Pressebericht über David Steindl-Rast OSB in der "Wochenzeitung Die Furche" von Johannes Kaup
«Wir bauen Bilder von Dir auf wie Wände; so dass schon tausend Mauern um dich stehn. Dich verhüllen unsre frommen Hände, sooft Dich unsre Herzen offen sehen.» Zeilen wie diese aus Rilkes «Stundenbuch» («Wir dürfen Dich nicht eigenmächtig malen») bilden die geistige Nahrung David Steindl-Rasts während der Nazizeit. Am 12. Juli 1926 wird er mit dem bürgerlichen Vornamen Franz-Kuno in Wien geboren.
Den Grundstein einer tiefen Religiosität legen bei ihm vor allem seine Großmutter und seine Mutter. Seinen Intellekt schärft er in der katholischen Aufbruchsbewegung «Bund Neuland», die 1938 verboten wird. Im sogenannten Do-Kreis rund um den Priester Arnold Dolezal sind Steindl-Rast und seine Freunde nicht nur im geistigen Widerstand gegen die Nationalsozialisten aktiv. Doch die letzten Kriegsjahre fordern auch unter den jungen «Neuländern» einen hohen Blutzoll. Auch Steindl-Rast wird 1944 noch für den Wehrdienst in einer Kaserne rekrutiert. Nach ein paar Monaten desertiert er, taucht unter und betreut sudetendeutsche Flüchtlinge im Marchfeld.
Gegen eine Kultur der Angst
«Den Tod täglich vor Augen haben» – dieser Rat des heiligen Benedikt ist damals für Steindl-Rast zur Lebenserfahrung geworden. «Zu sterben war für uns wahrscheinlicher, als zu überleben. Wir waren – trotz allem – unglaublich lebendig», erinnert er sich an die dramatischen Kriegsjahre. «Deshalb waren wir so dankbar und haben uns über jeden Augenblick des Daseins gefreut.» Hier liegt ein Wurzelstrang seiner späteren religionsübergreifenden Spiritualität der Dankbarkeit. Für ihn ist die Dankbarkeit das Herz aller großen religiösen Traditionen.
«Unsere Kultur ist geprägt durch Angst und Furcht. Daraus entspringt Gewalttätigkeit, unlauterer Konkurrenzkampf, Habgier und Ausbeutung. Dankbares Leben macht zunächst furchtlos. Es entspringt dem Vertrauen, dass auch alles, was uns bedrohlich erscheint, Gelegenheit mit sich bringt, die uns das Leben schenkt. […] Wenn wir nur diese drei Früchte der Dankbarkeit ansehen – Gewaltfreiheit, Zusammenarbeit und Teilen –, dann ist das schon revolutionär in unserer Welt», wird er später im Buch«Das glauben wir» schreiben.
Wir horchen hin auf das Wort, das
uns jeder Augenblick des Lebens
zuspricht. Es gibt uns. Es gibt.
(David Steindl-Rast OSB)
Nach dem Krieg studiert Steindl-Rast zunächst Kunst und Anthropologie und promoviert als Doktor der Psychologie. Die Sehnsucht nach einem kontemplativen Mönchsleben, die ihn seit den Kriegsjahren begleitet, lässt ihn zwar nicht los, aber die herkömmlichen Klöster, die er kennenlernt, erscheinen ihm als wenig attraktiv. Er möchte das wählen, was zuerst kommt: das richtige Mädchen oder das richtige Kloster. «Da waren aber so viel mehr Mädchen als Klöster, dass die Gefahr, das richtige Kloster zu finden, nicht sehr groß war», erinnert er sich.
Als Steindl-Rast 1952 seiner Familie in die USA folgt, findet er es dann überraschenderweise doch im Reform-Benediktinerkloster Mount Saviour in Elmira im Bundesstaat New York. Bei seiner feierlichen Profess nimmt er den Ordensnamen Bruder David an. Nach zwölf Jahren intensiver philosophischer und theologischer Studien lässt er sich in Zen-Klöstern in östlicher Meditationspraxis unterweisen. Danach erhält David Steindl-Rast die Erlaubnis des Vatikans, den christlich-buddhistischen Dialog aufzubauen.
Zusammen mit Buddhisten, Hindus, Sufis und Rabbinern gründet er 1968 das «Center for Spiritual Studies». Er demonstriert in den USA gegen den Vietnamkrieg, gegen die atomare Aufrüstung und später gegen den Irakkrieg. 1975 wird er für seine Leistung als Brückenbauer zwischen den verschiedenen religiösen Traditionen mit dem «Martin Buber Award» ausgezeichnet.
Existenzielle Lebenserfahrung
David Steindl-Rast baut nicht nur Brücken zwischen religiösen Traditionen, sondern auch zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen. Denn er versteht es, die Quellen und die Herzmitte des Christlichen in einer Weise zur Sprache zu bringen, die selbst Agnostiker neugierig macht. Denn – ausgehend von der existenziellen Lebenserfahrung – es gelingt ihm, verschüttete Zugänge zu einer Spiritualität freizulegen, die plausibel und weltbejahend ist.
Durch sein erstes Buch Gratefulness, The Heart of Prayer (1984) wird er als spiritueller Lehrer international bekannt. Mit Büchern wie Wendezeit im Christentum, Credo: Ein Glaube, der alle verbindet oder Das glauben wir - Spiritualität für unsere Zeit verfasst er internationale Bestseller. Nicht nur in seiner Biografie Ich bin durch dich so ich (2016) zeigt er keine Scheu, auch sperrige religiöse Themen nachvollziehbar zu erklären.
Die Kunst des Betens beispielsweise beginnt bei ihm mit dem Innehalten, der Stille und dem Horchen. «Wir horchen hin auf das Wort, das uns jeder Augenblick des Lebens zuspricht. Es gibt uns. Es gibt. Auf dieses Es, das uns alles gibt, darauf horchen wir hin.» Jeder Augenblick, jedes Ding, jede Begegnung ist in dieser Weise Wort, hat Sinn und will etwas sagen.
So ist für Steindl-Rast alles, was es gibt, eine Gabe der göttlichen Sinnquelle, und in diesem Geschenk liegt die Gelegenheit für den Menschen, zu antworten. Wer horcht, achtet wartend mit dem Herzgeist auf das, was sich ihm zeigt. Dieser Zugang postuliert keinen abstrakten oder konfessionellen Gottesbegriff, der für Agnostiker zu einem Stolperstein werden könnte, sondern eine Achtsamkeit des Herzens für den Urgrund des Seins. Bruder David, wie er genannt werden möchte, geht es um einen Gott, der unausschöpfliches Geheimnis bleibt, zu dem aber «unser menschliches Bewusstsein in seiner tiefsten persönlichen Beziehung steht – unser Ur-Du».
In die Tiefe des letzten Ja
Ein paar Monate im Jahr zieht sich Bruder David als Einsiedler zurück, um Bücher zu schreiben. Seine neue Heimat hat er vor einigen Jahren im Europakloster Gut Aich in St. Gilgen gefunden. Den Tod fürchtet er nicht. Gott ist für ihn die absolute Liebe, das letzte Ja. «Die menschliche Liebe ist das gelebte Ja zur Zugehörigkeit. Je mehr sich der Mensch in die Tiefe dieses letzten Ja Gottes ziehen lässt, desto mehr lebt Gott in ihm», sagt David Steindl-Rast. Dankbarkeit und Freude sind bei ihm die fruchtbaren Quellen des Glaubens. Eines Glaubens, der die Kraft hat, zu vertrauen, wo die Angst herrscht, zu bekämpfen, was das Leben bedroht, und zu heilen, was verwundet ist.
Quelle: Wochenzeitung DIE FURCHE, Nr.27/08.07.2021, von Johannes Kaup