Br. David Steindl-Rast OSB

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Über diese besondere Zeit, den spirituellen Fokus zu schärfen.

Auf Englisch heißt Fastenzeit «Lent» und dies ist zugleich das alte Wort für Frühling (unser «Lenz»). Es bezeichnet eine Zeit des knospenden Lebens, innen wie außen. Zu oft wurde die Fastenzeit als eine Zeit der verbissenen Buße verstanden, doch sollte sie eine Zeit der Freude sein, der Freude eines Neubeginns, der Freude, welche die ergrünenden Wiesen und erblühenden Bäume jeden Frühling verkünden.

Der Aschermittwoch markiert den Beginn dieser besonderen Zeit, unseren spirituellen Fokus zu schärfen. Der Name Aschermittwoch kommt vom uralten Ritus, bei dem alle, welche mit Fasten beginnen, ein Kreuz aus Asche auf ihre Stirn gezeichnet bekommen. Diese Asche stammt von den verbrannten Zweigen des vorjährigen Palmsonntagsfestes.

Als ich dieses Jahr das Aschenkreuz erhielt, war dies von besonderer Bedeutung für mich, denn ich hatte soeben das Buch «Die letzte Woche» (The Last Week von Marcus Borg und John Dominic Crossan) gelesen. Es beginnt mit dem Palmsonntag und man begreift, dass die Palmsonntagsprozession, bei der wir Palmzweige tragen so wie es die Menschen damals taten, um Jesus in Jerusalem willkommen zu heißen, eine Gegendemonstration zum Einzug von Pontius Pilatus auf der anderen Seite der Stadt gewesen war. Pilatus kam, umgeben von Soldaten, auf einem Pferd; Jesus kam als Friedensfürst auf einem Esel. Diese sowie seine anderen gewaltlosen Demonstrationen kosteten Jesus das Leben. Wenn wir also mit Asche gezeichnet sind, erinnert dies uns an die «Nachfolge» (Titel eines Buches von Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis hingerichtet wurde).

Während der Priester den Gläubigen mit Asche segnet, spricht er die Worte: «Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.» (Das erinnert mich immer an den kleinen Jungen, der unter dem Bett ein Häufchen Staub entdeckt und schreit: «Mama, Mama, da ist einer unter meinem Bett, aber ich kann nicht sagen, ob er kommt oder geht.») Alle Erscheinungen kommen und gehen. Die Folge dieser Flüchtigkeit ist: JETZT ist die Zeit und die Zeit ist kurz. Doch der Satz «Bedenke Mensch…» passt nicht gut zur Lebensfreude im Jetzt von Gottes Gegenwart. Deshalb mag ich die andere Formel lieber, diejenige die heute häufiger in der Liturgie verwendet wird: «Wende dich von der Sünde ab und glaube an das Evangelium.» Sünde steht für alles, was uns von unserem authentischen Selbst, voneinander und vom göttlichen Urgrund unseres Seins trennt. Evangelium steht für die «Gute Lebensfreude im Jetzt von Gottes Gegenwart, für die «Gute Nachricht», dass das Reich Gottes nahe ist. Die Weltordnung im Einklang mit Gottes Plan wartet nur auf uns, sie zu einer Realität hier und jetzt zu machen.

Und wie machen wir Gottes Plan für die Welt zu einer greifbaren Realität? Indem wir die Sünde in ihren drei Dimensionen überwinden: wir werden authentisch, indem wir uns darum bemühen; wir preisen unsere Zugehörigkeit zum Universum, indem wir miteinander teilen; wir verankern uns in Gott, indem wir uns in seine Stille hineinlassen, um vom Brunnen des Lebens zu trinken, der wahren Quelle unseres Seins.

Der überlieferte Fachausdruck für «sich bemühen» ist Fasten (was einiges mehr bedeutet als Kasteiung beim Essen und Trinken). «Miteinander teilen» bedeutet Wohltätigkeit (was einiges mehr meint als Almosen verteilen). Und für «uns im Sein verankern» steht «Gebet» (was mehr bedeutet als Gebete aufsagen). Fasten, Wohltätigkeit und Beten sind die drei Wege, um uns und unsere Welt nach Gottes Plan auszurichten, es sind die drei sich überschneidenden Pfade in die Freude der Fastenzeit hinein.

Diese Drei sind untrennbar miteinander verflochten. Wie könnte ich authentisch werden, ohne dass ich mich in Gott verankere und teile? Wie könnte ich wahrhaft teilen, wenn ich nicht mein authentisches Selbst gefunden hätte, das in Gott verankert ist? Wie könnte ich mich in Gott verankern, wenn ich in Gott nicht dieses authentische Selbst von mir gefunden hätte, das Eins ist mit Allen und so freudig teilen will? Diese miteinander verschlungenen Dimensionen helfen jedem von uns, seine eigene individuelle Einhaltung der Fastenzeit zu finden.

Was ich für mich selbst festlege, um authentischer zu werden («Fasten»), wird der wachen Achtsamkeit auf mein persönliches Coaching durch Gottes Geist in mir entspringen (i.e. «Beten») und, was genau ich anderen gebe («Wohltätigkeit»), wird die einzigartige Frucht dieser einzigartig persönlichen Verbindung sein. Vielleicht ist es Geld, das ich den Armen geben kann, weil ich es erspart habe, indem ich auf Essen oder Getränke, die meinem Körper nicht gut tun, verzichte. Vielleicht ist es zusätzliche Energie, mit der ich jemandem in Not helfe, indem ich beim Konsumieren von Medien, die meinem Geist nicht gut tun, faste. Es mögen Dinge sein, die ich erübrige und weitergebe, weil ich diesen Krempel loswerden will, der authentisch leben schwieriger macht. Oder – vielleicht ist die Frucht meiner Fastenübungen ein Dienst an anderen, für den ich Zeit finde, weil ich meinen Zeitplan mit mehr Disziplin einhalte. Oder – oh, du wirst es schon auf den Punkt bringen! Für mein Engagement in der Fastenzeit gibt es eine intime persönliche Form, doch sie drückt sich in öffentlichem Handeln aus; das ist wie die zwei Seiten einer Münze.

Im Kloster bekommt jeder Mönch ein für ihn persönlich ausgewähltes Buch, das ihn durch die Fastenzeit führt. Das Buch, welches ich am Anfang erwähnte, ist eines, das ich empfehlen würde: Marcus J. Borg & John Dominic Crossan: The Last Week: What the Gospels Really Teach About Jesus’s Final Days in Jerusalem*.

(*Leider ist dieses Buch nicht auf Deutsch erhältlich. Dafür weist Br. David auf ein Buch von Gert Böhm und P. Johannes Pausch hin: «Auf zum guten Leben!: Fasten wie im Kloster», erschienen im Styria Verlag. Anm. die Übersetzerin).



Quelle: Gratefulness (2004) ©David Steindl-Rast (Übersetzung aus dem Amerikanischen Englisch  von Eve Landis)

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