Br. David Steindl-Rast OSB

impulskontrolle finden titelCopyright © - Klaudia Menzi-Steinberger

Die Frage nach einer mir besonders wichtigen Bibelstelle verlangte kein langes Nachdenken. Es sind Worte, die Paulus an Wahrheitssucher richtete, die täglich auf den Areopag in Athen kamen, um zu disputieren. Er hatte auf dem Weg dorthin einen Tempel gesehen, der «dem unbekannten Gott» geweiht war. Von diesem Gott sagte er nun: «In Ihm leben wir, weben wir und sind.» (Apg. 17:28).

Ob wir meinen, Gott zu kennen oder nicht, allein schon durch unser Lebendig-Sein haben wir Anteil am Leben Gottes. Das innerste Wesen der Lebendigkeit ist ja jenes Mysterium, das mit dem Wort «Gott» gemeint ist. Und «Mysterium» bedeutet nicht etwas Vages, sondern verweist auf Erfahrungen, die wir nicht begreifen können, wohl aber verstehen, wenn sie uns ergreifen. Musik zum Beispiel. Niemand kann ihr Wesen begreifen, wir können sie aber verstehen, wenn sie uns ergreift. Das gilt auch vom Leben. Niemand kann Lebendig-Sein in Begriffe fassen, wir verstehen es aber, besonders in Augenblicken tiefer Ergriffenheit. So kennen wir auch das innerste Wesen der Lebendigkeit, das Mysterium, das «Gott» genannt wird.

In Gott «sind» wir, weil das Mysterium alles Seiende durchwaltet – uns selbst sowie die Welt um uns und in uns. In Gott «weben wir», wie Luther so schön übersetzt, denn mit allem was wir tun, weben wir mit am Teppich des Lebens, in dem alles mit allem verwoben ist – und letztlich mit Gott als seinem innersten Mysterium.

Niemand kann herausfallen aus diesem «in Gott» Sein. Diese unverlierbare Geborgenheit schenkt mir tiefes Lebensvertrauen. Aber diese Bibelstelle gilt für alle Menschen. Paulus spricht ja hier zu Leuten, die von der christlichen Lehre nie gehört haben. Er sagt: «wie auch einige eurer Dichter gesagt haben.» Er stützt sich nicht auf Philosophen und Theologen, sondern auf Dichter. Nur Dichter finden Bilder und Worte, die uns gemeinsam ergreifen. Das aber brauchen wir heute dringend: Gemeinschaftssinn durch Ergriffenheit vom einen Gott, in dem wir leben und weben und sind.



Quelle: Werk der Frohbotschaft Batschuns, Dornbirn Dein Wort Mein Weg,  Ausgabe Dezember 2023 - Februar 2024. S.26

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