Dieter Jenz zitiert David Steindl-Rast OSB u.a. auch in seinen Blog-Beiträgen. Dieser Blog-Artikel beginnt mit einem Zitat von
Bruder David «Dankbar zu leben macht das Leben bedeutungsvoll und erfüllt es mit Glück».

 

dankbar zu leben macht das lebenSind undankbare Menschen glücklich?

Wohl jeder ist schon einmal einem undankbaren Menschen begegnet. Man hat für jemand etwas getan und es wurde überhaupt nicht gewürdigt, vielleicht sogar als selbstverständlich angesehen. Dabei war es keineswegs selbstverständlich. Kein Wunder, dass man enttäuscht ist.

Manche Menschen sind sogar chronisch undankbar. Sie empfangen, geben aber nichts, noch nicht einmal ein einfaches «Dankeschön». Wenn man sich jedoch einen (chronisch) undankbaren Menschen näher ansieht, stellt man fast immer fest, dass Undankbarkeit mit Unzufriedenheit mit dem Leben gepaart ist. Durch ihre Unzufriedenheit machen sie sich darüber hinaus auch menschlich unattraktiv.

Können undankbare Menschen glücklich sein? Wohl kaum! Sie können sich durchaus über etwas freuen. Doch Freude bezeichnet eher einen vorübergehenden und vergänglichen Gefühlszustand (Beispiel: «über das Geburtstagsgeschenk freue ich mich riesig»). Glücksempfinden ist demgegenüber eher eine Angelegenheit rationaler Bewertung des Lebens, oft auch verknüpft mit einer Rückschau (Beispiel: «über alle Höhen und Tiefen hinweg konnte ich bisher ein glückliches Leben führen»).

Immer wieder einmal werden Befragungen durchgeführt, als wie glücklich sich Menschen empfinden. Im Allgemeinen sind es etwa zwanzig Prozent der Menschen in Deutschland, die sich für unglücklich halten, wobei der Anteil je nach Umfrage und in Abhängigkeit von der genauen Fragestellung variiert. Was könnten sie in ihrem Leben und bei sich selbst ändern?

Wenn Dankbarkeit der Weg zum Glücklichsein ist und wenn ein dankbares Leben mit Glück erfüllt ist – wäre es dann nicht naheliegend, ab der nächsten Sekunde ein dankbares Leben anzustreben? Eigentlich schon – einige Millionen Menschen könnten ihr Leben mit Glück erfüllen. Doch bevor man sich darauf einlässt, ist zu klären, was mit dankbar zu leben gemeint ist.

Dankbar lebend – was ist gemeint?

Das englischsprachige Originalzitat lautet: «Grateful living makes life meaningful and full of joy». Im Englischen drückt die «ing-Form» (Verlaufsform bzw. Present Progressive) aus, dass man gerade dabei ist, etwas zu tun. Insofern trifft die Übersetzung «Dankbar lebend macht das Leben bedeutungsvoll und erfüllt es mit Glück» den Sinn recht gut, hört sich aber im Deutschen nicht gerade «geschmeidig» an. Leider gibt es die Verlaufsform im Deutschen nicht. Man muss umschreiben, wie beispielsweise mit «gerade», «im Moment» oder «jetzt», oder das Gewünschte mit einem Adjektiv (z. B. «lebend») ausdrücken.

Eine mögliche, jedoch lose Übersetzung wäre auch «dankerfüllt leben». Wenn man dankend lebt, dann ist das Leben ausgefüllt mit Dank, oder eben dankerfüllt. Ein anhaltender Zustand ist gemeint, keine isolierten «Dankereignisse».

Dankbar zu leben spiegelt in der Konsequenz eine Grundeinstellung wider, die sich mit der Zeit zu einem Charakterzug ausbildet. Wie kommt man aber zu dieser Grundeinstellung? Schließlich ist Dankbarkeit nicht genetisch veranlagt und damit einem auch nicht ins Leben mitgegeben. Dankbarkeit wird auch nicht in der Schule gelernt. Man muss sich selbst darum kümmern, Dankbarkeit zu erlernen.

Woher kommt die Motivation für ein von Dankbarkeit geprägtes Leben?

Erfahrungsgemäß muss man motiviert sein, wenn man etwas nachhaltig erlernen oder im Leben ändern möchte – oder die Lebensverhältnisse führen einen ungewollt dazu. Die Frage, wie David Steindl-Rast selbst dazu kam, Dankbarkeit zu lernen, liegt nahe. In ihrem Buch «Der Stimme des Herzens vertrauen: Erfüllt und achtsam leben» schildert Christa Spannbauer, dass David Steindl-Rast nach seinen Worten als Jugendlicher im zerbombten und ausgehungerten Wien des Zweiten Weltkriegs Dankbarkeit gelernt habe. Dort, inmitten von Zerstörung und ständig vom Tod bedroht, sei ihm die einzigartige Kostbarkeit des Lebens bewusstgeworden.

Sicherlich hat jeder Mensch seinen ganz eigenen Zugang zu Dankbarkeit. Doch welche Menschen werden am ehesten und am meisten dankbar sein? Höchstwahrscheinlich sind es nicht die Menschen, die alles als gegeben sehen und für selbstverständlich erachten. Vielmehr sind es am ehesten die Menschen, deren Leben in irgendeiner Weise bedroht war und die in einer Grenzsituation überleben konnten. Vielleicht war es die Heilung einer lebensbedrohlichen Krankheit oder Verletzung, vielleicht das Entkommen aus einem brennenden Haus in letzter Sekunde, oder irgendeine andere existenzielle Erfahrung. Und am ehesten sind es auch Menschen, die sehr viel entbehren mussten, beispielsweise Nahrung.

Die Motivation zum «dankbar lebend» kommt, so lässt sich erschließen, nicht aus einer nahegebrachten Erkenntnis, so etwa, wie wenn man sich Wissen aneignet (Beispiel: «Die Drehung der Erde um ihre Achse dauert 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden.»). Vielmehr kommt sie aus tiefster innerer Überzeugung, wobei diese auch durch intensives Nachdenken gewonnen werden kann. Diese tiefste innere Überzeugung lautet: «Letztlich ist mir alles geschenkt!». Und die natürliche Reaktion auf ein Geschenk ist Dankbarkeit.

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer zieht einen weiteren Schluss: «Dem Dankbaren wird alles zum Geschenk, weil er weiß, dass es für ihn überhaupt kein verdientes Gut gibt. Er unterscheidet darum nicht zwischen Verdientem und Unverdientem, zwischen Erworbenem und Empfangenem, weil in seinen Augen auch das Erworbene Empfangenes, das Verdiente Unverdientes ist.».

Weshalb wird das Leben bedeutungsvoll?

Dankbarkeit führt in die Gegenwart, ins Jetzt. David Steindl-Rast drückt es so aus: «Du denkst, dies ist nur ein weiterer Tag in deinem Leben. Es ist nicht nur ein weiterer Tag. Es ist dieser eine Tag, der dir geschenkt wird. Heute. Er ist ein Geschenk. Er ist das einzige Geschenk, das du genau jetzt hast, und die einzig passende Antwort darauf ist Dankbarkeit.»

Wenn der heutige Tag nicht wirklich in der eigenen Hand liegt und vollständig unter eigener Kontrolle steht, ist er ein kostbares Geschenk. In seiner Kostbarkeit ist er nicht nur sinnvoll, sondern auch bedeutungsvoll. Das Leben ist kostbar und mit ihm auch jeder Moment.

Dankbar lebend führt in die Kommunikation mit unseren Mitmenschen. Wenn ein Gebender etwas schenkt und ein Empfangender sich dafür bedankt, entsteht ein Dialog. Der Dialog kann sich weiterentwickeln. In der Kommunikation findet unser psychisches Grundbedürfnis, der Wunsch nach Bindung und Zugehörigkeit, Ausdruck.

Weshalb wird das Leben mit Glück erfüllt?

Gehen dankbar lebende Menschen mit einem verklärten Dauerlächeln durch die Gegend? Sicherlich nicht! Auch dankbar lebende Menschen bleiben nicht vor Schicksalsschlägen verschont und müssen sie verkraften.

Ein ausschlaggebender Grund, weshalb das Leben mit Glück erfüllt wird, liegt in der Sichtweise auf das Leben begründet. Wenn jeder Tag im Leben als unverdientes Geschenk betrachtet wird, denkt und handelt man aus einer Einstellung des «genug» bzw. «genügend» heraus. Der Gegenpol ist die Einstellung, Mangel oder Knappheit zu empfinden.

Man hat immer die Möglichkeit, zu entscheiden, wie man sein Leben betrachten möchte. Man kann die Aufmerksamkeit auf Ereignisse oder Erlebnisse richten, die schmerzhaft waren. Vielleicht war die Kindheit geprägt von Vernachlässigung durch die Eltern. Man kann den empfundenen Mangel in den Blick nehmen und den Eltern in Gedanken vorwerfen, was sie alles falsch gemacht haben, was sie alles unterlassen haben, und wo man zu kurz gekommen ist. Oder man kann dankbar sein für das, was trotzdem möglich war. Vielleicht haben die Eltern ihr damals Möglichstes getan und konnten es einfach nicht besser.

Das bewusste Empfinden von Dankbarkeit zieht die Gedanken immer wieder in das Hier und Jetzt zurück. Wofür kann man gerade jetzt, in diesem Moment, dankbar sein? Höchstwahrscheinlich fällt einem einiges ein.

Im Übrigen ist das Besinnen darauf, wofür man in diesem Moment dankbar sein kann, ein erprobtes und sofort wirksames Mittel, ein Gegengewicht zu negativen Gedanken zu bilden. Diverse Untersuchungen konnten dies zeigen.

Vielleicht hat man gerade eine schlechte Erfahrung gemacht. Wenn man die Aufmerksamkeit auf das richtet, was einen dankbar stimmt, wird man feststellen, dass einen das Negative nicht überwältigen kann. Man benötigt Zeit, mit dem Negativen fertig zu werden, aber das Negative steht nicht (mehr) allein im Raum. Das «genug» bzw. «genügend» ist ebenfalls präsent und kann neue Kräfte verleihen.

Davon abgesehen kommt es gar nicht so selten vor, dass man im Nachhinein sogar für negative Erfahrungen oder Erlebnisse dankbar sein kann. Vielleicht hat der Partner oder die Partnerin die Beziehung beendet. Im Nachhinein kann man jedoch dafür dankbar sein, weil die Beziehung ohnehin keine Zukunft hatte, man es aber selbst nicht schaffte, sich zu trennen.

«Das Empfinden von Dankbarkeit zählt zu den am schnellsten wirksamen, wirkungsvollsten und positivsten geistigen Kräften, über die du verfügst» (Dieter Jenz)

Dankbarkeit lenkt den Blick auf das Geschenkte. Wenn man sich als reich beschenkt empfindet – die Natur beschenkt mit Nahrungsmitteln und Wasser, Mitmenschen beschenken auf unterschiedlichste Art und Weise – fällt es dann schwer, Glück zu empfinden? Dann kann auch der Wunsch entstehen, etwas von dem Glück in welcher Form auch immer, beispielsweise durch soziales Engagement, für andere wirksam zu machen. Wenn man empfängt, möchte man auch wieder geben.

Ein kleiner Selbsttest

Glücksempfinden steht in direkter Beziehung zu Dankbarkeit. In der Konsequenz ist empfundenes Glück eine Angelegenheit innerer Einstellung. Der Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm drückte es treffend so aus: «Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung», wobei er auch noch weitere Aspekte anspricht.

Wo steht man, was Dankbarkeit anbelangt, im Leben? Macht man sich vielleicht selbst etwas vor?

Die eigene Einstellung zum dankerfüllten Leben wird in den Alltagssituationen sichtbar, beispielsweise an der Supermarktkasse, bei nachbarschaftlichen Gefälligkeiten oder an der Arbeitsstelle. Ein paar persönlich formulierte Fragen sind bei der Klärung hilfreich:

  • Nehme ich Geschenke überhaupt wahr?
  • Kann ich ein Geschenk wertschätzen, und sei es auch noch so klein?
  • Sage ich stets »Danke«, wenn mir jemand etwas schenkt (Gegenstand, Zeit usw.)?

Wie schätzt man sich selbst ein? Sieht man noch «Luft nach oben»?

Und dann ist da noch eine Frage: Wann hatte ich zuletzt das Empfinden, dass mein Herz vor Dankbarkeit und Glück überfließt?



Quelle: Homepage Dieter Jenz

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