Text von Br. David Steindl-Rast OSB

tod titelCopyright © - Klaudia Menzi-Steinberger

Wir wissen wenig über unsere letzten Augenblicke, wir wissen aber, worauf es jetzt ankommt. Ich würde also sagen: Stirb, solange du lebendig bist, weil du nicht weißt, wie gut du etwas tun kannst, das deine ganze Energie braucht, wenn du erst einmal senil, schwach oder sehr krank bist.

Hier ist wieder einer der Punkte, wo meines Erachtens Geburt und Tod einander sehr nahe kommen. Weder Geburt noch Tod können auf einen zeitlichen Augenblick festgelegt werden. Wir wissen nicht genau, wann eine Person geboren ist. Wir können auf den körperlichen Vorgang verweisen, in dem die Nabelschnur durchschnitten wird, doch manche Leute werden vielleicht erst nach 40 Jahren richtig lebendig oder noch später. Wann wird eine Person lebendig? Ich kann mir vorstellen, dass der eigentliche Augenblick, in dem Jemand zum Leben erwacht, genau derjenige ist, in dem er wirklich stirbt. Und alles was dahin führte, vielleicht 45 Jahre lang, ist Zeit, die zum Üben gebraucht wurde für diesen wichtigen Moment; und alles, was danach folgt, ist Zeit, die gebraucht wird, um der Natur ihren Lauf zu lassen. Im Leben mancher Leute geschieht das vielleicht ganz plötzlich, in einem einzigen Augenblick, während es bei anderen schrittweise geschieht, mühsam durch viele Stufen hindurch. [Sterben lernen (2005)]

Wenn man tot ist, dann ist man tot. Deine Zeit ist abgelaufen, daher gibt es nichts «nach» dem Tode. Von der Definition her ist Tod dasjenige, nach dem es nichts mehr gibt. Die Zeit ist vorbei; die Uhr ist abgelaufen. Die Zeit eines anderen mag weiterlaufen, deine eigene jedoch ist vorbei. Für dich gibt es kein «danach».

Und doch erleben wir selbst jetzt, vor dem Tode, wichtige Augenblicke, die nicht in der Zeit liegen. Sie sind, wie T. S. Eliot es formuliert, «innerhalb und außerhalb der Zeit». Wir erfahren hier und jetzt Wirklichkeiten, die jenseits der Zeit liegen. In solchen Augenblicken wird Zeit eine Begrenzung erfahren. Wenn meine Zeit jedoch abgelaufen ist, dann bleibt alles das bestehen, was jenseits der Zeit ist. Das ist keinem Wandel unterworfen. Es dauert. Wenn mein Leben schließlich vollendet ist, ist es so, als wenn eine Frucht vom Baum fällt. Ich fahre nicht fort, für alle Zeiten irgendetwas zu tun. So wie in den lebendigsten Augenblicken in diesem Leben, besitze ich mein gesamtes Leben auf einmal. Außerhalb der Zeit besitze ich mein Leben. Und da alles mit allem in diesem «Jetzt, das nicht vergeht» zusammenhängt, besitzen wir alles. Wenn Zeit uns nicht mehr trennt, besitzen wir alle diejenigen, die wir lieben, einschließlich aller Tiere und Pflanzen. [ST 133f., Quelle: WZ 1-3) 128]



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