Text von Br. David Steindl-Rast OSB
Meine Methode ist das Jesus-Gebet, das ursprünglich östlich war, in der westlichen Christenheit aber auch weit verbreitet ist.
Ich benutze selbstgemachte Perlenschnüre, die ich an meinem Finger als Ring trage. Sie haben zehn Perlen, so dass ich sie als Rosenkranz benutzen kann. Diese Perlen zu bewegen, setzt einen psychomotorischen Kreislauf in Gang. Es braucht einige Übung, aber immer, wenn man die Perlen bewegt, lässt das dieses Gebet auf einer unterbewussten Ebene ablaufen. Während ich mit jemandem rede oder andere Dinge tue, löst die Bewegung der Perlen etwas in mir aus, das dieses Gebet durch mein Herz flammen lässt. Es gibt bekanntlich mehrere unterschiedliche Arten des Jesus-Gebets, längere und kürzere Formen. Ich benutze nur die kurze Form: «Herr Jesus, Erbarmen; Herr Jesus, Erbarmen.» Ich finde die anderen zu lang; ich werde abgelenkt. Außerdem passt «Herr Jesus, Erbarmen; Herr Jesus, Erbarmen» besser zu meiner Atmung. Abgesehen davon finde ich, dass in unserer Tradition viel Betonung auf Sünden liegt, und die längere Form «Hab Erbarmen mit mir Sünder verstärkt diese Betonung noch. Wir sind sicherlich Sünder. Nicht einmal so sehr persönlich, aber wir leben in einer Welt der Entfremdung, der Sünde; egal wie viel guten Willen man hat, man kann nicht verhindern, dass man allein durch die Tatsache, dass man selbst in der Ersten Welt lebt, verursacht, dass in der Dritten Welt Millionen Menschen ausgebeutet werden. Das ist Sünde, viel mehr als unsere kleinen Kavaliersdelikte. Ich bin mir dieser Sündhaftigkeit durchaus bewusst. Aber ich glaube nicht, dass es notwendig ist, mit jedem Atemzug darauf herumzureiten. Ich preise Gott lieber für seine Vergebung und die Überwindung der Sünde. Wenn ich sage «Herr Jesus, Erbarmen», kann das ein Ruf nach Erbarmen sein oder auch ein Dank für erwiesenes Erbarmen. Es ist ein Gebet des Lobes und der Danksagung.
[ST 71f., Quelle: GR, aus dem Englischen übersetzt von Ulla Bohn]
Das Jesus-Gebet ‒ Herzens-Gebet, wie es auch heißt ‒ besteht im Wesentlichen in der mantrischen Wiederholung des Namens Jesu im Rhythmus des eigenen Atems und Herzschlags. Wenn ich den Namen Jesu in einem gegebenen Augenblick vor mich hin spreche, so mache ich diesen Augenblick transparent für das Jetzt, das nicht vorübergeht.
Was die Bibel «vom Worte Gottes leben» nennt, ist zusammengefasst im Namen Jesu, in dem ich als Christ das fleischgewordene Wort anbete. Wenn ich jedem Ding und jedem Menschen, den ich treffe, diesen Namen gebe, wenn ich ihn mir in jeder Lage vergegenwärtige, dann erinnere ich mich daran, dass all dies nur Erscheinungsformen der unerschöpflichen Fülle des einen ewigen Wortes Gottes, des Logos, sind. Ich erinnere mein Herz daran, hinzuhorchen, hellhörig zu werden.
Dieses Bild, könnte irreführen, als ob zwischen Gott, der spricht, und dem gehorsamen Herzen eine dualistische Spaltung bestehe. Die dualistische Spaltung, auf die wir hier stoßen, ist aber im Geheimnis der Dreifaltigkeit aufgehoben, im Vollsinn dieses Wortes. lm Lichte dieses Mysteriums verstehe ich mich zugleich als Wort aus dem Herzen des Schöpfers und als vom Schöpfer im Herzen angesprochen.
Aber die Verbundenheit geht noch tiefer. Um das an mich gerichtete Wort, das Wort, das ich zugleich bin, zu verstehen, muss ich die Sprache des Einen, der mich anspricht und ausspricht, sprechen. Wenn ich Gott überhaupt verstehen kann, so ist dies nur möglich, weil Gott mir am Geist des göttlichen Selbstverständnisses Anteil schenkt.[1]
Das Hinhorchen und Antworten, das unser geistliches Leben ausmacht, ist also keine dualistische Angelegenheit, sondern vielmehr Feier dreieiniger Verbundenheit: das Wort, das aus der Stille entspringt, führt im Verstehen heim in die Stille.
Mein Herz, wie ein Gefäß, das im Meer versinkt, ist voll von Gottes Leben und zugleich völlig darin eingetaucht. All das ist reines Geschenk. Meine Antwort ist Dankbarkeit. [ST 72f., Quelle: AH 1-2) 19f.; 3-5) 19f.]
[Ergänzend:
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[1] Siehe auch Sinn - dreifaltiges Mysterium, Anm. 9