Interview, Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

eins mit dem goettlichenCopyright © - Barbara Krähmer

Mir persönlich hat Zen geholfen, mein christliches Gottesverständnis zu vertiefen. Die entscheidende Schwelle war für mich die: Zu erleben, dass für mich selbst, aber auch für die Mehrzahl der aufgeweckten Menschen das alte Gottesbild oder die überlieferte Gottesvorstellung nicht mehr greift. Sie entspricht unserem heutigen Erleben nicht mehr. Wir leben heute in einer Welt, in der alles mit allem zusammenhängt, und zwar in allen Lebensbereichen, ob das nun Biologie oder Physik, Politik oder Wirtschaft ist.

Alles hängt mit allem zusammen ‒ das ist unsere Erfahrung tagtäglich. Wie sollen wir uns da mit einem Gott abfinden, der von der Welt und von uns getrennt sein soll? Der von uns getrennte Gott ‒ das geht nicht mehr! Doch das war schon in der echten lebendigen christlichen Tradition nicht anders ‒ kein Mystiker hätte das anders gesehen: Gott ist mit jedem von uns ganz intim verbunden, er ist nicht jenseits, er ist meine lebendige Gegenwart!

Im mystischen Erleben Gottes erfahren wir uns nicht als Wesen, die von Gott getrennt sind, sondern als Wesen, die mit dem Göttlichen eins sind. Das wird von allen Menschen ‒ ganz gleich, wie sie religiös eingestellt sind ‒ in einer innigen Weise erlebt. Da gibt es keine Glaubenssätze mehr, und der Mensch erlebt, dass sein innerstes Geheimnis eine göttliche Wirklichkeit ist: Ich kann mein Tiefstes nicht ausloten, denn diese tiefste Wirklichkeit ist meine göttliche Wirklichkeit.

Das ist schon in der Bibel gut ausgedrückt: Der Mensch ist Gottes Ebenbild ‒ Gott ist es, der durch uns hindurch atmet, wir sind durch Gottes eigenes Leben lebendig und genauso unauslotbar wie er. (archiviertes Interview 2014: Gelebte Dankbarkeit)

Wie ist es im biblischen Schöpfungsbericht dargestellt, dass der Mensch in Gottes Seinsweise versetzt sei? Wenn wir den biblischen Schöpfungsbericht nacherzählen sollen, erinnern wir uns vielleicht an mehr oder weniger Einzelheiten, aber es stellt sich in 99 von 100 Fällen heraus, dass wir den springenden Punkt vergessen. Man wird immer wieder erzählen, dass Gott den Menschen erschafft und dann mit ihm spricht, dann sich ihm offenbart, dann mit ihm in Kommunikation eintritt.

Aber da ist schon der springende Punkt verfehlt. Denn was die Bibel uns berichtet, ist nicht, dass Gott den Menschen da draußen erschafft, mit dieser Kluft zwischen Schöpfer und Geschöpf, sondern was Gott zunächst erschafft, ist noch gar nicht Mensch, nur etwas, das so aussieht wie ein Mensch, eine kleine Ton Puppe, leblos. Und jetzt kommt der eigentliche Schöpfungsakt, indem der Schöpfer in ganz drastischer biblischer Bildsprache dieser leblosen Figur sein eigenes Leben gibt, indem er seinen Geist, seinen Atem diesem leblosen Ding einhaucht.

Es gibt also nach der biblischen Anthropologie keinen Augenblick, in dem der Mensch nicht schon in Gemeinschaft mit Gott steht.
(aus dem Buch Die Frage nach Jesus (1973), Textauszug Wir leben vom ureigensten Leben Gottes (1972)

Siehe auch Audio-Vortrag Gottesbild und Glaubenszweifel (2003)

(28:51) Das mystische Gottesbild einer Welt, in der alles uns anspricht als Wort Gottes, denn ‚das Wort ist Fleisch geworden‘, und das ist das ewige Wort Gottes: Wir sind uns selbst so abgründig, dass die tiefste Tiefe unseres eigenen Lebens göttlich ist.

Ebenso Audio Vortrag Was bedeutet uns Jesus Christus heute (2004)

(40:33) Br. David schließt mit unserer Aufgabe: Mensch werden: Mensch sein ist nicht Privatsache, wir hängen alle zusammen. Wir sind das Missing Link zum vollen Menschen Jesus. Die Evolution ist von Anbeginn Menschwerdung Gottes und nach der ersten Seite der Bibel leben wir vom ureigensten Leben Gottes: Wir sind Gottmenschliche Wesen

Ebenso Audio-Vortrag: Retreat Woche in Assisi (1989): «Ich glaube an Jesus Christus, unsern Herrn»

(13:16) Der Mensch lebt nach der biblischen Anthropologie vom ureigensten Leben Gottes



Quellenangaben

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