+ Meine lieben Freunde,

Heute schneit es. Meine Fußspur auf dem Waldweg war schon fast unsichtbar im Neuschnee auf meinem Rückweg vom Postkasten. Das ist der rechte Tag, im Warmen zu sitzen und diesen Weihnachtsbrief an Euch alle zu schreiben.

In diesen Adventstagen denke ich oft an die Roratemessen in meiner Ministrantenzeit. Manchmal war da zeitlich in der Früh der Schnee so tief, dass meine Mutter vorangehen musste, und sogar die Wälle zwischen ihren Fußstapfen waren noch schwer umzustoßen mit meinen Schienbeinen und Knien. Schon damals in meiner Kindheit hatten Spuren im Schnee einen geheimen Zauber für mich – meine eigenen und mehr noch die von Tieren. Da sah ich etwa die Fußabdrücke von Spatzen und Krähen, die längst fortgeflogen waren, und doch konnte ich sie mir so lebhaft vorstellen, wenn ich ihre Spuren anschaute, dass sie für mich einfach da waren. Einmal konnte ich sogar an seinen Spuren den Fuchs einem Hasen nachschnüren sehen, ja, auch die buschige Rute zeichnete sich deutlich ab. Dass ich da etwas sehen konnte, was doch nicht sichtbar war, das zog mich an und ließ mich nicht mehr los. Immer noch ist es mir bedeutend.

In diesen Tagen, in denen wir Weihnachtsgeschenke vorbereiten, fällt mir das alles wieder ein. Auch Geschenke wollen ja nur wie Spuren hinterlassen werden, nicht wie Denkmäler, die Spender sich selber setzen. Sind nicht die besten Geschenke wie Spuren der Liebe von jemandem, der uns vorangeht? In dem Raum, der zurückbleibt, können die Beschenkten sich selber frei entfalten. So hält es auch der, dessen Geburt wir als das ursprüngliche Weihnachtsgeschenk feiern. Im Johannesevangelium sagt er von sich selbst: “Es ist gut für euch, wenn ich weg gehe.” “So Entzogenes ist am meisten dein,” schrieb Rilke, und “O wie er schwinden muss, dass ihrs begrifft!” Wer denkt da nicht an Emmaus, wo seine Jünger ihn in dem Augenblick erkennen, in dem er ihnen entschwindet? Aber seine Spur bleibt in den Hungernden, Unterdrückten, Ausgebeuteten. Darum nennt ihn der Dichter “Du unendliche Spur.”

Diese Spur nicht aus den Augen zu verlieren, sondern ihr tatkräftig zu folgen in ein neues, ein besseres Jahr hinein, das ist es, was ich Euch am innigsten wünsche; es ist mein Weihnachtswunsch für uns alle.

In herzlicher Verbundenheit,

Euer Bruder David

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