+Meine lieben Freunde,

weihnacht 2018 1Wieder ist die Zeit des Jahres gekommen, in der wir unseren Lieben ein Zeichen der Herzensverbundenheit schicken. Da wünsche auch ich Euch eine wahrhaft friedliche und gesegnete Advents- und Weihnachtszeit. Freilich wird es von Jahr zu Jahr schwieriger den Segen inneren Friedens wirklich zu erleben. Der hängt allerdings nicht so sehr davon ab, was sich in der Welt abspielt, sondern davon, wie wir uns dazu verhalten. Wenn wir feiern, haben wir die Wahl: wir können die Probleme unserer Zeit fernhalten von unserer Feier, und dazu neigen wir leider alle; wir können aber auch all dem Schweren und Traurigen unsere Herzen öffnen. Dann wird das Leid der Welt unsere Freude nicht mindern, sondern sie noch vertiefen und strahlender leuchten lassen. Es wird uns nämlich zum Ansporn werden, unsere eigene Freude mit Notleidenden zu teilen – und «geteilte Freud’ ist doppelte Freud.»

Darum geht es letztlich beim Weihnachten-feiern. Es ist ja kein Zufall, dass das «traute, hochheilige Paar» die stille, heilige Nacht (gar nicht so traut und heimelig) durchwachen musste, von Haus zu Haus um Unterkunft bittend und überall abgewiesen. Bald nach der Geburt des Kindes sollten sie dann, von staatlichem Terror bedroht, als Flüchtlinge auswandern müssen. In vielen Alpentälern wird dieses Herbergsuchen oder «Anklöckeln» im Advent jeden Abend bei einem anderen Bauernhof nachgespielt – «Wer klopfet an?» «Ach zwei gar arme Leut.» «Was wollt ihr denn?» «O gebt uns Herberg heut!» – Auch ich freue mich immer wieder, wenn ich bei diesem alten Volksbrauch mitmachen darf, der auch im Salzkammergut noch lebendig ist.

Vor drei Jahren – bevor die Medien entdeckten, dass sich Asylantenfeindlichkeit gut verkauft – berichteten die Salzburger Nachrichten vom 4. Dezember 2015 über den Streik einer Anklöcklergruppe aus Bamberg im Pinzgau. Zwei mutige Frauen, Helene Bachler und Maria Oberleitner schrieben: «Die Mühsal, die Maria und Josef vor 2000 Jahren erlebten, ist heute für viele Flüchtlinge wieder aktuell geworden. Unsere Anklöcklergruppe aus Bicheln kann und will keine Heuchelei betreiben in der Form, die biblische Herbergsuche zu Bethlehem nachzuspielen, wenn gleichzeitig den heutigen Flüchtlingen die Tür versperrt wird. Es ist für uns fragwürdig, sich die Herbergsuche von Josef und Maria anzuhören und den Wirt für sein Verhalten zu verurteilen, obwohl man selber nicht bereit ist, Herbergsuchende aufzunehmen. Leider haben wir den Eindruck, dass unsere Gemeinde zu wenig tut, um Flüchtlinge unterzubringen.

Wir Anklöckler aus Bicheln weigern uns daher, öffentliche Auftritte zu machen und die Herbergsuche aufzuführen und damit uns selbst der Scheinheiligkeit zu überführen. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingsbewegung, die Österreich zu bewältigen hat, und der Weigerung unserer Gemeinde, Flüchtlinge aufzunehmen, machen wir uns Gedanken darüber, wie auch wir unseren Beitrag dazu leisten können. Auch wir sind in Sorge und im Ungewissen angesichts der tausenden an Flüchtlingen, deren Integration, der Arbeitsplatz- und Wohnsituation; diese Sorgen sind ernst zu nehmen. Doch auch unsere Gemeinde soll, wie andere Orte, ebenfalls Flüchtlinge aufnehmen. Bei 4000 Einwohnern tun einige Flüchtlinge verteilt auf mehrere Häuser keinem weh. Es geht nicht nur um die gerechte Verteilung der Asylbewerber, sondern generell um Solidarität gegenüber Flüchtlingen, besonders jetzt in der Weihnachtszeit.» (Es war mir eine Freude, bald darauf zu lesen, dass dieser ungewöhnliche Streik doch allerhand ins Rollen brachte.)

Was wir selber tun können, wird wohl anders aussehen, aber unsere Herzen werden nur dann Frieden finden, wenn es auch uns gelingt, die Tränen der Welt mit hineinzunehmen in unser Feiern und dadurch etwas ins Rollen zu bringen. Auch wir können echte Freude nicht finden, indem wir «endlich einmal alles Leid da draußen für eine Weile vergessen» und totschweigen, sondern nur dann, wenn wir es ehrlich zur Sprache bringen und einander fragen, wie wir es lindern könnten. Auch unsere Gebräuche können wieder lebendig und lebenspendend werden – etwa das uralte Ritual einer festlichen Mahlzeit, das viele von Euch in diesen Tagen feiern werden. Haben wir den Mut, einen Festschmaus zum Anlass zu nehmen, offen vom Hunger unserer Schwestern und Brüder zu sprechen? Könnten wir vielleicht sogar einen überzähligen Platz am Tisch decken, mit einem Gabenteller – etwa für die Notleidenden auf unseren Bahnhöfen?

Der 30-Jährige Sebastian Lindner, Leiter der Bahnhofsmission Ulm, ist einer der jungen Menschen, die mir Hoffnung schenken. Er ist tatkräftiger Zeuge für Solidarität gegenüber Flüchtlingen, sieht aber auch die heimischen Probleme von Altersarmut, Vereinsamung und zerbrochenen Familien. Er weihnacht 2018 2sagt: «Die, die es betrifft, kommen zum Gleis Eins. Die Herbergssuche ist hier jeden Tag Thema, nicht nur zu Weihnachten.»

Lasst Euch doch heuer etwas recht Originelles einfallen, um Leid zu lindern, und plant voraus. Was immer wir tun, es wird uns – zurecht – als völlig unzureichend erscheinen angesichts der überwältigenden Not. Das gehört dazu. Und auch angesichts unserer eigenen Möglichkeiten wird es uns immer zu wenig erscheinen, selbst wenn wir (hoffentlich) geben, bis es weh tut. Auch dieser Schmerz gehört dazu zur Freude am Teilen. Diese wahre Freude aber ist es, die ich Euch von ganzem Herzen wünsche mit dem biblischen Adventsruf: «Freuet Euch! Und abermals sage ich: Freuet Euch!»

Euer Bruder David

 

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