Text von Br. David Steindl-Rast OSB

spiritualitaet titelCopyright © - Barbara Krähmer

Nicht nur unsere innere Gesundheit, auch unser körperliches Wohlbefinden wird weit mehr von unserer Spiritualität beeinflusst, als wir zu denken gewohnt waren.

Das erklärt sich schon aus dem Wort Spiritualität selbst. Da spiritus im Lateinischen Lebensatem heißt, ist Spiritualität unsere Lebendigkeit, die höchste Schwingungsfrequenz unseres Lebens sozusagen. Die ganze Bandbreite des Lebens in all seinen Formen und Graden ist ein Schwingungsganzes. Wenn wir bei diesem Bilde bleiben, können wir uns unsere Beziehung zum tiefsten Daseinsgrund ‒ zu Gott, wenn wir das Wort verwenden wollen ‒ als Erdung des Lebensstromes vorstellen.

Das Bild der elektrischen Erdung kann uns auch helfen, die Kluft zwischen Spiritualität und Religion verstandesmäßig zu überbrücken. Das Wort Religion kommt wohl von dem lateinischen Wort re-ligare her, weist also auf ein Wiederverbinden hin von etwas, das auseinander gerissen wurde. In diesem Sinne dürfen wir Religion als die Wiederherstellung abgebrochener Verbindungen verstehen ‒ Verbindungen zu unserem eigenen innersten Selbst, zu unserer Mitwelt in Gesellschaft und Natur und zu dem tiefsten Grund des Seins. So gesehen ist Religion die spirituelle Erdung in unserer eigenen Tiefe, die zugleich die unauslotbare Tiefe ist, aus der das ganze Universum entspringt. Religion reicht also tiefer als die einzelnen Religionen; sie ist die gemeinsame mystische Matrix, der spirituelle Humus, worin sie alle trotz ihrer Verschiedenheit gemeinsam wurzeln.

Leider betont das in unserer Kultur vorherrschende Gottesbild nicht die «Erdung» im göttlichen Grund, sondern vielmehr die Trennung. Gott wird als der übergroße Jemand gesehen, als völlig anderer und von uns absolut getrennter. Er ‒ und die Idee eines männlichen Gottes herrscht selbst unter jenen vor, die sich dagegen wehren ‒ er ist irgendwo «da oben» und wir sind hier. Eine unüberbrückbare Kluft liegt zwischen Gott und uns Menschen, zwischen Gott und allem, was es gibt. Die Vorstellung, dass Gott der absolut Andere und von uns Getrennte sei, macht uns entwurzelt. Nicht geerdet hängen die Drähte unserer Spiritualität in der Luft.
[ST 125f., Quelle: Auf der Suche nach einem heilen und heilenden Gottesverständnis 76f.]



Quellenangaben

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