Interview mit David Steindl-Rast OSB von Dr. Heinz Niederleitner

freude aus dankbarkeitCopyright © - Wilfried F. Noisternig

Tanz, Meditation und Exerzitien – Menschen probieren verschiedene Wege zu einem spirituellen Leben. Bruder David Steindl-Rast, der zu den Pionieren des interreligiösen Dialogs gehört, kennt diese Wege – und erinnert an einen einfachen, christlichen Zugang.

Spiritualität ist die Lebendigkeit aus dem Glauben und damit eine Entwicklung, die das ganze Leben lang zu keinem Abschluss kommt. Ich bemühe mich um Spiritualität, heißt: Ich lebe dankbar und ich wachse. Dankbar leben ist eine spirituelle Praxis genauso wie Yoga-Übungen, Sufi-Tanz oder Zen-Meditation.
Die Spiritualität des dankbaren Lebens hat sehr tiefe Wurzeln in der christlichen Tradition. Wenn wir an unsere Großeltern zurückdenken, werden wir sehr häufig feststellen können: Zu deren Zeit hat keine Katz’ von Spiritualität gesprochen, aber die innere Lebendigkeit meiner Großmutter hat darin bestanden, dass sie jeden Augenblick dankbar gelebt hat. Sie hat immer wieder ganz kurz innegehalten, sie ist sich dessen innegeworden, was ihr das Leben in diesem Augenblick schenkt, und sie hat daraus etwas gemacht.

Früchte   Dieser Dreischritt hat einen großen Vorteil gegenüber anderen spirituellen Übungen: Er bringt sofort Früchte. Sie sind vielleicht klein, aber immerhin spürbar. Wenn man am Nachmittag anfängt, innezuhalten, sich der Gelegenheit des Augenblicks innezuwerden und die Gelegenheit zu nützen – und sei es nur, um die kleinen Dinge des Lebens zu geniessen –, wird man am Abend schon freudiger sein, als man es zu Beginn war. Wenn etwas unsere Freudigkeit stärkt, dann stärkt es auch unsere Bereitschaft, es immer wieder zu machen.

Traditionen   Nun gibt es eine Diskussion um spirituelle Übungen aus anderen Religionen und Kulturen. Die Menschen, die sich vor dem Dialog mit anderen Traditionen fürchten, sind fast ausschließlich jene, die keine Erfahrung damit haben. Jene, die solche Erfahrungen haben, sagen dagegen eher: Jede Begegnung kann fruchtbar werden. Auch das, was wir heute als unsere christliche Spiritualität ansehen, fiel nicht vom Himmel. Schon in der allerersten Zeit haben wir viel von der griechischen Philosophie und Spiritualität ins Christentum hereingenommen.
Ich persönlich halte nicht viel von «Verwaschungen»: Ich glaube, wenn jemand schon wirklich fest im christlichen Glauben steht und sich zuhause fühlt, wird er in Begegnung mit anderen Traditionen zwar vieles finden, was ihn bereichert. Er wird dadurch aber seinen christlichen Glauben nicht «verwässern.» Leid tun mir die vielen, insbesondere junge Menschen, die in keiner Tradition beheimatet sind und sich etwas zusammensuchen müssen.

Gott   Ich würde Eltern raten, Kinder in einer Tradition aufzuziehen, sie aber auch mit anderen Traditionen bekannt zu machen – zum Beispiel, muslimische Kinder zur Weihnachtsfeier einzuladen und muslimische Feste mit ihnen zu feiern. In jeder Religion geht es um die Begegnung mit dem einen, einzigen Gott – mit dem unergründlichen Geheimnis, in dem wir «leben, uns bewegen und sind.» Kinder können das verstehen. Und sie können sich freuen an der Vielfalt der Formen, mit der wir Gottesbegegnung feiern.
Es ist eine lebenslange Aufgabe, diesem Geheimnis nachzuspüren durch unser Leben im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe.



Quelle:
Arbeitsgemeinschaft Kooperation-Kirchenzeitungen:
KirchenZeitung im Netz Nr. 38,  Vorarlberger Kirchenblatt,  martinus Kirchenzeitung,  TIROLER sonntag
(2017)

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