anhänglichkeit in allen ihren Formen zu überwinden.
Unser Bild vom Tanz sollte uns das verstehen helfen.
Die Loslösung, also einfach deren Gegenteil, lässt unsere Bewegungen frei und geschickt werden.
Die positiven Aspekte der Askese sind Aufgewecktheit, Wachsamkeit, Lebendigkeit.
Wenn wir uns frei bewegen können, fangen wir an, die Tanzschritte zu lernen. Dann hören wir auf die Musik, stimmen uns auf sie ein und bewegen uns nach ihr.
[Auf dem Weg der Stille (2016), 103-105]
Unsere lateinische Tradition definiert den Frieden als «tranquillitas ordinis», «Stille der Ordnung».
Ordnung ist untrennbar mit dem Schweigen verbunden, aber das ist ein dynamisches Schweigen.
Die Stille der Ordnung ist also eine dynamische Stille, die Stille einer Flamme, die in vollkommener Ruhe brennt, oder eines Rads, das sich so schnell dreht, dass es stillzustehen scheint.
Schweigen in diesem Sinn ist nicht nur eine Eigenschaft der Umgebung, sondern in erster Linie eine Einstellung, eine Haltung des Hörens.
Das ist ein Geschenk, dass jeder von uns eingeladen ist, allen anderen zu machen: das Geschenk des Schweigens.
Lasst uns also einander Schweigen schenken.
Lasst uns damit auf der Stelle anfangen.
[Auf dem Weg der Stille (2016), 109]
[Ergänzend:
Was verlangst du von der Kunst: Vortrag von Franz Kuno Steindl-Rast (ca. 1945) und
Dem Welthaushalt freudig dienen ‒ Spiritualität 2011: Dem Welthaushalt freudig dienen: Pater Johannes und Bruder David im Dialog (29. April 2011): (18:54) Ordo est amoris (Augustinus): Was würde die Liebe dazu sagen?]