+Liebe Freunde,

gruss an sinai freundeCopyright © - David Steindl-Rast OSBWie schnell doch die Zeit vergeht. Nach Weihnachten hab' ich Euch zuletzt geschrieben, und jetzt hat schon die Fastenzeit begonnen. Jedes Jahr fühl' ich mich von neuem überwältigt von dem großen Geschenk, noch einmal diese vierzig Tage mitfeiern zu dürfen. «Mit der Freude zutiefst lebendiger Sehnsucht» sollen wir Mönche in diesen Wochen dem Osterfest entgegeneilen, sagt der Hl. Benedikt. Mir scheint oft, dass die Einheit von Freude und Sehnsucht, um die es da geht, für uns Sterbliche die höchste Lebendigkeit ist und die tiefste erreichbare Freude.

Zur Vorbereitung auf eine buddhistisch/christliche Einkehrwoche musste ich mich kürzlich in viele Berichte von Gipfelerlebnissen vertiefen. Da fand ich zu meinem Erstaunen, wie häufig Menschen berichten, dass sie in Augenblicken beglückendster Erfüllung Sehnsucht immer noch als wesentliches Element miterleben. Vielleicht könnten wir jene Erfüllung sogar gerade dadurch finden, dass wir Sehnsucht auf rechte Weise pflegen. Das wurde traditionell in der Fastenzeit auf dreierlei Weise versucht: durch beten, fasten und Almosen geben.

Draußen wirbelt noch der Schnee, aber bei einem südlichen Fenster im Kloster hier schwellen schon dicke, weiße Knospen an einem Zitronenbäumchen. Wer diese Knospen mit ihren zart-rosa Wangen still anschaut, der betet -- ob er es so nennt oder nicht. Und dieses Gebet verbindet Sehnsucht und Freude -- die Freude unbändigen Lebens und die ebenso unbändige Sehnsucht, dass dieses Leben auch die verhungertsten Glieder und die hoffnungslosesten Herzen durchpulsen möge. Ganz spontan entspringt diesem Erlebnis die Bereitschaft zu helfen («Almosen geben» ist halt ein veralteter Ausdruck dafür). Je tiefer meine Sehnsucht das Geschenk des Lebens zu teilen, umso erfinderischer wird sie mich machen. Und «fasten» heißt dann, was ich mir die Freude des Helfen-Könnens kosten lasse.

Mögen wir «mit weit gewordenem Herzen» auf dem uns persönlich gegebenen Weg voranlaufen «mit einer Freude der Liebe, die sich nicht in Worte fassen lässt;» so drückt es der Hl. Benedikt aus. Wenn beten, fasten und Almosen-geben uns solche Freude schenken können -- und das lässt sich leicht erproben -- dann schaut es wohl doch besser aus mit der Welt, als es manchmal scheint. Das ist es also, was ich Euch für die kommenden Wochen wünsche.

Herzlichst,
Euer Bruder David
(Bitte erinnert Euch, dass ich E-mail normalerweise nur durch kurze Berichte wie diesen beantworten kann. Aber Herzpost verbindet uns verlässlich.)

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