Text von Br. David Steindl-Rast OSB

familie b kraehmer titelCopyright © - Barbara Krähmer

Mit dem ganzen Herzen Gott zugewandt, erkennt die Liebe ihre Zugehörigkeit; mit den Händen der Arbeit zugewandt, handelt die Liebe dementsprechend.

Die Römer hatten ein Wort für Liebe, das genau diese Haltung ausdrückt. Es ist das lateinische Wort pietas. Wir könnten es als «Familiensinn» übersetzen, eine Haltung, die dem Wissen um Zusammengehörigkeit entspringt und es entsprechend zum Ausdruck bringt. Pietas ist vor allem die Haltung des pater familias. Die Familie gehört zum Vater, von dem sie ihren Namen bezieht. Pietas gibt dem pius pater Rechte und Pflichten. Aber pietas ist eine Haltung, die von allen Mitgliedern des Haushalts geteilt wird und alle miteinander verbindet. Ehemann und Gattin lieben sich vielleicht auch mit Leidenschaft und Verlangen, das Band aber, das sie am stärksten und tiefsten zusammenhält, ist pietas. Das gleiche Band hält Brüder und Schwestern, Kinder und Eltern zusammen. Aber pietas bezieht auch Diener und Sklaven mit ein, jeden, der zum Haushalt gehört. Als Haushalt sind sie den Vorfahren der Familie und den Schutzgöttern, den lares, verbunden durch die gleiche pietas, die selbst die Haustiere miteinbezieht, das Land, die Werkzeuge, den Hausrat und alles Ererbte. Unsere Sprache kennt keinen vergleichbaren Begriff. Könnten wir die Kraft des lateinischen Wortes pietas in unser Wort «Pietät» übertragen, das sich von ihm ableitet, dann würden unsere Vorstellungen von Mitgefühl und Hingabe sicherlich bereichert werden. Sie alle stehen im Zusammenhang mit der Vorstellung des Zusammengehörens. Ein Wort können wir nicht willkürlich wiederbeleben. Aber wir müssen das Gefühl des Zusammengehörens wiederentdecken, das das Wort pietas prägte.

Die entscheidende Frage lautet: Wie groß ist unsere Familie? Wie groß ist die Reichweite unseres Zusammengehörens? Erreichen wir die entferntesten Bereiche von Gottes Haushalt? Wird sich unsere Sorge und Betroffenheit weit genug ausdehnen, um alle Mitglieder dieses Haushalts der Erde zu umfassen ‒ Menschen, Tiere, Pflanzen, die wir immer noch als fremd betrachten? Unser aller Überleben könnte von der Antwort auf diese Frage abhängen. [ST 40f., Quelle: FN 1) 154f., 2-5) 158-160; 6) 157-159]



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