Text und Audio von Br. David Steindl-Rast OSB

buddhismus b kraehmer titelCopyright © - Barbara Krähmer

Ich hatte bemerkt, dass für meine buddhistischen Lehrer Schweigen die Zentralstellung einnahm, die der des Wortes in den Amen-Traditionen entsprach.

Nirgends wird das offensichtlicher als in der berühmten wortlosen Predigt des Buddha. Wie kann jemand ohne Worte predigen?

Der Buddha hielt einfach eine Blume hoch. Nur ein einziger seiner Jünger verstand, heißt es. Wie konnte er aber ohne Worte beweisen, dass er verstand? (Und wenn er redet, hat er ja das Wesentliche nicht verstanden.) Er lächelte, wird uns berichtet. Der Buddha lächelte zurück, und in diesem gemeinsamen Schweigen wird die Tradition Buddhas weitergegeben an seinen ersten Nachfolger, an Mahakashypa, den Mönch der verständnisvoll schweigend gelächelt hatte.

Seither, sagt man, wird die buddhistische Tradition schweigend weitergegeben. Oder genauer gesagt, was weitergegeben wird ‒ die Tradition selbst ‒, ist Schweigen.

Das erklärt, was ich mit Eido Shimano Roshi erlebte. Wenn ich meinte, einen Punkt des Zen Buddhismus verstanden zu haben und ihn so genau wie möglich formulierte, um ihn danach zu fragen, lachte er aus vollem Hals und sagte: «Absolut richtig aber wie schade, dass du es in Worte fassen musst».

Und wenn er selber sich in unseren Gesprächen manchmal vergaß und begann, einen Punkt zu erläutern, erwischte er sich früher oder später dabei und lachte: «Ich mache schon wieder viele Worte. Jetzt bin ich schon ein halber Christ». [CG 1-2) 235f.]

Mir scheint, man könnte die buddhistische Metaphysik die fehlende Theologie Gottes nennen, die Theologie der Stille. Darin, wie die Buddhisten mit der Stille umgehen und sich innerhalb des Wortes auf die Stille konzentrieren, liegt etwas außerordentlich Wertvolles. Das Wort ist Stille, die zu Wort gekommen ist. Wenn man vergisst, dass das wahre Wort aus der Sille kommt und uns in die Stille zurückführt, wird das Gespräch zu einer Plauderei und ‒ allgemeiner betrachtet ‒ wird das Leben oberflächlich. Darum erscheint mir das buddhistische Augenmerk auf dem Schweigen innerhalb des Wortes außerordentlich wertvoll. Der Buddhismus enträtselt die Stille um die Stille. [ST 24, Quelle: SW 65f.]

[Ergänzend:

1. BUDDHISMUS, in: Das ABC der Schlüsselworte, im Buch: Orientierung finden (2021), 131f.:

«Von den unzähligen Aspekten der vielen Formen des Buddhismus steht für uns in diesem Buch vor allem einer im Mittelpunkt: das Schweigen.

Schweigen ist von Anfang an so grundlegend für den Buddhismus wie das Wort für die Amen-Traditionen [Judentum, Christentum, Islam] und das Verstehen-durch-Tun für den Hinduismus.

Das gilt nicht nur vom ‹vornehmen Schweigen› des Buddha, von seiner Weigerung, auf große spekulative Fragen zu antworten, die sich nicht direkt auf die zentrale Praxis beziehen. Dazu gehören sogar die Fragen nach Gott und nach dem Jenseits.

Schweigen hat vor allem eine positive Bedeutung, so wenn die große Predigt des Buddha, der Bergpredigt vergleichbar, wortlos ist. Er hält nur schweigend eine Blume hoch. Nur einer unter allen Anwesenden verstand diese berühmte ‹Blumenpredigt› und bewies, dass er verstanden hatte, indem er schweigend lächelte. In diesem Augenblick, so heißt es, ging die Tradition von Buddha auf seine lächelnden Nachfolger über.

Das Schweigen ist die Tradition. Die Amen-Traditionen vertrauen auf Gottes Wort; der Buddhismus lässt sich hinunter in das Schweigen, aus dem das Wort aufsteigt.»

2. «Wohin geht der Mensch?» (2022): Im überarbeiteten und ins Deutsche übersetzten Vorwort der Neuausgabe dieses Buches von Hugo M. Enomiya Lassalle, das Bruder David 1988 erstmals für die englische Ausgabe des Buches verfasste, schreibt er:

«Christen erfassen die Letzte Wirklichkeit in theistischen, Buddhisten in nichttheistischen Begriffen; für Zen spielt diese Unterscheidung keine Rolle. Was zählt, ist, dass im Herzen des Buddhismus als auch des Christentums die Erfahrung steht. Und diese Erfahrung ist, im Vollsinn, mystisch.»

3. Dankbarkeit macht eine Fütterung zum Mahl (2011): Interview von Marietta Schürholz mit Bruder David:

«Sie stehen gleichsam für die Verbindung von unterschiedlichen religiösen Traditionen, sind Benediktiner Mönch und haben sich zugleich intensiv mit dem Zen Buddhismus beschäftigt. Was hat die Begegnung mit dem Buddhismus für Sie bedeutet?»

«Eine ziemlich ähnliche Frage habe ich einmal Thomas Merton gestellt: ‹Glaubst Du, dass Du über das Christentum sagen könntest, was Du sagst, wenn es nicht im Licht des Buddhismus wäre?›

Und Merton hat geantwortet: ‹Ich glaube, dass ich das Christentum nicht so verstehen könnte, wie ich es verstehe, wenn es nicht im Licht des Buddhismus wäre.›

Merton ging es nicht um theologische Aspekte. Für ihn war die Einsicht zentral, dass es auf eine persönliche Beziehung zu ‹den letzten Dingen› ankommt. Es kommt nicht auf eine Lehre an, auf etwas, das man glaubt oder nicht glaubt. Es kommt nicht auf äußere Formen an. Es kommt eine persönliche Beziehung zum Grund an.

Das ist zugleich sehr buddhistisch und auch sehr christlich, urchristlich.

Alan Watts, der den Buddhismus in Amerika bekannt machte, sah die Tatsache, dass sich das Christentum und der Buddhismus getroffen haben, als die wichtigste historische Entwicklung des 20igsten Jahrhunderts an.

Ich sehe das genauso. Diese Begegnung ist ein ganz wichtiger Auslöser für einen Bewusstseinssprung, den wir machen müssen.»

4. Audio TAO der Hoffnung (1994):
Vortrag:
(24:30) Im echten Schweigen kommt das Schweigen zu Wort: Unterschied von Gespräch und Wortwechsel / (26:56) Der Tanz, die Rundbewegung vom Wort ins Schweigen und vom Schweigen ins Wort: Das Verstehen – Verstehen und Tun gehören engstens zusammen / (29:11) Wort – Schweigen – Verstehen in den Primärreligionen und die unterschiedliche Betonung in den westlichen und östlichen Religionen / (31:06) Die Blumenpredigt des Buddha – Zerreisset die Bücher – Wie schade, dass du es sagen musst]



Quellenangaben

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