«Persönliche Erwägungen» von Bruder David[i]
Was wäre anders, wenn ich nicht im Credo von ihm sagen könnte «Am Dritten Tage auferstanden von den Toten»?
Wie ‒ wenn überhaupt ‒ beeinflusst seine Auferstehung mein Gottesverständnis, meine Beziehung zu Gott?
Dass Gott ihm Recht gibt, im Widerspruch zu den Mächtigen dieser Welt ‒ die ihn töteten und siehe, er lebt! ‒ das stellt mich vor eine peinliche Wahl. Welches der bequemere Weg ist, darüber besteht kein Zweifel; muss ich trotzdem Gottes Weg wählen, um mir, meinem wahren Selbst, der Christuswirklichkeit in mir, treu zu bleiben?
Nur im Hinblick auf die Auferstehung kann ich das wagen, nur im Vertrauen darauf, dass ein letztes, endgültiges «Ja!» auch den Tod überwindet.
Da suche ich nach einem Vorbild, nach jemandem, der in unserer Zeit das ganze Gewicht seiner Persönlichkeit auf die Seite des machtlosen, verlachten Weltverbesserers warf, obwohl er ebenso gut in der Gesellschaft der (verächtlich lächelnden) Mächtigen ohne Mühe seinen Platz halten konnte. Dag Hammarskjöld fällt mir ein.
Dieser 1905 geborene schwedische Diplomat wurde 1953 Generalsekretär der Vereinten Nationen und starb 1961 bei einem dubiosen Flugzeugabsturz auf einer Friedensmission. John F. Kennedy gab zu: «Im Vergleich zu ihm bin ich ein kleiner Mann. Er war der größte Staatsmann unseres Jahrhunderts». Erst nach seinem Tod wurde dieser UN-Generalsekretär als ein tiefer Mystiker bekannt durch die Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen und Tagebücher unter dem Titel Zeichen am Weg.
Der Theologe Henry P. Van Dusen nennt dieses Buch «das vielleicht leuchtendste Zeugnis persönlichen Glaubens, das mitten im Feuer des Berufsdienstes geschrieben wurde ... unter der Last höchster Verantwortung für Frieden und Ordnung in der Welt».
Dag Hammarskjöld selber sagte:
«In unseren Tagen führt der Weg zur Heiligkeit notwendigerweise durch die Welt tatkräftigen Einsatzes».
Das weltliche Machtsystem gab diesem Mann die höchstmögliche Position. Für Jesus begeistert, benützte er seine Macht, um Andere zum Einsatz für Frieden und ökonomische Gerechtigkeit zu ermächtigen. Wie Jesus konnte er unschwer vorhersehen, was dies für seine eigene Karriere bedeuten würde.
Voll Vorahnung schrieb er:
«Es ist uns nicht erlaubt, die äußeren Umstände unseres Schicksals zu wählen, was wir aber daraus machen ist unsere Sache. Wer Abenteuer wählt, wird es erleben ‒ soweit sein Mut es zulässt, wer Aufopferung wählt wird aufgeopfert werden ‒ soweit die Lauterkeit seines Herzens es erlaubt».
«Dem Vergangenen: D a n k, dem Kommenden: J a!»
Das ist Dag Hammarskjölds bekanntester Ausspruch. Um aber zu ermessen, aus welcher Seelentiefe dieses «Ja!» kam, müssen wir weiterlesen.
«Ich weiß nicht, wer ‒ oder was ‒ die Frage stellte. Ich weiß nicht, wann sie gestellt wurde. Ich weiß nicht, ob ich antwortete. Aber einmal antwortete ich J a zu jemandem ‒ oder zu etwas. Von dieser Stunde her rührt die Gewissheit, dass das Dasein sinnvoll ist und darum mein Leben der Hingabe ein Ziel hat».
In seinem 2. Brief. an die Christengemeinde in Korinth (vermutlich im Jahr 56) nennt Paulus Jesus Christus «das Ja Gottes» (2 Kor 1,19).
Sobald Hammarskjöld dieses Ja gefunden hatte, schrieb er:
«Beim Weitergehen auf dem Weg lernte ich Schritt um Schritt, Wort für Wort, dass hinter jedem Satz des Helden der Frohbotschaft e i n Mann steht und die Erfahrung e i n e s Mannes. Auch hinter seiner Bitte, dass der Kelch an ihm vorübergehe und seiner Entscheidung ihn zu trinken. Also auch hinter jedem Wort vom Kreuz».
Es war Dag Hammarskjöld klar:
«Wer sich dem Weg anvertraut, weiß dass dieser Weg zum Kreuz führt».
Dieses Kreuz kam für ihn im Jahre 1961 im Kreuzfeuer von Friedensverhandlungen. Der 56-jährige UN-Generalsekretär ist auf dem Flug von Leopoldsville nach Ndola, um einen Waffenstillstand im Kongo zu erwirken, als die Maschine in der Nacht vom 17. zum 18. September an der Grenze zu Katanga aus ungeklärter Ursache abstürzt. Der ehemalige Präsident der USA, Harry Truman soll gesagt haben: «Dag Hammarskjöld war gerade daran, etwas zu erreichen, als sie ihn umbrachten ‒ man beachte, dass ich mit Bedacht sage, ‹umbrachten›» ‒ wie Jesus, als er gerade daran war, etwas zu erreichen. Jesus nannte dieses Etwas das «Reich Gottes».
Wer Dag Hammarskjölds Glauben teilt ‒ an Jesus Christus «Auferstanden von den Toten» ‒, der wird wohl auch im Augenblick eines plötzlichen Todes, sowie des seinen, wissen, «dass das Dasein sinnvoll ist».
Er schrieb ja auch:
«Suche nicht die Vernichtung. Sie wird dich finden.
Suche den Weg, der zur V o l l e n d u n g führt».
Da frage ich mich: Glaube ich fest genug an Gott, der ‒ allem Anschein zum Trotz- seine Getreuen nicht im Stich lassen wird?
Habe auch ich genug gläubiges Vertrauern, um die Vernichtung nicht zu fürchten auf meinem Weg zur Vollendung?
Und wie geht es Dir bezüglich dieser Perspektive von «Auferstanden»?
Kennst Du Menschen, die aus diesem «Auferstanden» so viel Mut schöpfen, dass sie sich getrauen, wie Jesus gegen den Strom zu schwimmen?
Sie brauchen keineswegs so prominent zu sein wie Dag Hammarskjöld. Es genügt,
«die gewöhnlichen Dinge im Leben
ungewöhnlich anzupacken»,
wie George Washington Carver (1864-1943) sagte. Der musste wohl wissen, wovon er sprach, denn er wurde im Staat Missouri als Sklave geboren, zeichnete sich aber als Agrarforscher, Lehrer, Maler und Erfinder so aus, dass ihm Time Magazine (1941) den Ehrentitel «Schwarzer Leonardo» gab.
Was findest Du am ungewöhnlichsten an der Art, mit der Jesus die gewöhnlichen Dinge im Leben anpackte?
Spornt die Auferstehung Dich an, es auf Deine Weise ähnlich wie er zu machen?
Wir fragen mit Recht nach dem geschichtlichen Ereignis, das hinter «Auferstehung» steht. Nur gründliche Arbeit der verschiedenen einschlägigen Wissenschaften wird uns einer Antwort näherbringen.
Weit wichtiger aber ist die Frage, ob und wie dieses «Auferstanden» unser Gottes- und Lebensverständnis hier und jetzt beeinflusst. Schwingt da etwas mit, was Dir in schweren dunklen Stunden Hilfe bietet?
Quelle:[i] Credo: Ein Glaube, der alle verbindet (2015), 155-158