+Meine Lieben alle,

Dieses Bild vom "Baum der Jahreszeiten" hat mein achtjähriger Freund Pauli mir als Dank gezeichnet. Er wollte nämlich wissen, wie eine Mönchszelle ausschaut, und da hab' ich ihm 2013 weihnachtsgruessegezeigt, wo ich wohne. Seine Oma durfte freilich in die Klausur nicht mitkommen, und als sie ihn nachher ausfragen wollte, hat der Spitzbub nur (etwas von oben herab) geantwortet: «Das ist nur für Männer!» - Aber zurück zum Bild.

Da sehen wir, wie zu erwarten, im ersten Vietel der Krone die Blüten des Frühlings; im nächsten Viertel Sommerlaub, das sich schon rot färbt; und dann fallen herbstlich die Früchte. Wo ich aber Schnee auf den Zweigen erwartet hätte, liegt ganz überraschend das Christkind im Lichtglanz. Das gibt mir zu denken. Nicht mit dem Weiß am Barte des alten Mannes endet also das Jahr, sondern mit dem Sinnbild der Hoffnung: dem Kind.

«Das Kind staunt vor dem Weihnachtsbaum; Lass es so fortfahren in der Haltung des Staunens»

sagt T. S. Eliot in einem Gedicht, das er "Die Veredelung von Weihnachtsbäumen" nennt - Veredelung, nicht als Hochzucht, sondern im Sinne einer Anreicherung unseres Erinnerungsschatzes Jahr für Jahr.

«Sodass vor dem Ende, beim achtzigsten Weihnachtsfest, (mit achtzig meine ich das letzte, irgendeines)
Die angesammelte Erinnerung alljährlicher Rührung
Sich verdichten mögen zu einer übergroßen Freude».

Voraussetzng für dese übergroße Freude ist die lebenslang geübte Haltung dankbaren Staunens. Deshalb ist dies heuer mein Weihnachtswunsch für uns alle: dass wir nie dieses Staunen verlernen mögen, das Staunen des Kindes in uns. Wie staunenswert ist es doch allein schon, dass es uns gibt, dass es überhaupt etwas gibt! Wie staunenswert, dass es immer wieder einen neuen Augenblick gibt, der uns eine neue Gelegenheit schenkt, wenn wir die vorige versäumt haben. Ja, um denkbares Staunen geht es beim Glücklichwerden. -- Wer denkt da nicht an die Worte von Matthias Claudius, in denen sich gerührtes Staunen wirklich zu einer großen Freude verdichtet? «Täglich zu singen» nennt er sein Gedicht. Ja, das sollte wirklich täglich unsere Haltung sein:

«Ich danke Gott, und freue mich
Wie's Kind zur Weihnachtsgabe,
Dass ich bin, bin! Und dass ich dich,
Schön menschlich Antlitz! habe,

Dass ich die Sonne, Berg und Meer,
Und Laub und Gras kann sehen,
Und abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen,

Und dass mir denn zumute ist,
Als wenn wir Kinder kamen,
Und sahen, was der heil'ge Christ
Bescheret hatte, Amen!»

Ja, wenn wir uns diese Haltung zueigen machen, dann kann jeder Baum zum Weihnachtsbaum werden - so wie für Pauli der Baum der Jahreszeiten, in dessen Zweigen das lichtstrahlende Kind erscheint und die Arme ausbreitet.

Mögen auch wir so - mit offenen Armen - das neue Jahr willkommen heißen. Und möge jeder neue Tag Euch Lebensfülle und Herzensfrieden bringen. Das wünscht Euch von ganzem Herzen,

Euer Bruder David


Dieser Adventsbrief steht, gelesen von der Schauspielerin Bettina Buchholz, auch als Video-Film  zur Verfügung. ©J.Neuhauser

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