+Liebe Freunde,
dass wir zu Weihnachten einen Geburtstag feiern, ist ein Gedanke, den ich hilfreich finde. Er hilft mir, mich abzufinden mit Formen der Festlichkeit, die oft allzu oberflächlich erscheinen. Denn zum Geburtstag feiern gehört eben auch allerhand oberflächliches Drum und Dran.
Was tiefer liegt, klingt schon im Geschenke schenken an. Dass wir einander beschenken deutet darauf hin, dass wir alle Geburtstag haben: in jedem Menschenkind feiert zu Weihnachten der Mensch schlechthin Geburtstag: der Gottmensch. Was in Jesus Christus seinen Brennpunkt findet, will in uns allen verwirklicht werden. Aber dass das Göttliche in uns durchscheinen kann, müssen wir zunächst einmal völlig menschlich werden und damit «hapert’s» halt leider, wie wir in Wien sagen. Da kann man leicht die Geduld verlieren, besonders weil Mensch werden nicht Privatsache sein kann. Alles hängt mit allem zusammen, und volle Menschlichkeit ist Aufgabe der ganzen Menschheitsfamilie. Da geht es um den Respekt, den wir alle einander schulden, um gegenseitiges Vertrauen, um Willigkeit, Opfer zu bringen. Der uns das vorgelebt hat, und dessen Geburtstag wir feiern, hat vom Sauerteig gesprochen, um uns Geduld zu lehren.
Ja, das Bild der Hefe ist mir wichtig in diesen Tagen. Immer wieder schaue ich da eine schematische Darstellung der biochemischen Verknüpfungen innerhalb einer einzigen Hefezelle an und bin überwältigt von ihrer Schönheit und Komplexität. Wir haben mehr wie 10x soviel Zellen in unserem Körper, als es Menschen gibt, und jede ist noch viel komplizierter in Aufbau und Funktion. Und dabei geht alles ‒ meistens wenigstens ‒ wie am Schnürchen; das Leben lebt uns.
Sollte dieses große, weise Leben nicht auch das Zusammenleben unter uns Menschen zum Gedeihen bringen, wenn wir nur willig sind? Überall in der Welt gibt es Zellen der Menschlichkeit. Eine zu finden und mitzuhelfen, darum geht es. Wenn es auch Geduld braucht, der Brotteig steigt schon (und Bethlehem heißt ja «Haus des Brotes»). Die Freude, an diesem Prozess teilzunehmen und ihn zu fördern, auch im Jahre 2010, das ist die Weihnachsfreude, die ich Euch ganz herzlich wünsche.
Ganz herzlich,
Euer Bruder David
Originalmanuskript