hansBruder David eröffnet seinen Vortrag: Vertrauen in das Leben (2014) mit einer Strophe aus Georg Trakls Gedicht «Winterabend»:
Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
aus der Erde kühlem Saft.
Bruder David ist für mich täglich Türöffner zu einem Kontinent, zu dem ich ein hochambivalentes Verhältnis habe.

Ich denke an die Gestalt und die Stimme von Bruder David, er vergegenwärtigt in seinem Da- und Sosein diesen Kontinent für mich so deutlich, dass ich ihn vorerst einfach «Bruder David» nenne.

Alle in meinem Bekanntenkreis kennen diesen Mann in seinem schwarzen und weißen Kamaldulenser Habit, mit einer auffälligen Kapuze.

Der Mann macht niemandem Angst und so kann auch dieser Kontinent, den ich meine, nicht so furchteinflößend sein, dass ich mich derart scheue, ihn mit Namen ungeschützt zu nennen.

Doch, das ist er! Sonst würde Bruder David nicht immer und immer wieder das Gebot wiederholen: «Fürchte dich nicht», es steht 365 Mal in der Bibel!

Vor Bruder David fürchte ich mich nur dann ein wenig, wenn er vom prophetischen Gehorsam spricht und dass wir, wenn wir ihn üben, dabei auch ein wenig gekreuzigt werden!

Meistens löst er Ernstes wieder mit seinem Lachen ermutigend auf, doch mir bleibt auch haften, wie er leise werden kann und anfügt:

«Aber schwer ist es!»

Bruder David öffnet mir die Türe zu diesem unbekannt / bekannten Kontinent ohne dass ich mich darin verliere oder resigniert zurückweiche.

Niemand öffnet mir diesen Schweige-Kontinent so erfüllt und kristallin wie Bruder David.

Er verdeutlicht mir mit seiner Erscheinung, was Karl Rahner

Urwort

nennt im Unterschied zu Nutzworten oder einem diskursiven Gedankengang.

Bruder David  bringt mir sprechend das Schweigen nahe in unglaublicher Dichte und Deutlichkeit, und macht mir erfahrbar, wie es
T.S. Eliot ausdrückte:

Words after speach reach in the silent.

Er ist für mich lebendiges Wort, das aus dem Schweigen kommt, mich anblickt und wieder — jetzt mit mir zusammen — ins Schweigen taucht.

Deshalb empfehle ich allen meinen Lieben: Lest nicht zuerst das «Credo», hört seine Vorträge vorher an, z.B.

Interreligiöser Dialog  (2014)
Vertrauen in das Leben
  (2014)
Mit dem Herzen horchen  (1988)
Fragen in Wendezeit - Mut und Vertrauen finden  (2010)
Credo - Ein Glaube, der alle verbindet  (Vortrag in der Ludwigskirche in Freiburg i.Bruder, 2010)

bis ihr ihn sprechen hört, was ihr lest.

Ich sage immer: Bruder David ist ein Musiker!

Musik will gehört werden — auch der Glaube kommt vom Hören!

«Alles steht in den Noten, nur das Wesentliche nicht!» (Gustav Mahler).

Alles steht im «Credo», nur das Wesentliche nicht! Das musst Du / müssen Sie selber ‚spielen‘! Oder besser: In sich spielen lassen!

Du / Sie müssen das Wesentliche wahrnehmen, diese Potentialität, die Bruder David

den Urglauben, «der Erde kühlen Saft» (Georg Trakl)

nennt.

Er vergleicht ihn gerne mit dem Sprachvermögen im Unterschied zum Sprechen einer bestimmten Sprache.

Das Sprachvermögen ist mehr und zugleich weniger als eine bestimmte Sprache.

Bruder David ist für mich unter allen Lehrern, Meistern der Meditation eine singuläre Erscheinung.

Was Bruder David von der Angst sagt: «Angst ist immer aus einem Stück», das gilt auch für ihn:
Er spricht und schreibt immer «aus einem Stück».

«Jeder große Dichter dichtet nur aus einem einzigen Gedicht»,
das aber nie zu Wort kommt
(Martin Heidegger).

Wenn ich Bruder David höre, bin ich am Schöpfungsakt dabei und erlebe erschütternd, wie aus dem Nichts etwas entsteht und falle in den anfangslosen Anfang von Bruckners 9. Symphonie.

Ich bin dabei, wie das Wort aus dem Schweigen entspringt, wie die unübersehbare Vielfalt des Seienden spricht, wie das Wort wieder ins Schweigen führt und in diesem Übergang «Verstehen» generiert.

Bruder David führt mich kundig in diesen Kontinent Schweigen und ich nehme unter seiner Führung wahr, dass und wie alle religiösen Traditionen der Welt zusammenklingen.

Kein Mischmasch, sondern durchaus ‚trennscharf‘, wie es das Konzil von Chalzedon ausdrückte:
Jesus Christus — wahrer Gott und wahrer Mensch —

unvermischt, ungetrennt und ungeteilt.

Bruder David sagt es so: «Sie sind klar unterscheidbar, aber nicht getrennt».

Wie ein Musiker den Tönen ihr stimmiges Gewicht geben muss, lerne ich von ihm, dogmatische Aussagen «leicht zu nehmen» in diesem musikalischen Sinn: mit dem richtigen Gewicht.

Der Ausdruck «leicht nehmen» hat Bruder David dem Schreiben mit dem Federhalter entnommen: Wenn man zu stark drückt, kann man nicht schreiben, wenn man zu leicht drückt, kann man auch nicht schreiben.

Es braucht diese flexible Geschmeidigkeit, die Schreiben möglich macht.

Um Bruder David ist nicht umsonst tänzerische Leichtigkeit, obwohl er auch mit Schwermut vertraut ist.

Er ist ein Tänzer, ein Choryphaneos, ein Anführer des Tanzes, ein Ludimagister, wie es Hugo Rahner  so schön in seinem Büchlein
«Der spielende Mensch» beschreibt:

«Die Ewigkeit wird also sein, was das verlorene Paradies war: ein göttliches Kinderspiel, ein Reigen des Geistes, eine endlich und ewig gelungene Leibwerdung der Seele. Daher kommt es, dass das Spiel in seinen Uranfängen zuerst heilig, dem Göttlichen geweiht, und dass der Tanz eine wesentlich kultische Handlung war. Und umgekehrt: dass der spielende Mensch in seiner gelösten Heiterkeit, in der Anmut seines lächelnden Weltverzichts, in seiner weisen Gelassenheit, die alles nur sein kann, wenn er die Welt nicht verzerrt zu einer nur innerkosmischen oder innerseelischen Wirklichkeit, sondern offensteht für Gott, wenn er also für sich und seine Lebensgestaltung die Antizipation des Ewigen schon vollzogen hat, wenn er gleichsam mit der schwebenden Eleganz des Tänzers die Erdkugel mit Füssen von sich stößt und dennoch und zugleich die Welt ans Herz drückt als die transparent gewordene Sichtbarkeit des schöpferischen Gottes.»

Als tiefes Schweigen das All umfing
und die Nacht bis zur Mitte gelangt war,
da stieg dein allmächtiges Wort,
o Herr, vom Himmel herab, vom königlichen Thron

(Weish 18,14 f.; Eröffnungsvers vom 6. Tag der Weihnachtsoktav und vom 2. Sonntag nach Weihnachten).

Wie aus dem Kontinent des Schweigens Beschwingtes herausspringen kann, das können wir bei diesem 93 jährigen Mann wahrnehmen, und: Wir haben alle dieses Potenzial!

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